Merkel verteidigt ihren Kurs
11. März 2009Die Teilverstaatlichung von Banken und die Diskussion über staatliche Finanzspritzen für private Unternehmen bringt das Weltbild vieler Christdemokraten ins Wanken. Auch deshalb gerät die CDU-Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel in den eigenen Reihen unter Druck.
Das Rumoren in der Partei hat mehrere Gründe. An vorderster Stelle steht Merkels Kurs in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Zu zögerlich, sagen die einen, zu wenig an den Prinzipien der Marktwirtschaft orientiert, bemängeln die anderen. Die Kritiker fordern von Merkel, das Profil der CDU klarer herauszustellen. Dazu gehöre die Position, dass die derzeitige Teilverstaatlichung von Banken nicht von Dauer sein könne.
Nach Ansicht von CDU-Generalsekretär Volker Kauder rührt die Irritation zum Teil daher, dass die Partei ihre Politik nicht ausreichend erläutere. ”Es passieren ja schon unglaubliche Sachen”, so Kauder im Zweiten Deutschen Fernsehen. “Da soll auf einmal eine Partei, die die soziale Marktwirtschaft vertritt, Banken enteignen. Das muss erklärt werden!”
Ärger an mehreren Fronten
Verärgert hat Merkel viele Christdemokraten auch mit ihrer Kritik am Papst in der Debatte über den Holocaust-Leugner und traditionalistischen Bischof Richard Williamson. Und Punkt drei: Der Bund der Vertriebenen, dessen politische Heimat im Wesentlichen die CDU ist, reagierte empört auf den Rückzug ihrer Präsidentin Erika Steinbach aus dem Rat der Stiftung “Flucht, Vertreibung, Versöhnung”, den Merkel zumindest toleriert hat. Polen hatte diesbezüglich Druck gemacht.
Auch in der Diskussion um Staatshilfen für den Autobauer Opel hat die Bundeskanzlerin einen schweren Stand. Weder will Merkel die Milliarden deutscher Steuerzahler beim bankrotten US-amerikanischen Mutterkonzern General Motors versenken, noch will sie Opel sang- und klanglos untergehen lassen. In dieser Diskussion, die das Land seit Wochen in Atem hält, verlangen die Merkel-Kritiker mehr Führung und weniger Lavieren.
Kampf um die Gunst der Stammwähler
Sechs Monate vor der Bundestagswahl ist die Lage kompliziert für die Union. Die Liberalen sind stark wie lange nicht mehr und mit ihrem streng marktwirtschaftlichen Kurs eine klare Alternative zur CDU/CSU. Außerdem halten sich vor allem konservative Stammwähler nach jüngsten Umfragen die Option offen, im September gar nicht wählen zu gehen.
CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnt vor der Annahme, die Stimmen der konservativen Wähler landeten ohnehin automatisch bei der CDU. “Diese Rechnung kann daneben gehen, denn man hat ja auch die Alternative, zu Hause zu bleiben oder FDP zu wählen”, so Bosbach.
Merkel ruft Kritiker zur Ordnung
Inzwischen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in der "BILD"-Zeitung auf die Vorwürfe reagiert. Sie hat dabei Verständnis für das Grummeln in der eigenen Partei geäußert. Die weltweite Rezession habe die Bundesregierung zu einem völligen Umsteuern gezwungen. “Das fällt doch niemandem leicht”, so Merkel.
Die Kanzlerin verteidigte ihren Kurs in der Finanzkrise. Der bayerischen Schwesterpartei CSU, die sich in den letzten Wochen auf mehreren Politikfeldern deutlich von der CDU abgesetzt hat, schrieb sie folgendes ins Stammbuch: “CDU und CSU werden ein gemeinsames Wahlprogramm beschließen, dem jeder in der Union verpflichtet ist.”
Die Bundestagswahl fest im Blick
Der Koalitionspartner SPD, der in den Umfragen zwar etwas aufgeholt hat, aber immer noch deutlich hinter der Union liegt, lässt den derzeitigen Streit natürlich nicht unkommentiert. Bundesaußenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wirft Merkel mangelnde Entschlossenheit vor. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sieht die Union “programmatisch im Nebel”. Die Grünen wollen einen “rapiden Autoritätsverlust” der Kanzlerin beobachtet haben, die inzwischen eine “Parteivorsitzende ohne Partei” sei. Und auch FDP-Chef Guido Westerwelle hat die Bundestagswahl schon fest im Blick, wenn er mutmaßt, dass viele in der Union ihren Kompass der sozialen Markwirtschaft schon verloren hätten.(sti)