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"Außenpolitisch falsch und dumm"

Zusammengestellt von Angela Göpfert15. August 2005

Bundeskanzler Schröder hat einen Gewaltverzicht gegen den Iran gefordert. Die Opposition wirft ihm vor, den Atomstreit als Wahlkampfthema zu instrumentalisieren. Die Kommentatoren deutscher Zeitungen sehen dies ähnlich.

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Die "Financial Times" aus Hamburg kritisiert das "Gepolter" des Bundeskanzlers als "sachlich falsch" und "dumm":

"Schröders Versuch, die Wahl wieder als Friedenskanzler zu gewinnen, ist … sachlich falsch und … dumm. Sachlich falsch ist Schröders schlecht geschauspielerte Beschwörung Bushs, 'die militärischen Optionen vom Tisch' zu nehmen, weil die Amerikaner keineswegs … kurz davor stehen, gegen Iran loszuschlagen. (…) Dumm dagegen ist Schröders Gepolter, weil er damit eben jene Drohkulisse einreißt, die Amerikaner und Europäer mühsam aufgebaut haben. Was außenpolitisch falsch und dumm ist, könnte sich aus Schröders Sicht innenpolitisch als richtig erweisen. Wenn Washington jetzt auf das Gerede reagiert, ist er dort angelangt, wo er seine letzte Chance auf den Wahlsieg wähnt: im stimmenträchtigen Streit mit Bush."

Dagegen sieht die Hannoveraner "Neue Presse" Schröder einen Kampf "für den Frieden und die Entrechteten" kämpfen:

"Mit dem Rücken zur Wand nimmt er [Gerhard Schröder] den Kampf auf, einer gegen alle. Einmal mehr tritt er gegen die Union an, und erneut liefert ihm sein Intimfeind aus dem fernen Amerika die nötige Munition. Wieder kämpft er für den Frieden und die Entrechteten - obwohl die inzwischen heftig an ihm zweifeln. Aber auch wenn er zum Schluss verlieren sollte, sieht er doch wie der strahlende Sieger aus."

Auch die "Frankfurter Rundschau" hält Schröders Positionierung für "richtig":

"Da Bushs Knüppel jetzt aus dem Sack ist, richtet er wie im Märchen allseits nur Schaden an. (…) Seine Zuspitzung ist für die Diplomatie der Europäer … ein Schlag. Mag der Gesprächsfaden zum neuen konservativ-nationalistischen Regime in Teheran auch zu Stande kommen, er ist nun von Beginn an zum Reißen gespannt. Insofern kam Schröder um eine Positionierung gar nicht herum. Und was er gesagt hat, ist zwar von eigenen Interessen geleitet. Aber richtig ist es auch."

Das "Handelsblatt" aus Düsseldorf befürchtet hingegen, dass Schröders Äußerungen in Washington gar nicht gut ankommen werden:

"Dass der Kanzler gleichzeitig die Einigkeit mit den USA in dieser Frage betonte, muss in Washington wie Hohn klingen. Wenn Schröder tatsächlich Anstoß an der Äußerung Bushs genommen hat, dann hätte er zum Telefon und nicht zum Mikrofon greifen sollen."

Die "Welt" aus Berlin glaubt ebenfalls, dass Schröder außenpolitischen Schaden angerichtet habe:

"Der Kanzler sollte sich schämen. (…) Ein deutscher Wahlkampf ist kein Freifahrtschein, hochheikle Weltpolitik mal eben aufs Spiel zu setzen. Mit seinem Vorwurf gegen die Amerikaner kompliziert der Kanzler die internationale Krise um die iranische Atombombe weiter, ohne Not und ohne Rücksicht."

Die "Mitteldeutsche Zeitung" aus Halle schließlich sieht in Schröders Äußerungen einen "thematischen Fluchtversuch":

"Weil es der SPD an einem zündenden Wahlkampf-Thema mangelt, schnitzt sie sich eins und raunt etwas von der Iran-Krise. Dahinter steckt das Motiv: Liebe Wähler, ihr wart ja so dankbar, dass wir Deutschland einst aus dem Irak-Krieg herausgehalten haben! Bitte stockt Eure Dankbarkeitsprämie von 2002 auf und wählt uns noch mal!"