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Arbeitsmarkt

Sabine Kinkartz20. September 2006

30.000 Bewerber werden in diesem Ausbildungsjahr in Deutschland keine Lehrstelle bekommen. Viele davon haben einen Migrationshintergrund. Mit einer interessanten Initiative will die Bundesregierung das Problem angehen.

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Ein Auszubildender zum Anlagentechniker schweißt in der Berufsschule Kaufbeuren an einem Werkstück. Beobachtet wird er dabei von seinem Fachlehrer.
Ein Azubi in BayernBild: dpa - Report

In Deutschland leben 15 Millionen Menschen ausländischer Herkunft. Dabei wächst vor allem der Anteil von jungen Menschen, in manchen großen Städten haben bereits 40 Prozent aller Jugendlichen einen so genannten Migrationshintergrund. Darunter sind viele Jugendliche, die große Probleme in der Schule haben. Viele bleiben ohne Abschluss. Ihre beruflichen Perspektiven nennt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, schlichtweg erschreckend. "Das was uns besonders umtreibt, ist der hohe Anteil von Jugendlichen, die ohne jegliche berufliche Qualifizierung bleiben."

Nur noch halb so viele ausländische Lehrlinge

Allein zwischen 2004 und 2005 ist die Zahl der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die eine duale Ausbildung absolvieren, von 72.000 auf 67.600 gesunken - duale Ausbildung meint den parallelen Besuch einer Berufsschule mit der praktischen Arbeit in einem Ausbildungsbetrieb. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl ausländischer Lehrlinge in den vergangenen zehn Jahren sogar nahezu halbiert. Dabei haben sie durchaus Potenzial, sind bilingual und bikulturell aufgewachsen. Das macht sie vor allem für Unternehmen von Inhabern ausländischer Herkunft interessant, deren Zahl sich in Deutschland seit den 1990er-Jahren auf 300.000 fast verdoppelt hat.

Je nach Nationalität bilden nur 6 bis 15 Prozent dieser Unternehmen auch aus. Das soll sich nach dem Willen der Bundesregierung ändern. Auf acht Regionalkonferenzen in Städten mit hohem Ausländeranteil sollen ausländische Unternehmer in den kommenden Monaten unter anderem über das deutsche Ausbildungssystem informiert werden. "Wir wollen dabei besonders diejenigen ansprechen, die selbst als ausländische Unternehmer gelten," hofft Böhmer. Sie sollen verstärkt in die Ausbildung einsteigen, "denn deren Ausbildungsbeteiligung ist deutlich geringer, als die der deutschen Unternehmer".

Förderpolitik soll transparenter werden

Die Initiative wird von den deutsch-ausländischen Unternehmen aktiv unterstützt. Denn vielen dieser Betriebe sei das deutsche Ausbildungssystem nicht ausreichend vertraut, erklärt der Vizepräsident der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, Nihat Sorgec. "Wir haben auch das Problem, dass die ausländischstämmigen Unternehmer nur wenige Förderrichtlinien in Anspruch nehmen, nämlich nur die Hälfte dessen, was die deutschen Unternehmer nutzen." Mit dem Ergebnis, dass 70 Prozent aller türkischstämmigen Neu-Unternehmer in den erst drei Jahren Konkurs anmelden müssen.

Sorgec sieht aber nicht nur Defizite bei den Unternehmern, sondern auch bei den potenziellen Auszubildenden. Die seien selbst mit Schulabschluss in vielen Fällen schlichtweg nicht ausbildungsfähig. "Ich kann ein Beispiel nennen von einem Unternehmer, der sich bereit erklärt hatte, vier Auszubildende aufzunehmen. Da hat er folgende Frage gestellt: Ich kaufe Ware für 1000 Euro und möchte 20 Prozent Gewinn machen. Für welchen Preis muss ich die Ware verkaufen. Ein Absolvent mit erweitertem Hauptschulabschluss hat geantwortet: 90 Euro." Das sei natürlich peinlich.

Am Montag (25.9.2006) soll in Berlin die erste Regionalkonferenz stattfinden. Bis zum Jahr 2010 sollen 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze eingerichtet werden. Das zumindest ist das Ziel der Initiative, an der neben dem Bildungsministerium und zahlreichen deutsch-ausländischen Unternehmerverbänden auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag beteiligt ist.