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Aus der Traum vom Profifußball

Olivia Fritz30. November 2012

Mit zwölf Jahren kam Timo Heinze in die Jugend zum FC Bayern und blieb elf Jahre dort. Doch kurz vor dem großen Ziel Profifußball warf ihn eine Verletzung zurück. In seinem Buch schildert er, wie es war zu scheitern.

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Ex-Fußballprofi Timo Heinze bei einem Juniorentunier Foto: picture-alliance/Foto Ulmer
Bild: picture-alliance/Pressefoto ULMER

Neidisch sei er nicht auf seine ehemaligen Kollegen, sagt Timo Heinze heute. Natürlich habe er sich erst einmal nur schwer Fußballspiele anschauen können, doch mittlerweile gehe es wieder ganz gut. Und wenn der 26-Jährige zum Beispiel Mats Hummels oder Thomas Müller im Nationaltrikot sieht, freut er sich sogar. Er sei Fan ihrer Spielweise. "Da kann ich mich nicht hinstellen und sagen: Och, die haben es geschafft und ich nicht. Dann muss man das neidlos anerkennen und ihnen das gönnen, weil sie es verdient haben."

Mit beiden Nationalspielern hat Heinze in der Jugend beim FC Bayern München gespielt. Elf Jahre lang hatte er das große Ziel vor Augen, es in die erste Mannschaft zu schaffen. Er wurde deutscher Meister mit der A-Jugend und war Kapitän der Amateurmannschaft. Er durchlief mehrere Jugend-Nationalteams. Dann kam eine Leistenverletzung, ausgerechnet im Übergang zu den Profis. Ein Jahr fiel er aus, dann brauchte er wiederum ein Jahr, um wieder in Form zu kommen. Er schaffte es nicht in die Bundesliga, sondern musste die Bayern sogar verlassen und kickte fortan bei der Spielvereinigung Unterhaching. Er befand sich in der Abwärtsspirale, aus der er sich nicht mehr befreien konnte.

Mannschaftsfoto FC Bayern München II in der Saison 2008/2009. Foto: picture-allicance/Werek
Heinze (untere Reihe, 3.v.l.) 2008 in der 2. Mannschaft des FC Bayern, in der auch Thomas Müller spielte (3.v.r.)Bild: picture-alliance/Werek

Der Kopf spielt eine große Rolle

Woran es am Ende gelegen habe, kann Heinze heute nicht genau sagen. Es kamen viele Faktoren zusammen. "Die Verletzung, die mich natürlich zurückgeworfen hat, weil es einfach in einer wichtigen Phase war. Mit dem Trainer war es am Ende nicht mehr so das Gelbe vom Ei. Der ist einfach von mir abgerückt, was mich überrascht hat. Und dann auch, dass ich mich von diesem Genickschlag nicht mehr erholt habe."

Der Kopf könne einen Sportler lähmen, sagt Sportpsychologe Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochschule. Er erkennt sofort die typischen Muster der Verletzungsgeschichte. Verletzungen seien völlig normal, sagt Kleinert. Jeder Leistungssportler sei irgendwann mal verletzt. "Giovanne Elber hat das mal gut beschrieben: Letztlich unterscheiden sich die Guten und die Schlechten nur dadurch, wie sie mit ihren Verletzungen umgehen, und nicht, wie sie Fußball spielen." Das kann der Psychologe nur bestätigen: "Das soziale Umfeld und die Ärzte spielen eine große Rolle. Wenn ich schon höre, einer geht von einem Arzt zum anderen – da gehen schon die Alarmglocken an. Das bedeutet, man ist schon total verunsichert."

Neben Talent gehört auch Glück dazu

Zweifel keimen auf, Angst wird geschürt. Auch der Dortmunder Mats Hummels kennt das. Er selbst war unsicher, wie sein Weg verlaufen würde. Hummels wechselte von den Bayern nach Dortmund – ohne zu ahnen, wie das seine Karriere vorantreiben würde. "Zu dem Zeitpunkt - Abbruch des Abiturs und Wechsel nach Dortmund - hatte auch ich Zweifel, ob das die richtige Entscheidung ist", sagt der Nationalspieler. "Man muss auch manchmal etwas riskieren, und ich bin sehr froh, dass es der richtige Weg war."

Risiko, Mut und Glück ebnen oft den Weg erfolgreicher Fußballprofis. Zudem sei die Beziehung zum Trainer von immenser Bedeutung, glaubt Hummels: "Du kannst so gut spielen wie du willst – wenn dein Trainer nicht auf dich steht, nützt es nichts."

Timo Heinze, Max Hummels und Sportpsychologe Jens Kleinert bei einer Veranstaltung der Sporthochschule Köln. Foto: dpa
Timo Heinze, Mats Hummels und Sportpsychologe Jens Kleinert (v.r.) in der Sporthochschule KölnBild: picture-alliance/dpa

Nur ein winziger Bruchteil der Jugendspieler in den deutschen Leistungszentren schafft den Sprung ins Profigeschäft. Selbst in der Jugend wird nach jeder Saison ausgesiebt. Der Preis für den großen Traum sei hoch, erklärt Hummels. "Das sind zwei Dinge: Dass man nicht mehr unerkannt rumlaufen kann, was mit dem wachsenden Erfolg in den letzten beiden Jahren extremer wurde. Und zweitens die räumliche Distanz, die ich jetzt zu meiner Familie und zum größten Teil meiner Freunde habe, die ich nicht so oft sehen kann, wie ich es früher gewohnt war."

Heinze macht Mut

Das Buch seines ehemaligen Mitspielers hält Hummels für eine "überragende Sache" und sagt, dass es Außenstehenden einen sehr guten Einblick gebe in die bizarre Welt des Fußballs und wie schnell alles vorübergehen könne. Mats Hummels hat es geschafft. Durch Bücher wie diese wird auch er daran erinnert, welch Privileg das ist. "Man weiß es jeden Tag zu schätzen", behauptet der Dortmunder Profi. Es gebe aber auch Tage, wo er einfach mal zu Hause bleiben und entspannen möchte: "Dann hätte man keinen festen Essensplan und Vorschriften, wann man ins Bett geht und wann man aufsteht. Man ist manchmal etwas fremdbestimmt als Fußballer. Aber es ist schon so, dass ich mich darüber nicht beschweren möchte."

Einen kurzen Einblick in die schillernde Profiwelt hat Timo Heinze dann doch bekommen: Für sieben Minuten wurde er beim Abschiedsspiel von Oliver Kahn vor 80.000 Menschen im Münchener Stadion eingewechselt. Diese sieben Minuten werde er nie vergessen, für mehr habe es einfach nicht gereicht, sagt er. Sie bleiben ihm als fußballerischer Höhepunkt ewig im Gedächtnis.

Heinze hat seine Erlebnisse niedergeschrieben und auf sein Buch "Nachspielzeit - eine unvollendete Fußballkarriere" schon viel Resonanz bekommen. Viele Fußballer haben ihm geschrieben, dass er ihnen aus der Seele gesprochen habe. Er selbst hat nun andere Ziele. Der ehemalige Fußballer hat ein Studium an der Deutschen Sporthochschule aufgenommen. Was Heinze anschließend damit anfängt, weiß er noch nicht so genau. Aber er könnte sich gut vorstellen, in Richtung Sportpsychologie zu gehen. Um anderen zu helfen, die wie er gescheitert sind.