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Alles bleibt anders

Marcel Fürstenau / (pt)22. November 2002

Vor 50 Jahren wurde in Deutschland die erste Shell-Studie vorgelegt. Ihre Geschichte zeigt eines durchweg: politisches Interesse ist Sache weniger Jugendlicher - aber es werden immer mehr.

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Immer schon Spaßgesellschaft: heute wie gestern

Deutschlands erfolgreichster Rocksänger, Herbert Grönemeyer, würde die Ergebnisse der vergleichenden Shell-Studie wohl mit einem seiner großen Hits zusammen: "Bleibt alles anders". So widersprüchlich, so ambivalent, wie der Titel dieses Songs fällt die Bilanz der Jugendforscherin Beate Rosegger aus. Sie hat im Auftrag von Shell die deutsche Jugend der vergangenen 50 Jahre unter die Lupe genommen. Und siehe da: so viel hat sich gar nicht verändert, auch wenn jede Zeit ihre ganz eigenen Besonderheiten aufweist.

Tanz mit Petticoat statt Blick unter den Talaren

Wer rückblickend meinte, die Jugendlichen des 21.Jahrhunderts seien unpolitischer als ihre Altersgenossen früher, der täuscht sich. Es sei stets nur eine qualifizierte Minderheit gewesen, die sich besonders engagierte, resümiert die Forscherin. Die breite Masse der 60er Jahre-Jugend sei wenig politisch interessiert gewesen, sehr Freizeit-orientiert, sehr auf Spaß orientiert. Man wollte Musik hören, sich mit Freunden treffen, tanzen.

Die heutige Protest-Bewegung sei weniger militant, dafür viel ironischer, meint die Jugendforscherin. Ein Wandel, den sie sich unter anderem mit der liberaleren Erziehung als in früheren Zeiten erklärt. Insbesondere die unmittelbare Nachkriegs-Generation sei noch sehr autoritär geprägt gewesen und ihr habe schlicht das politische Wissen gefehlt.

Kinder der Dienstleistungen

Als Kinder der Dienstleistungs-Gesellschaft bezeichnet Rosegger die Jugendlichen von heute, und die erwarten natürlich Dienstleistungen. Doch die blieben weitgehend aus. Die Folgen: niedrige Wahl-Beteiligung und kaum Interesse, in die Politik zu gehen. Vergangenheitsbewältigung wie in den 60er Jahren, als westdeutsche Jugendliche ihre Eltern nach deren Rolle während der Nazi-Diktatur gefragt haben, sei im Moment nicht zu erwarten.

Doch die Zeit der Fragen nach der kommunistischen Diktatur in der DDR kann noch kommen, so die Parlamentarische Staatssekretärin im Familien-Ministerium, Christel Riemann-Hanewinckel. Und dann würden Fragen kommen wie: "Wieso habt Ihr Euch nicht an der und der Stelle rechtzeitig geäußert? Oder warum bist Du in die Partei eingetreten, obwohl Du genau wußtest, Du wolltest da eigentlich nicht rein?", fragt die Staatssekretärin vorweg. "Im Moment ist da so etwas wie eine Beruhigung. Und keiner will etwas davon hören, und keiner will danach gefragt werden."

Pragmatischer Idealismus statt Revolution

Zur Zeit fühlten sich die jungen Menschen aus Ostdeutschland häufig noch als "Fremde im eigenen Land", stellt Jugendforscherin Rosegger in ihrer vergleichenden Shell-Studie fest. Mit Blick auf die Zukunft gelte indes, was in der aktuellen, 14. Untersuchung seit 1952 nachzulesen ist: die Jugend ist trotz aller Probleme optimistisch. Und dabei kristallisierten sich zwei Typen heraus: die selbstbewußten Macher und die pragmatischen Idealisten. Rebellisches Aufbegehren sei kein Thema mehr.