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Bescheidener Fortschritt

Heinrich Bergstresser13. Februar 2004

Nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg im multi-religiösen Vielvölkerstaat Sudan schlossen im Januar die Regierung und die stärkste Rebellenorganisation ein Friedensabkommen - aber heißt das wirklich Frieden? (7.1.2004)

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Kernstück des Abkommens, das im benachbarten Kenia geschlossen wurde: Der neue Reichtum des Landes - das seit einigen Jahren sprudelnde Erdöl - geht zu gleichen Teilen an die verfeindeten Landesteile Nord und Süd.

Wann hatte man das letzte Mal so viele lachende Gesichter sudanesischer Politiker gesehen wie am 7.1. im kenianischen Naivasha? Sicherlich beim Friedensabkommen 1972 und vielleicht auch noch nach der Machtübernahme durch eine gewählte Zivilregierung 1986, die sich aber nur wenige Jahre im Amt hielt. Aber das ist lange her, und seitdem hat dieser schmutzige Krieg weitere hunderttausende Menschen dahingerafft.

Dann und wann hörte man Meldungen über einen angeblichen Vernichtungsfeldzug der islamischen Zentralregierung in Khartum gegen die Christen und Animisten im Südsudan. Dann gab es wieder Berichte über den Kampf der südsudanesischen Rebellen zur Befreiung des Sudan vom Joch der Islamisten und der Scharia, denen einst auch Osama bin Laden gedient hat, und der Schaffung eines Staates, in dem Staat und Religion strikt getrennt sind.

Kampf der "Herrenmenschen" gegen "Untermenschen"

Fakt ist, die arabisch-stämmige Bevölkerungsmehrheit im Nordsudan betrachtete sich von je her als das "Herrenvolk", das früher im Südsudan Sklaven jagte und bis heute die Menschen dort als minderwertig betrachtete. Aber das reichte nicht aus, den Großstaat politisch und militärisch zu beherrschen. Vielmehr mussten die Herrenmenschen in Khartum in diesem Abnutzungskrieg ihre Grenzen erkennen und letztlich akzeptieren, dass die vermeintlichen "Untermenschen" kämpfen können, dass keine Seite diesen Krieg gewinnen kann und am Ende nur Verlierer dastehen.

Erdöl als Friedensförderung?

Bürgerkrieg im Sudan
Bürgerkrieg im SudanBild: AP

Da taucht das Schmiermittel der modernen Welt, das Erdöl, gerade zur rechten Zeit auf, das hohe Einkommen garantiert - zumindest für die Führungskader beider Seiten und deren Familienclans. Vergessen scheinen alle ideologischen Gräben, zeichnen sich doch rosige Zeiten für die Oberschicht der Muslime in der Metropole Khartum wie der Nichtmuslime in der Stadt Juba ab.

Unter diesen Perspektiven lassen sich alte, sogar uralte Zöpfe leichter abschneiden, besonders dann, wenn diejenigen, die diesen Akt vollziehen, auch die eigentlichen Nutznießer sind.

Friede noch in weiter Ferne

So erfreulich die Nachricht über einen möglichen Frieden im Sudan auch erscheint, die Wirklichkeit sieht dort noch ganz anders aus. Im Schatten des Bürgerkrieges sind nämlich zahlreiche kleine Kriegsfürsten herangewachsen, die nun auch Appetit auf das schwarze Gold entwickeln und nach den jahrzehntelangen Entbehrungen etwas vom Kuchen abbekommen möchten. Der neue Konfliktherd an der westlichen Grenze zum Tschad gibt einen Vorgeschmack dessen, was in den nächsten Jahren noch zu erwarten ist.

Diese Form der Konflikte lässt sich sicher mittelfristig mit den Petrodollar lösen. Aber eine hochwertige und Geld spendende Ressource wie Erdöl in einem Armenhaus wie dem Sudan beschwört andere und neue Konflikte geradezu herauf. Die werden sich aber zunehmend auf einen Verteilungskampf zwischen einer kleinen raffgierigen Elite und dem Volk verlagern. Durchaus ein bescheidener Fortschritt, was zynisch klingen mag. Aber das Ende des Bürgerkrieges wäre damit besiegelt, und das wäre doch ein Fortschritt in Afrika.