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Besuch beim Herrn der Möbel

Oliver Samson29. Oktober 2006

Möbel sind eines der wichtigsten Exportgüter Vietnams, obwohl Holz knapp ist. Oft kommt es deshalb aus dubiosen Quellen. Der größte Möbelfabrikant will beweisen, dass es anders geht - und Nachhaltigkeit ein Vorteil ist.

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Selten geworden: Wald in VietnamBild: AP

Wer nach den verschwundenen Naturwäldern der Welt sucht, wird hier fündig. Designermöbel, Gartenstühle, Tische, Parkett, Schiffsmodelle, allerlei Nippes – es gibt kaum ein Holzprodukt, das nicht in Vietnam produziert wird. In den drei großen Hallen der Möbelmesse in Ho-Chi-Minh-Stadt präsentiert sich die Möbelindustrie als selbstbewusste Boom-Branche - in einem Land, das fast keinen Wald mehr hat.

Waldroden im Regenwald Brasilien
Rodung von NaturwaldBild: AP

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Waldfläche Vietnams halbiert. Der legendäre Staats- und Parteiführer Ho Chi Minh erklärte zwar schon in den fünfziger Jahren die Wiederaufforstung zu einem der wichtigsten Ziele des sozialistischen Vietnam. Doch dazu kam es nicht: Napalm und der Einsatz der Entlaubungsmittels Agent Orange durch die Amerikaner fielen 2,5 Millionen Hektar Wald zum Opfer, der Wirtschsboom seit 1987 kostete nochmals die gleiche Fläche.

Wenn Bäume langsamer wachsen als die Wirtschaft

Bildgalerie Vietnam 2006 #20/20
Gartenmöbel - nur wo kommt das Holz her?Bild: DW/Samson

Die vietnamesische Regierung hat das Problem inzwischen erkannt und erlaubt nur noch den Einschlag von 100.000 Kubikmetern pro Jahr. Doch Bäume wachsen langsam. Viel langsamer als die vietnamesische Möbelindustrie. Holzprodukte sind inzwischen das fünftwichtigste Exportgut des Landes. 2005 wurden mit 1,5 Milliarden Dollar mehr umgesetzt als mit dem klassischen vietnamesische Exportprodukt Reis. Besonders bei den Gartenmöbeln ist Vietnam Weltspitze. Möbel für draußen sind vergleichsweise einfach zu produzieren, der Mangel an Erfahrung, modernen Maschinen und Know-How fällt weniger ins Gewicht. Die Masse macht`s: Schon 2010 soll nach dem Plan der Regierung der Umsatz bei über zwei Milliarden Dollar liegen.

Die vietnamesische Holzindustrie ist ein klassisches Beispiel für die globalisierte Wirtschaft, in der Transportkosten immer weniger ins Gewicht fallen. Das Holz für Vietnams Möbelbauer kommt nämlich seit dem faktischen Abholzungstopp woanders her. 90 Prozent wird importiert, oft illegal geschlagen aus Laos, Malaysia, Brasilien, den Fidschi-Inseln. Ein Aussteller in den Messehallen bietet sogar Möbel aus französischer Eiche an.

Nachhaltigkeit lohnt

Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt. Die hohen Importkosten machen 43 Prozent des Exportwertes aus – Zahlen, mit denen Umweltschützer und Entwicklungshelfer auch auf einer Möbelmesse argumentieren können. Ihr Ziel ist es, die Holzindustrie zu einem verantwortlichen Umgang mit Ressourcen zu bewegen. "Nachhaltige Forstwirtschaft muss sich natürlich rechnen", sagt Heiko Wörner. Der Holzwirtschaftler leitet in enger Zusammenarbeit mit dem World Wildlife Found (WWF) ein Projekt der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) zur Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft. Eine Kernaufgabe ist es Unternehmer dazu zu bewegen, sich dem "Global Forrest Trade Network" anzuschließen – und sich dadurch zu verpflichten, innerhalb von fünf Jahren aus dem Handel mit Holz aus illegalen oder zwielichtigen Quellen auszusteigen. Im Gegenzug winkt eine Zertifizierung - und damit der Zugang zu neuen Handelpartnern, Märkten und Marketingmöglichkeiten.

Der Hoffnungsträger

Troung Thanh weiß, in welchem Ruf Vietnams Möbelindustrie steht: Zweifelhaftes Holz, niedrige Löhne, katastrophale Arbeitsbedingungen, schlechte Qualität. Thanh ist der größte Möbelhersteller Vietnams. 5000 Menschen arbeiten für Thanh in seinen acht Fabriken. Thanh kann einen amerikanischen MBA-Abschluss und eine Menge internationale Wirtschaftspreise vorweisen. Seit mehr als zwanzig Jahren baut er seinen Konzern ausschließlich mit vietnamesischem Kapital auf.

"Qualität statt Quantität"

Bildgalerie Vietnam 2006 # 13/20
Troung ThanhBild: DW/Samson

90 Prozent der von Thanh produzierten Möbel gehen ins Ausland, in über 30 Länder, auch nach Deutschland. Thanhs Credo lautet: "Qualität schlägt Quantität", sagt Thanh, "man muss dafür nur die nötige Geduld haben." Thanh sieht genau darin die Antwort auf die Frage, die sich in Vietnam momentan alle stellen: Wie kann das Land in der globalen Wirtschaft bestehen, wie in der WTO, wie neben dem mächtigen Nachbarn China? "Wir müssen in die gehobenen Marktsegmente", sagt Thanh, "bei der Masse können wir nicht konkurrieren."

Gut für Vietnam, gut für das Geschäft

Bildgalerie Vietnam 2006 # 15/20
Schleifen für den WeltmarktBild: DW/Samson

"Die Berichte über die Zerstörung der Wälder in Südostasien können einen schon traurig machen. Der Weg des Holzes ist aber oft nicht genau nachvollziehbar", sagt Thanh. Auch seine Fabriken sind darauf angewiesen, Holz aus dubiosen Quellen zu beziehen. Doch das soll sich bald ändern. Thanh will nicht mehr nur ökonomisch, sondern ökologisch vorangehen. Bis 2015 sollen 90 Prozent des verwendeten Holz aus nachweislich nachhaltig betriebener Forstwirtschaft bezogen werden. Wenn alles gut läuft, kann Thanh für sein Holz in Zukunft sogar selbst sorgen. Vom Aufforstungsprogramm der Regierung wurde Thanh beauftragt, eine 5000 Hektar große Plantage in der Provinz Dak Lak aufzubauen. "Das ist sehr gut für unser Land – und unser Geschäft".