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Ägypter stimmen für Verfassungsänderungen

21. März 2011

Rund fünf Wochen nach dem Sturz von Ex-Präsident Mubarak hat sich Ägyptens Wahlvolk für elf Neuerungen der Verfassung ausgesprochen. Damit könnte im Herbst frei gewählt werden. 41 Prozent der Bürger gaben ihre Stimme ab.

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Eine Frau hält ihren rot gefärbten Daumen nach der Wahl in die Kamera (Foto: Landov)
Mit dem Daumenabdruck wurde gewähltBild: Landov

"Ja" – rund 77 Prozent der ägyptischen Wähler stimmten am Samstag beim Referendum für die elf Verfassungsänderungen, die eine unabhängige Juristenkommission in den letzten Wochen erarbeitet hat. Das Ergebnis der Volksabstimmung wurde am Sonntagabend (20.03.2011) bekannt gegeben.

Rund 45 Millionen Ägypter waren zur Wahl aufgefordert. Zu der Volksabstimmung waren alle Bürger über 18 Jahre bei Vorlage ihres Ausweises zugelassen. Unter Mubarak war die Wahlberechtigung von einer schwer erhältlichen Abstimmungskarte abhängig gemacht worden.

Weg für Neuwahlen

Mohamed Attiya vor Mikrofonen (Foto: picture alliance/dpa)
Das Ergebnis wurde am Sonntag bekannt gegebenBild: picture alliance/dpa

Nach der Verfassungsreform darf beispielsweise der Präsident nur noch für eine Amtszeit von vier Jahre gewählt werden. Das sieht der geänderte Paragraph 77 vor. Auch die Wiederwahl ist begrenzt: Nur noch zwei Amtsperioden sind möglich, es darf also nur eine einmalige Wiederwahl erfolgen.

Notstandsgesetze können künftig nur noch unter Beteiligung des Parlamentes erlassen werden. Sollten sie länger als ein halbes Jahr gelten, muss zudem das Volk dafür stimmen. Zudem wurde der Weg für Neuwahlen geebnet.

Auch Kritik am Referendum

Der Führer der Muslimbrüder, Mohammed Badie, steckt seinen Stimmzettel in die Urne (Foto: dapd)
Die Muslimbrüder könnten von baldigen Neuwahlen profitierenBild: dapd

Diese Verfassungsänderungen waren zentrale Forderungen der Demonstranten während der Massenproteste gegen Mubarak zu Jahresbeginn. Aber nicht alle Ägypter sehen die Reform positiv. So kritisierten mögliche Präsidentschaftskandidaten wie Mohammad El-Baradei und Amr Moussa, dass für einen demokratischen Neuanfang eine völlig neue Verfassung nötig sei.

Auch viele Unterstützer der jungen Demonstranten, die den Sturz Mubaraks mit ihren Protesten ermöglichten, bemängelten, dass die Zeit bis zu Wahlen im Herbst zu knapp sei. Neue Parteien und Gruppierungen könnten sich nicht ausreichend organisieren.

Dagegen könnten die Muslimbrüder, die für eine Islamisierung der Republik eintreten, von baldigen Neuwahlen profitieren. Daher wiesen sie ihre Anhänger an, bei dem Referendum mit "Ja" zu stimmen. "Die Muslimbrüder haben in den Dörfern und Armenvierteln Menschen, die wenig von Politik verstehen, mobilisiert", sagte ein Sympathisant der Jugendbewegung enttäuscht.

Viele Erstwähler

Ägypter stehen in zwei Reihen auf einer Treppe, die zum Wahllokal führt (Foto: AP)
Lange Schlangen bildeten sich vor den WahllokalenBild: AP

"Meine Stimme heute wird einen Unterschied machen", sagte der 48-jährige Erstwähler Hossam Bischai, der mit etwa 300 weiteren Menschen vor einem von Polizisten und Soldaten bewachten Wahllokal in Kairo anstand. "So einfach ist es."

Auch der Universitätsdozent Alaa al Scharkawi beteiligte sich an der Abstimmung. "Ich bin sehr begeistert darüber, dass ich das jetzt tun kann", erklärte er, bevor er in Kairo an die Urne ging. "Es stimmt, die Verfassungsänderungen haben uns gespalten, aber ich bin froh, dass wir nun wählen."

Insgesamt verlief der Wahltag friedlich. Allerdings wurde der liberale Politiker und Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei im Armenviertel Mokattam von einem aggressiven Mob an der Stimmabgabe gehindert.

El-Baradei, beschützt von Sicherheitspersonal, in einer großen Menschenmenge (Foto: AP)
Oppositionspolitiker El-Baradei wurde an seiner Stimmabgabe gehindertBild: AP

Wahl ohne Manipulation

Nach dem Sturz der Monarchie im Jahr 1952 haben die Ägypter bereits 21 Mal über Verfassungen, Friedensverträge und Präsidenten abgestimmt. Dabei waren aber - unter autoritären Rahmenbedingungen - stets Zustimmungsquoten von mindestens 90 Prozent programmiert gewesen. Nun gilt die große Wahlbeteiligung von rund 41 Prozent als Indikator dafür, dass die Bürger offenbar neues Vertrauen in das politische System gefasst haben.

Die USA haben das Ergebnis der Volksabstimmung in Ägypten begrüßt. "Wir möchten dem ägyptischen Volk und der Regierung gratulieren", sagte ein Sprecher von US-Präsident Barack Obama. Die Zustimmung sei ein wichtiger Zuspruch für Ägyptens ersten Schritt zu einer funktionierenden Demokratie.

Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Martin Schrader