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"Aggressiv sind die anderen, nicht ich"

Nina Werkhäuser, Berlin10. August 2016

Fast 3500 Menschen starben 2015 in Deutschland bei Verkehrsunfällen - Tendenz steigend. Wie bewerten die Deutschen ihr eigenes Verhalten im Straßenverkehr? In Berlin wurde dazu eine neue Studie vorgestellt.

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Ein Mann greift sich in seinem Auto vor Wut an den Kopf (Foto: picture-alliance/dpa/C. Klose)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Zwar fühlt sich die Mehrheit der Deutschen im Straßenverkehr sicher, aber entspannt geht es dabei nicht unbedingt zu: Egal ob Autofahrer, Fahrradfahrer oder Fußgänger - gut die Hälfte empfindet den Verkehr als "stressig" oder "aufreibend". Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer. Befragt wurden insgesamt 2061 Verkehrsteilnehmer im Alter von 18 bis 93 Jahren.

Dabei ging es auch um aggressives Verhalten im Autoverkehr, etwa um das Drängeln oder das Erzwingen der Vorfahrt. Die Selbst- und die Fremdeinschätzung klaffen in diesem Punkt deutlich auseinander: Die eigenen Fahrkünste halten deutsche Autofahrer gemeinhin für viel besser als die der Mitmenschen. "Alle anderen sind immer die schlechteren, aber man selbst hat das Problem im Griff", so das Fazit von Siegfried Brockmann, dem Leiter der Unfallforschung der Versicherer.

Gereiztes Klima auf deutschen Straßen

Gut sichtbar wird das an der Frage, wie oft Autofahrer aggressives Verhalten an anderen Fahrern beobachten. Sehr häufig, lautet hier in der Regel die Antwort. Und an sich selbst? Eher selten, so der Standardsatz. Die Kluft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung sei zwar ein bekanntes Phänomen in der Psychologie, sagt Brockmann, im Straßenverkehr sei sie aber besonders ausgeprägt.

Ansonsten zeichnen sich bei Aggressionsdelikten gewisse Muster ab: Jüngere Autofahrer sind aggressiver als ältere und Männer zumeist aggressiver als Frauen. "Die Aggressionsdelikte, die Frauen begehen, sind auf die Selbstbehauptung im Verkehrsraum ausgerichtet, die der Männer auf eine Beherrschung dieses Raumes", so Brockmanns Fazit.

Auch die gefahrenen Kilometer spielen eine Rolle. "Je mehr man fährt, umso aggressiver ist man." Die Vielfahrer hätten das Gefühl, dieses Verhalten stehe ihnen zu. Insgesamt rühre die Aggression auch daher, dass man sich "im zunehmend knappen Raum" des Straßenverkehrs behaupten müsse oder wolle.

Eine Frau telefoniert im Auto mit ihrem Mobiltelefon (Foto: picture-alliance/dpa/C. Klose)
Unfallgefahr durch Ablenkung: Wer im Auto das Mobiltelefon bedient, konzentriert sich nicht mehr voll auf den VerkehrBild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Unfallgefahr durch Handy-Nutzung

Die Mehrheit der Befragten hält es für riskant, beim Autofahren mit dem Handy zu telefonieren, Mails abzurufen oder SMS zu schreiben. 80 Prozent der Befragten geben an, dass sie im Auto niemals ohne Freisprecheinrichtung telefonieren. Das stimme "nie und nimmer", meint Brockmann und schlägt vor, sich an der nächsten Berliner Straßenecke davon zu überzeugen, dass viele Autofahrer mit dem Handy am Ohr unterwegs seien.

Bei diesem Thema seien die Befragten nicht ganz aufrichtig, vermutet der Unfallforscher, sondern antworteten das, was sozial erwünscht sei. Dass sich die Nutzung von Smartphones im Auto negativ auf die Unfallstatistik niederschlage, sei sehr wahrscheinlich, lasse sich aber nur schwer beweisen: Kaum ein Autofahrer gebe nach einem Unfall zu, durch das Mobiltelefon abgelenkt gewesen zu sein, sagt Brockmann.

Die 60 Euro Strafe, die auf das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung im Auto stehen, bewirkten "offenbar gar nichts". Zumal die Wahrscheinlichkeit, von der Polizei dabei erwischt zu werden, sehr gering sei. Dass die Zahl der "Smartphone-Junkies" steigt, die auch im Auto nicht von ihrem Gerät ablassen, beunruhigt die Versicherer. "Dieses Problem nimmt zu, und wir haben es zurzeit nicht unter Kontrolle."