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Castor rollt auf Umwegen Richtung Gorleben

6. November 2010

Begleitet von Massenprotesten hat der zwölfte Atommüll-Transport Deutschland erreicht. Im niedersächsischen Dannenberg demonstrierten Zehntausende Kernkraftgegner. Am Rande der Großkundgebung kam es zu Ausschreitungen.

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Zahlreiche Traktoren blockieren eine Straße im Wendland (Foto: dapd)
Proteste nicht nur an der Bahnstrecke, sondern auch auf den Straßen im WendlandBild: dapd

Der Castor-Transport mit hochradioaktivem, deutschem Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague passierte am Samstagmittag (06.11.2010) die Grenze zwischen dem französischen Straßburg und dem deutschen Kehl, wie die Polizei bestätigte. Dorthin hatte der Transport ausweichen müssen, weil es auf der ursprünglich geplanten Route weiter nördlich massive Gleisblockaden gegeben hatte: Hunderte Menschen hatten im Grenzort Berg die Polizeisperren durchbrochen und sich vorübergehend auf die Gleise gesetzt, um den Castor-Transport aufzuhalten.

Atomgegner: Verzögerung ist ein Erfolg

Ein Polizist vor dem Castor-Zug im Bahnhof Kehl am 06.11.2010 (Foto: dpa)
Auf Umwegen hat der Castor-Transport Deutschland erreichtBild: picture-alliance/dpa

Die Anti-Atom-Initiativen werteten die Protestaktion an der deutsch-französischen Grenze als Erfolg, weil die Castoren den Umweg über Kehl hätten nehmen müssen. Sie wollen den Transport auch im weiteren Verlauf immer wieder stören. An der Kinzigbrücke in der Nähe von Kehl durchkreuzten Atomkraftgegner erneut die Castor-Route. Greenpeace-Aktivisten seilten sich von der Brücke ab, die der Transport passieren musste. Die Umweltorganisation fordert, dass die Castorbehälter nicht nach Gorleben, sondern - gemäß dem Verursacherprinzip - ins Zwischenlager am Atomkraftwerk Philippsburg bei Karlsruhe gebracht werden.

Mehr als die Hälfte des Atommülls aus den Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague und im englischen Sellafield stammt ursprünglich aus Atomkraftwerken in Hessen, Bayern und Baden Württemberg; nur etwa 20 Prozent dagegen aus Niedersachsen. Bisher wird der radioaktive Müll nur in das Zwischenlager Gorleben transportiert. Mit den elf Spezialbehältern, die derzeit nach Gorleben transportiert werden, erhöht sich die Gesamtzahl der Behälter in dem Zwischenlager auf 102.

Schlagstöcke und Pfefferspray gegen grabende Aktivisten

In Dannenberg versuchten rund 150 Demonstranten am Rande einer Großkundgebung, eine der möglichen Transportstrecken des Atommülls zu unterhöhlen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die Aktion zu unterbinden. Demonstranten warfen laut Polizei Steine und Knallkörper auf die Sicherheitskräfte. Über mögliche Verletzte machte die Polizei keine Angaben.

Bei einem früheren Transport hatten Castor-Gegner eine Straße mit einem Tunnel untergraben und damit für die Schwertransporter unpassierbar gemacht. Seitdem schreitet die Polizei gegen solche Aktionen konsequent ein.

Atomkraftgegner demonstrieren am 06.11.2010 in Dannenberg gegen den Castortransport (Foto: dpa)
Zehntausende Atomkraftgegner demonstrierten in Dannenberg gegen den CastortransportBild: picture-alliance/dpa

Hunderte Traktoren blockieren Straße

An einer Kreuzung in Splietau, wo der Castor-Transport möglicherweise entlangfährt, nachdem er in Dannenberg von der Schiene auf Lastwagen verladen wurde, bildeten Hunderte von Traktoren ein Hindernis: Bauern hatten ihre Fahrzeuge so ineinander verkeilt, dass dort bis auf weiteres kein Durchkommen mehr ist. Der Transport mit dem Atommüll wird am Sonntag im Wendland erwartet. Die Südroute über Splietau ist eine von zwei üblichen Transportwegen nach Gorleben.

An der Hauptkundgebung in Dannenberg nahmen auch Claudia Roth und Cem Özdemir von den Grünen teil. Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, fuhr mit einem Traktor vor. Die Veranstalter sprachen von bis zu 50.000 Teilnehmern, die Polizei ging von 20.000 Personen aus. Viele der Demonstranten hielten Fahnen in den Händen, auf denen "Atomkraft - nein Danke" stand.

17.000 Polizisten im Einsatz

Der Sonderzug mit dem Atommüll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague war am Freitag gestartet. Noch auf französischem Gebiet war der Zug für rund drei Stunden gestoppt worden. Einige Kernkraftgegner hatten sich in der Nähe von Caen am Freitag an den Gleisen festgekettet.

Die Polizei ist mit 17.000 Beamten im Einsatz, um den Transport nach Niedersachsen abzusichern. Wegen der Verlängerungen der Laufzeiten von Atomkraftwerken rechnen die Veranstalter mit den größten Protesten seit Jahrzehnten.

Autorin: Ursula Kissel (dpa, rtr, afp)
Redaktion: Ulrike Quast