Berlin dämpft Hoffnungen vor EU-Gipfel
18. Oktober 2011Am Wochenende hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach dem G20-Treffen in Paris noch bekräftigt, dass die Euro-Länder bis zum Gipfel ein umfassendes Paket zur Lösung der Schuldenkrise vorlegen wollen. Die Presse hatte bereits von einem deutsch-französischen "Masterplan" berichtet. Jetzt rudert die Bundesregierung zurück und tritt auf die Erwartungsbremse. Zu den bevorstehenden Entscheidungen sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: "Das sind wichtige Arbeitsschritte auf einem langem Weg." Kanzlerin Angela Merkel habe darauf verwiesen, dass Träume, am nächsten Montag wäre mit einem Paket alles gelöst und alles vorbei, wieder nicht erfüllt würden. Man hoffe aber, in Brüssel "ordentlich voranzukommen", sagte Seibert.
Die Euro-Länder wollen beim Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs am kommenden Sonntag (23.10.2011) ein umfassendes Lösungspaket vorlegen. Dabei geht es um ein tragfähiges Konzept zur Entlastung des hoch verschuldeten Griechenlands. Seibert sagte, zurzeit werde ein Paket an Maßnahmen diskutiert und vorbereitet. Dazu zähle die Stabilisierung des Bankensektors, eventuell durch eine koordinierte Rekapitalisierung von Instituten; außerdem solle der Euro-Rettungsschirm EFSF möglichst effektiv eingesetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Freitag in einer Regierungserklärung im Bundestag die Grundzüge ihres Kurses vor dem EU-Gipfel erläutern.
Schuldenschnitt immer wahrscheinlicher
Zu einer stärkeren Beteiligung privater Banken an einer Griechenland-Rettung wollten sich Seibert und ein Sprecher des Finanzministeriums nicht näher äußern. Bundesfinanzminister Schäuble hatte einen größeren Beitrag der Institute zuvor nicht ausgeschlossen. Bisher sind Privatbanken zu einem freiwilligen Forderungsverzicht von 21 Prozent und zu längeren Kredit-Laufzeiten bereit. Inzwischen ist aber von einem Schuldenschnitt mit einem Wertverlust griechischer Staatsanleihen von 40 bis 60 Prozent die Rede.
Die Zweifel an einem großen Befreiungsschlag in der Euro-Krise führten zu deutlichen Verlusten sowohl am deutschen Aktienmarkt als auch an der Wall Street. Der Dax verlor am Montag 1,8 Prozent, der Dow-Jones-Index gab um 2,1 Prozent nach.
In der Finanzkrise hält Bundeskanzlerin Merkel auch Straßenproteste für gerechtfertigte Meinungsäußerungen. Allerdings sollten sich die Demonstrationen nicht allein gegen die Banken richten, sagte Seibert. Schließlich seien es Staaten gewesen, die jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Die Kapitalismuskritiker vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main harren in ihrem Protestcamp aus.
Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Siegfried Scheithauer