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Bahnreisen - sicher trotz Terrorgefahr?

Wolfgang Dick21. August 2016

Ein Attentäter schoss am 21. August 2015 auf Reisende - im Schnellzug Thalys von Amsterdam nach Paris. Er konnte von Passagieren überwältigt werden. Wie sehen ein Jahr danach Sicherheitsmaßnahmen für Zugreisende aus?

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Bewaffneter Polizist vor Zug in Frankreich (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/J. Saget

Frankreich hat die strengsten Konsequenzen gezogen. Im Pariser Bahnhof Gare du Nord und in Lille stehen Sicherheitsschleusen, die ähnlich wie bei Flughafenkontrollen mit Metalldetektoren funktionieren. Reisende müssen für den Einstieg mindestens zwanzig Minuten vor einer Zugabfahrt anwesend sein, die Wartezeiten sind entsprechend lang. Diese Maßnahmen gelten allerdings nur für den Thalys. Andere Züge werden durch ein erhöhtes Aufgebot von Sicherheitspersonal stichprobenartig kontrolliert.

Teilweise laufen Polizisten und Sicherheitspersonal in Zivil durch die Zugabteile, um verdächtig erscheinende Passagiere aufgreifen zu können. An den Bahnsteigen etlicher Bahnhöfe erfolgen gehäuft Überprüfungen von Ausweispapieren. Gesonderte Namenstickets zur Ergänzung der eigentlichen Reisetickets, wie sie die europäischen Innen- und Verkehrsminister einmal angedacht hatten, gibt es bis heute nicht.

Brüssels Anspannung abgeflaut

Der Attentäter Ayoub El Kahzani war im August 2015 nicht in Frankreich, sondern in Belgiens Hauptstadt Brüssel in den Schnellzug gestiegen, dessen Endstation Paris sein sollte. Bewaffnet war der 25-jährige Marokkaner mit einer Pistole, einem Teppichmesser und einem Sturmgewehr. Auf belgischem Gebiet war er mit den Waffen nicht aufgefallen. Wäre das heute - ein Jahr nach der Tat - noch möglich?

Brüssel hat feste Sicherheitskontrollen, die es kurzfristig gab, wieder heruntergefahren. Sicherheitsschleusen gibt es derzeit nicht. Dafür ist am Brüsseler Südbahnhof ein Zugang geschlossen. Absperrgitter sind noch vereinzelt zu finden. Am Thalys stehen Schaffner vor jedem Zugwagen am Bahnsteig. "Die hat es aber vor den Attentaten dort auch schon gegeben", berichtet DW-Brüssel-Korrespondent Bernd Riegert. Ausweis- und Sichtkontrollen würden nicht mehr ganz so akribisch betrieben, wie in den Tagen nach dem Anschlag, schildern Riegert und Reisende, die auch im belgischen Lüttich (Liège) keine erhöhten Kontrollen kennen. Im Rest des Landes: keine Besonderheiten.

Bewaffneter Sicherheitsmann auf Bahnsteig in Grossbritannien (Foto: Getty Images/S. Barbour)
Großbritannien kontrolliert die Eurostar-Züge intensiv - überall sonst gibt es spontane SicherheitsaktionenBild: Getty Images/S. Barbour

Großbritannien und der Eurostar

Ähnlich streng wie am Flughafen werden in Europa nur die Eurostar-Züge zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland kontrolliert. Das mag aber auch daran liegen, dass die Insel nicht zum europäischen Schengenraum gehört. Im übrigen europäischen Raum ist nur von Spanien und Italien bekannt, dass auf längeren Strecken Passagierkontrollen durch Sicherheitspersonal stattfinden oder spontane Überprüfungen an manchen Bahnsteigen. Schleusensysteme werden abgelehnt, um den freien Verkehr mit spontanem Zu- und Aussteigen zu gewährleisten.

Verantwortlich für die Sicherheitsmaßnahmen sind nicht die einzelnen Bahnbetreiber, sondern die Sicherheitsbehörden der europäischen Länder, die jeweils für sich entscheiden. Im Augenblick setzt man in Europa eher auf eine verstärkte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden als auf die Abriegelung von Bahnhöfen. Einzig Kontrollen von Gepäck sollen intensiver betrieben werden.

Bewaffneter Sicherheitsmann am Bahnsteig in Spanien (Foto: Getty Images/D. Ramos)
Spanien kontrolliert vor allem an längeren Strecken - Zugangsschleusen zu Bahnsteigen gibt es nichtBild: Getty Images/D. Ramos

Die Situation in Deutschland

Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärte, er wolle keine vollständige, flächendeckende Personen- und Gepäckkontrolle in den Zügen. Weder in Europa noch in Deutschland. Er sprach sich stattdessen für eine umfangreichere europäische Fluggastspeicherung aus - immerhin war der Angreifer im Thalys früher auch in Flugzeugen gereist.

In Deutschland reisen täglich mehr als sieben Millionen Menschen mit der Bahn. Bei dieser Anzahl, der engen Verbindung zwischen Nah- und Fernverkehrszügen und wegen der von Reisenden so geschätzten mobilen Freizügigkeit, ist allen Fachleuten klar, dass ein geschlossenes System mit Zugangskontrollen wie auf dem Flughafen für Deutschland realitätsfern ist. Solche Systeme werden auch bundesweit nicht verfolgt. Die Deutsche Bahn befürwortet, ein "offenes System" zu bleiben. So gibt es an den Haltepunkten des Thalys in Köln und Dortmund auch keine fest installierten Zugangskontrolleinrichtungen wie in Paris.

Gegen eine Gefährdung der Bahnreisenden arbeiten 3700 Sicherheitsleute und weitere 5000 Bundespolizisten in Zügen und an Bahnhöfen. Das Sicherheitspersonal will die Deutsche Bahn um mehrere hundert Mitarbeiter aufstocken. Die Video-Technik soll alleine für 85 Millionen Euro aufgerüstet werden. Jetzt schon gibt es in den Zügen 27.000 Überwachungskameras - das sind doppelt so viele wie im Jahr 2010. Die zusätzlichen Kameras an Bahnhöfen erfassen 80 Prozent der Reisenden. Die anfängliche Kritik an der Video-Überwachung ist inzwischen einer breiten Zustimmung gewichen.

Neben den Investitionen setzt die Bahn, so ein Sprecher, auf eine sehr enge Zusammenarbeit mit allen wichtigen Sicherheitsbehörden. Und tatsächlich belegen die Zahlen: Die Bahn ist sicherer als andere öffentliche Räume. Konzernchef Rüdiger Grube stellte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" aber auch klar: "Selbst ein noch so ausgeklügeltes Sicherheitskonzept wird derartige Gewalttaten nicht restlos ausschließen können".