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Ägypten Wirtschaft

20. Dezember 2011

Obwohl es in Kairo immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften mit Toten und Verletzten kommt, setzen die Unternehmen am Nil auf einen Wirtschaftsaufschwung nach den Wahlen.

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Skyline von Kairo (Foto: AP)
Skyline von KairoBild: AP

Trotz der dramatischen Bilder aus Kairo, die zurzeit die Bildschirme rund um den Globus beherrschen, sind die meisten Wirtschaftsvertreter in Ägypten mittelfristig vorsichtig optimistisch. So auch Rainer Herret. Der Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo ist davon überzeugt, dass es mit der Wirtschaft des Landes wieder aufwärts geht, wenn die Rahmenbedingungen feststehen: "Im Augenblick werden keine großen Investitionen getätigt. Man möchte erst einmal wissen: Wird die Zukunft des Landes sozialistisch, wird sie liberal oder wird sie religiös dominiert sein. Oder eine Mischung aus allem. Und erst danach werden wir mit einem richtigen Aufschwung rechnen können."

Diesen Aufschwung erwartet Herret für die zweite Jahreshälfte 2012, wenn nach den Parlaments- und Präsidentenwahlen die Weichen für die künftige Wirtschaftspolitik des Landes gestellt worden sind. Bis dahin versuchen die Unternehmen im Land, Produktion und Geschäftsbetrieb möglichst normal weiterlaufen zu lassen. Den deutschen Firmen sei das sogar in den äußerst turbulenten Wochen im Januar und Februar 2011 gelungen, erinnert sich Rainer Herret. Während damals in Kairo und anderen Städten des Landes Hunderttausende auf die Straßen gingen und die ägyptische Revolution Hosni Mubarak aus dem Amt fegte, ging der Betrieb in den rund 2.200 Mitgliedsunternehmen der deutschen Außenhandelskammer weiter: "Die deutschen Firmen haben während der gesamten Phase der Revolution durchgearbeitet. Und als die deutschen Mitarbeiter von den deutschen Mutterhäusern evakuiert wurden, haben die ägyptischen Mitarbeiter die Produktion aufrecht erhalten."

Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo (Foto: Thomas Kohlmann)
Rainer Herret, AHK-Chef KairoBild: Thomas Kohlmann

Natürlich seien die Absatzzahlen gesunken und der Umsatz dementsprechend zurückgegangen. Doch die Unternehmen würden alles tun, um ihre lokalen Mitarbeiter zu halten, um dann loslegen zu können, wenn die politische Übergangsphase überstanden sei, meint Außenhandelskammer-Chef Herret. Denn anders als die meisten ägyptischen Unternehmen seien die deutschen Unternehmen bereit, ihre Mitarbeiter selbst auszubilden: "Es wäre eine Fehlinvestition, wenn man sich jetzt kurzfristig von den Leuten trennen würde, die sich bewährt haben."

In Bildung investieren

Abwarten und auf die politischen Weichenstellungen warten, die sich erst nach dem Ende der Parlamentswahlen im Januar und der Wahl des Präsidenten, die für Juni vorgesehen ist, abzeichnen werden – das ist die Devise der großen Mehrheit der Unternehmer am Nil. Währenddessen bemühen sich die deutschen Firmen in Ägypten nicht nur, ihre Mitarbeiter zu halten, sondern sie haben sich vorgenommen, darüberhinaus sogar Tausende von Jobs für Ägypter zu schaffen. Denn Deutschland und die deutschen Unternehmen vor Ort wollten das Land bei seinem politischen und wirtschaftlichen Aufbruch unterstützen, unterstreicht Rainer Herret. Und das bedeutet vor allem, in Ausbildung zu investieren und etwas gegen die grassierende Arbeitslosigkeit zu tun. Schon im April rief die AHK zusammen mit der deutschen Wirtschaft vor Ort den 'Nationalen Beschäftigungspakt' ins Leben, der 5.000 Arbeitsplätze schaffen und damit, so Herret, 5.000 Familien eine Existenzgrundlage bieten soll.

Unterstützt wird die Aktion durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und deutsche Firmen vor Ort. Das Berliner Wirtschaftsministerium sorgt für die Finanzierung und die AHK in Kairo steuert ihr Know-how im Managementbereich bei. Umgesetzt werden soll der Beschäftigungspakt durch die bundeseigene Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ensprechende Trainings und Jobinterviews durchführt. 3.800 offene Stellen wurden bis Mitte Dezember ausgeschrieben und 1.900 Arbeitsverträge vermittelt. Für Herret ist die Job-Aktion ein typisches Beispiel dafür, wie sich die Arbeit seiner Kammer in den letzten Monaten verändert hat.

Suezkanal in Ägypten Containerschiff
Suez-Kanal: Einnahmequelle und HandelswegBild: AP

Warten auf grünes Licht

Die meisten deutschen Unternehmen, die über eine Investition in Ägypten nachdenken, lassen sich zurzeit von der AHK Kairo auf dem Laufenden halten, um zu erfahren, wann der richtige Zeitpunkt für den Sprung an den Nil gekommen ist. Nur wenige Unternehmen sind so weit wie RWE Dea: Die Tochter des Energieriesen RWE wartet nur noch auf das grüne Licht der ägyptischen Regierung, um im Nildelta nach Erdgas zu bohren.

AHK-Chef Rainer Herret glaubt, dass es spätestens nach der für Juni geplanten Präsidentenwahl zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kommen wird: "Die große Mehrheit des Volkes möchte, dass sich die Situation wieder beruhigt, dass man wieder in geordnete Verhältnisse zurückkommt, dass man wieder ans Arbeiten gelangt." Ägyptens Wirtschaft sei schließlich in der angenehmen Lage, ihre Produktion jederzeit wieder hochfahren zu können. Denn zum Glück hätten die Produktionsanlagen nur zeitweise stillgestanden und seien während der Revolution nicht in Flammen aufgegangen.

Autor: Thomas Kohlmann
Redaktion: Daniel Scheschkewitz