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Aleksander Kwasniewski in Berlin

8. März 2002

- Polens Präsident fordert eine neue Etappe in den deutsch-polnischen Beziehungen

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Warschau, 7.3.2002, PAP, poln.

Präsident Aleksander Kwasniewski vertritt die Ansicht, dass eine neue Etappe in den polnisch-deutschen Beziehungen erforderlich sei. Die beiden Staaten sollten intensive Aussprachen bezüglich der regionalen und europäischen Angelegenheiten führen.

Präsident Kwasniewski, der zu einem offiziellen Besuch nach Deutschland gekommen ist, hielt am Mittwoch (6.3.2002) eine Vorlesung in der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema "Polen und Deutschland - Partner im vereinigten Europa"

Der Präsident schlug vor, die deutsch-polnischen Beziehungen so anzusehen, als ob Polen bereits jetzt zur EU gehören würde. "Dann muss man sich die Frage stellen, ob die Formel ‚Rechtsanwalt – Mandant‘ für unsere Beziehungen passend ist und ob sie für die Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam stehen, angemessen ist", sagte Aleksander Kwasniewski. Seiner Meinung nach wäre dies für beide Seiten hemmend.

"Ich bin der Auffassung, dass wir alle das Gefühl haben, dass die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland an einem Wendepunkt stehen, an dem die alte Formel an Aktualität verliert und der Beginn einer neuen Etappe erwartet wird", sagte Präsident Kwasniewski und fügte hinzu: "Zwischen uns sollte eine wirkliche politische Partnerschaft geknüpft werden, die darauf basiert, dass intensive Konsultationen zwischen Polen und Deutschland sowohl bezüglich regionaler als auch europäischer Angelegenheiten geführt werden".

Aleksander Kwasniewski erwähnte auch, dass die Beitrittskandidaten, darunter auch Polen, die Europäische Union einholen müssen. Seiner Ansicht nach sei die Frage, wie viel Zeit sie brauchen, um die Distanz zu verringern, einerseits davon abhängig, wie viel Mühe sie sich selbst geben, andererseits jedoch sei sie von der Solidarität abhängig, die ihnen von den alten EU-Mitgliedern entgegengebracht wird.

"Die Distanz zwischen denen, die sich um den Beitritt bemühen und denen, die zu dem Club schon gehören, war in der ganzen Geschichte der EU noch nicht so groß gewesen. Es wäre unverständlich oder sogar absurd, wenn die Solidarität mit den neuen Mitgliedern geringer wäre als bei den bereits vollzogenen Erweiterungen der EU", betonte Aleksander Kwasniewski.

"Es geht darum, eine Spaltung zwischen der 'alten' und der 'neuen' Union zu vermeiden", erklärte Aleksander Kwasniewski. Seiner Meinung nach würde diese Spaltung entlang der polnisch-deutschen Grenze verlaufen: "Wir haben also besondere Gründe, um solch eine Aufteilung zu vermeiden", bekräftigte Präsident Kwasniewski.

Seiner Meinung nach könnten Polen und Deutschland bei der Diskussion über die Reformen der EU zusammenarbeiten. "Heute ist die Formel 'Europa der Heimatländer' oder 'Europa der Staaten' in den Vordergrund geraten und nicht mehr die Idee der Vereinigten Staaten von Europa", sagte Aleksander Kwasniewski.

Der polnische Präsident erklärte, dass Polen Ambitionen habe, in die Europäische Union seine guten Beziehungen zu den östlichen Nachbarn einzubringen. "Das vereinigte Europa darf dem Osten nicht den Rücken kehren", bemerkte Aleksander Kwasniewski. Seiner Ansicht nach soll alles dafür unternommen werden, um die Ostgrenze vor Verbrechen, illegaler Emigration, Drogen und Terrorismus abzuschotten. Diese Grenze soll jedoch für die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit und für die zwischenmenschlichen Kontakte offen und freundlich bleiben.

Präsident Kwasniewski betonte, dass die EU die demokratischen und wirtschaftlichen Veränderungen in den Staaten Osteuropas unterstützten soll. "Die pro-westliche Option in der Politik Russlands als auch die pro-europäische Entscheidung der Ukraine dürfen nicht vertan werden", meint der polnische Präsident.

Präsident Kwasniewski vertritt die Ansicht, dass es eine historische Herausforderung sei, in den polnisch-deutschen Dialog die gesamte Bevölkerung mit einzubeziehen: "Wenn auch die alten Vorurteile immer schwächer werden, so wird ihr Platz nicht von einer Vertrautheit eingenommen, sondern immer öfter von der Gleichgültigkeit", urteilte Aleksander Kwasniewski.

Seiner Ansicht nach kann man die bestehenden Hindernisse und Barrieren durchaus verstehen. "Die einen bestehen aus den schmerzlichen Erinnerungen an den Krieg, die zwar langsam aber immer wirksamer durch die Zeit, die vergangen ist, geheilt werden. Die anderen resultieren aus dem Ballast der Nachkriegszeit. "Die kommunistische Propaganda hat die Polen gelehrt, vor den einen Deutschen Angst zu haben und die anderen zu lieben", sagte Präsident Kwasniewski.

Der polnische Präsident versicherte, dass in Polen an Deutschland und an die Deutschen mit Sympathie und großer Hoffnung gedacht werde. "Deutschland ist heute für Polen der wichtigste Partner in Europa, mit dem wir durch gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen verbunden sind", sagte Aleksander Kwasniewski.

Am Abend wird Aleksander Kwasniewski mit seiner Gattin, die ihn bei diesem Besuch begleitet, an einem offiziellen Empfang teilnehmen, der vom Bundespräsidenten Johannes Rau gegeben wird.

Am Mittwoch, dem ersten Tag seines Besuches in Deutschland wurde Aleksander Kwasniewski von Bundespräsident Johannes Rau und dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder empfangen. Der polnische Präsident wird bei seinem Besuch in Deutschland unter anderem vom polnischen Schatzminister Wieslaw Kaczmarek und von Kultusminister Andrzej Cieslinski begleitet. (Sta)