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Am Rande der Belastbarkeit

Pavlos Zafiropoulos3. Oktober 2015

In Griechenland sind mehr Flüchtlinge gestrandet als je zuvor. Sorgen macht man sich in Athen nicht nur wegen der neuen Grenzzäune in Europa, sondern auch wegen des nahenden Winters. Pavlos Zafiropoulos aus Athen.

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Zeltlager von Flüchtlingen in Athen, Foto: DW
Bild: Pavlos Zafiropoulos

"Die Straße glich einem Fluss", erzählt Marina Galinou von der griechischen Heilsarmee, "Babys wurden fast weggespült." Ein plötzlicher heftiger Regen prasselte auf hunderte von Flüchtlingen nieder. Und das auf dem Viktoriaplatz mitten in Athen. Der Platzregen war ein Vorbote des Winters, der deutlich macht: Die kommenden Monate werden noch härter für viele Flüchtlinge.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass dieses Jahr schon mehr als 520.000 Menschen Europa über den Seeweg erreicht haben - doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Daniel Esdras, der die Mission der IOM in Griechenland leitet, sieht kein Ende des Flüchtlingsstroms. "Ende Juli kamen 2000 Menschen täglich, Ende August schon 5000, jetzt sind wir bei 6000", sagt er der DW.

Freiwillige verteilen Hilfsgüter, Foto: DW
Freiwillige Helfer tun alles, um die Flüchtlinge zu versorgenBild: Pavlos Zafiropoulos

Dass Griechenland noch nicht im kompletten Chaos versunken ist, ist den zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und tausenden Freiwilligen zu verdanken, die die Neuankömmlinge mit Lebensmitteln und Kleidung versorgen. Außerdem wollen sie den Flüchtlingen eine schnelle Weiterreise ermöglichen. Wieviele der Flüchtlinge Griechenland bislang verlassen haben, kann nur geschätzt werden. Experten gehen von 70 bis 80 Prozent aus. Die Hauptroute verläuft über Mazedonien und Serbien nach Mitteleuropa.

Wenige Unterkünfte

Auf dem Viktoriaplatz campen die Flüchtlinge unter schwierigen Bedingungen, vor allem Hygiene ist ein Problem. Mit der kommunalen Verwaltung gibt es Spannungen. Das Innenministerium will die Flüchtlinge jetzt nach und nach in temporäre Aufnahmestellen bringen. Hunderte sind bereits ins Hellikon Hockeystadion gebracht worden, ursprünglich für die Olympischen Sommerspiele 2004 gebaut. Hier bekommen sie einen Schlafplatz - wenn auch auf dem Boden - und haben sanitäre Anlagen und medizinische Versorgung.

Im Stadion lebt auch der 22-jährige Farhad aus Afghanistan. Er sagt, er warte noch auf Geld, das sein Bruder ihm aus der Heimat schicken wollte. Erst dann könne er weiter an sein eigentliches Ziel: Deutschland. Doch da er keinen Pass hat, muss er andere um Hilfe bitten, wenn er das Geld abholen will. "Athen ist voller Flüchtlingen und alle warten darauf, dass ihre Verwandten ihnen Geld schicken", sagt er.

Frau an Rednerpult, Foto: DW
Die griechische Regierung stellt nur wenige Unterkünfte zur VerfügungBild: Pavlos Zafiropoulos

Laut Regierungsinformationen sollenin Athen noch vier bis fünf weitere temporäre Unterkünfte entstehen. Denn selbst das größte der bisher existierenden Heime kann gerade mal 1000 Menschen beherbergen. Im Hockeycenter kommen 500 unter, und es soll in einem Monat wieder schließen. Insgesamt werden wohl nur 5000 Flüchtlinge in einer solchen Unterkunft einen Platz finden - also etwa so viele, wie jeden Tag neu ankommen. Die größte Furcht der Griechen: Wenn jetzt die Weiterreise auch noch durch schlechtes Wetter erschwert wird, dann könnten in Athen mitten im Winter zehntausende Flüchtlinge stranden.

Gefahren durch Kriminelle wachsen

Nicht nur die humanitäre Lage der Flüchtlinge macht den Griechen Sorgen. Heracles Moskoff von der nationalen Stelle zur Bekämpfung von Menschenhandel warnt: "Diese Menschen sind anfällig dafür, auf Kriminelle hineinzufallen und ausgebeutet zu werden." Die organisierte Kriminalität macht schon jetzt Millionen mit der Flüchtlingskrise. So nehmen zum Beispiel Menschenschmuggler rund 1000 Euro allein dafür,die Flüchtlinge von der Türkei nach Griechenland zu bringen.

Eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise ist zwar in Arbeit. Aber ob diese tatsächlich helfen kann, Länder wie Griechenland zu entlasten, da ist Daniel Esdras skeptisch: "Es gibt keinen Plan B, nicht mal einen Plan A. Das Land wird die Situation nicht meistern, es sind einfach zu viele Flüchtlinge." Der DW gibt er mit auf den Weg. "Allen Journalisten sage ich vor allem eins: Bitte schreibt, dass der Krieg enden muss. ´Stoppt den Krieg´ - schreibt das in Großbuchstaben. Denn nur das ist die Lösung."