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50. Todestag von Le Corbusier

Stefan Dege26. August 2015

Als Baumeister war Le Corbusier ein Visionär und eine Lichtgestalt der Moderne. Doch politisch hielt er es mit den Faschisten. Der Rummel zu seinem 50. Todestag fällt daher gemischt aus.

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Bildergalerie Le Corbusier 50. Todestag
Bild: picture-alliance/dpa/AFP

Auf Fotos sticht der Mann im Anzug mit den zurückgekämmten Haaren und der runden, schwarzen Brille sofort heraus. Der intellektuelle Habitus war ein Markenzeichen des gebürtigen Schweizers, der eigentlich Charles-Édouard Jeanneret-Gris hieß, sich dann aber einen galanteren Namen zulegte, bevor er zu einem der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts aufstieg. Als Architekturtheoretiker, Stadtplaner, Maler, Fotograf und Möbeldesigner war Le Corbusier, Jahrgang 1887, seiner Zeit voraus. Sein Konterfei ziert noch heute -ehrenhalber - den Zehn-Franken-Schein in der Schweiz.

Den posthumen Jubelreigen eröffnete im Frühjahr 2015 das Pariser Centre Pompidou. Unter dem Ausstellungstitel "Les Mesures de l'Homme" ("Schritte des Menschen") feierte das Museum den Wahlfranzosen als Architektur-Titanen, der auf kompromisslose Modernität setzte, dabei das menschliche Maß aber nicht aus den Augen verlor. Die deutsche Tageszeitung "Die Welt" verwarf die materialreiche Schau indes als "große Corbu-Lüge", die von einer Geschichte bloß die Hälfte erzählt und die andere unter den Teppich kehrt".

Umstrittener Weltarchitekt

An Le Corbusier, soviel ist klar, scheiden sich die Geister bis heute: Die einen preisen das Jahrhundertgenie, das die ideale Stadt ertüftelte - mit Wohnmaschinen im Grünen für zehntausende Menschen etwa in Marseille, Nantes-Rezé oder Berlin. Sie würdigen den Baukünstler, der das Haus der Cité Internationale Universitaire in Paris ebenso entwarf wie das Erziehungsministerium in Rio de Janeiro oder das Verwaltungs- und Kulturzentrum im indischen Chandigarh. Und seine Kritiker? Bei ihnen kommt der Archtitekur-Star vor allem menschlich schlecht weg. Schenkt man ihnen Glauben, war Le Corbusier ein Ausbund an Arroganz, der sein Personal gnadenlos ausbeutete.

Bildergalerie Le Corbusier 50. Todestag
Bild: picture-alliance/dpa/AFP

Streitbar war der Wahlfranzose, der auch Sakralbauten errichtete, auf jeden Fall. So erzürnte seine inzwischen berühmte Wallfahrtskirche von Ronchamp Kirchenvertreter wie Architekturkritiker gleichermaßen. Der wogende Bau am Fuß der Vogesen wollte so gar nicht den Regeln der klassischen Kirchenbaukunst folgen. Ein Krebspanzer, gefunden am Strand von Long Island, habe ihn zu der Dachform inspiriert, erklärte Le Corbusier einmal. Inszenierte er sich so als Erfinder einer neuen, aus der Natur gespeisten Architektur - als Replik auf Kritik an seiner "seelenlosen Maschinenarchitektur?" War der technikverliebte Vater der "Wohnmaschine", der seine Glas- und Stahlbetonarchitektur auf den rechten Winkel trimmte, etwa doch ein Naturmensch - fern der Zivilisation, die er mit seltsamen Baukörpern wie der Kirche von Ronchamp verstörte?

Sympathie für die Nazis

Auch 50 Jahre nach seinem Tod, der ihn im Alter von 77 Jahren am Meeresstrand bei Monaco überraschte, erregt Le Corbusier noch immer die Gemüter. Kritiker monieren seine politische Haltung. Sein offenes Sympathisieren mit faschistischen Ideen, seine Kontakte zu Exponenten rechtsextremer Parteien, seine antisemitischen Äußerungen und sein Vorsprechen in den Vorzimmern der Vichy-Regierung, die mit den Nazis kollaborierte: Die Autoren gleich mehrerer Enthüllungsbiographien trüben in diesen Tagen das Bild des Weltarchitekten. Darf man Le Cobusier posthum verteufeln? Darüber streitet das politische Feuilleton in Frankreich erbittert, der Ausgang ist offen. Unter dem öffentlichen Druck wollen die Stiftung Le Corbusier und das Centre Pompidou übrigens 2016 ein Symposium veranstalten. Titel: "Le Corbusier und die Politik."