1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Österreich beschließt Zwölf-Stunden-Tag

5. Juli 2018

Für Arbeitgeber in Österreich ist es künftig leichter, ihre Mitarbeiter zwölf Stunden am Tag arbeiten zu lassen. Das Parlament in Wien hat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.

https://p.dw.com/p/30uhp
Österreich Parlamentsgebäude in Wien
Bild: picture alliance/picturedesk.com/H. Ringhofer

Trotz massiver Proteste hat das Parlament in Wien am Donnerstag die Bedingungen für den Zwölf-Stunden-Tag gelockert. Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und der liberalen Partei Neos wurde das neue Arbeitszeitgesetz beschlossen. Alle Änderungsanträge der Opposition wurden dagegen abgelehnt.

Das Gesetz tritt bereits am 1. September dieses Jahres in Kraft. Ursprünglich sollte es erst am 1. Januar 2019 wirksam werden.

Als Grund für das überraschende Vorziehen nannten die Regierungsparteien, die konservative ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ, die "Diskussion der vergangenen Tage", die für "viel Verunsicherung und Falschinformation" gesorgt habe, berichtet der Sender ORF.

Vergeblicher Widerstand

Die Gewerkschaften in Österreich hatten das Gesetz scharf kritisiert. Am vergangenen Samstag hatten mindestens 80.000 Menschen in Wien gegen die Pläne demonstriert.

Durch das Arbeitszeitgesetz werde sich "für die Masse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" nichts ändern, teilten die Regierungsparteien am Tag der Abstimmung laut ORF mit. "Wenn Arbeitnehmer wollen, können Sie mehr arbeiten und bei vollen Zuschlägen mehr Geld verdienen oder mehr Freizeitblöcke in Anspruch nehmen."

Bisher mussten Betriebe in Österreich für Zwölf-Stunden Tage Vereinbarungen abschließen oder entsprechende Arbeitstage von einem Arbeitsmediziner absegnen lassen. Diese Bedingungen fallen nun weg.

Das Gesetz sieht aber vor, dass Arbeitnehmer eine längere Arbeitszeit "ohne Angabe von Gründen" ablehnen dürfen. Ursprünglich hatten die Regierungsparteien geplant, dass Arbeitnehmer die elfte und zwölfte Arbeitsstunde nur aus "überwiegend persönlichen Interessen" hätten ablehnen dürfen, ohne dass diese genau definiert wurden.

Emotionale Debatte

Während der emotional geführten Debatte im Parlament argumentierten Vertreter von ÖVP, FPÖ und Liberalen, das Gesetz erhöhe die individuelle Wahlfreiheit. Künftig könnten Betriebsräte nicht mehr über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg bestimmen, wie lange diese arbeiten dürften. Außerdem ermögliche das Gesetz häufiger eine Viertagewoche.

Der Chef der Oppositionspartei SPÖ und frühere österreichische Bundeskanzler Christian Kern warf der FPÖ in seiner Rede "Verrat" an Arbeitnehmern vor. Industrie und Wirtschaftskammer hätten ein Gesetz bei der ÖVP bestellt und bekommen. Die FPÖ sei umgefallen und habe dem zugestimmt.

Zwölf-Stunden-Tage und damit verbundene 60-Stunden-Wochen sind durch eine EU-Richtlinie nur in Ausnahmen erlaubt. Innerhalb von 17 Wochen darf die Arbeitszeit im Durchschnitt 48 Stunden pro Woche nicht übersteigen. Nach einer 60-Stunden-Woche müssen dem Arbeitnehmer also freie Tage oder Wochen mit weniger Arbeit gewährt werden.

bea/qu (dpa, ORF.at, derstandard.at)