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Angst vor der Besucherflaute in Ägypten

8. Dezember 2011

Der Tourismus ist Ägyptens wichtigster Wirtschaftszweig. Jeder sechste Ägypter arbeitet in der Reisebranche. Doch seit den Unruhen der letzten Wochen fürchten die Hoteliers einen erneuten Einbruch der Besucherzahlen.

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Leere Strandliegen am Roten Meer in Ägypten (Foto: picture alliance/Arco images)
Bild: picture alliance/Arco Images

Blutüberströmte Demonstranten, Straßenschlachten, Dutzende Tote: Für den Tourismus sind die Bilder, die in den vergangenen Wochen aus Ägypten kamen Gift. Viele ausländische Besucher schrecken die Auseinandersetzungen in Kairo und anderen großen Städten des Landes ab. Die Äypter sind in dieser Hinsicht leidgeprüft. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu massiven Schwankungen der Besucherzahlen.

Vom Auf und Ab am Roten Meer

Abendstimmung in Dahab – einem kleinen Urlaubsort am Roten Meer. Leicht bekleidete Touristen flanieren über die Uferpromenade, speisen in den bunten Polsterlandschaften der orientalischen Restaurants, stöbern im Angebot der Andenkenläden.

Ein durch die Selbstmordanschläge in Dahab zerstörtes Geschäft (Foto: AP)
Im beschaulichen Dahab hatte 2006 kaum jemand mit Attentaten gerechnetBild: AP

2006 zündeten Selbstmordattentäter in dieser Idylle drei Splitterbomben. Mehr als 20 Menschen, die meisten Einheimische, starben. Der Tourismus brach massiv ein.

"Letztes Jahr war das erste Jahr nach den Bombenanschlägen, in dem das Geschäft wieder belebter war", erinnert sich Stefan Böhmler, Betreiber eines kleinen Restaurants. Eigentlich seien damals alle zufrieden gewesen. "Dann kam die Revolution."

Eine Woche später, erzählt der Schweizer Böhmler, war Dahab leer. Das Tourismusgeschäft brach erneut komplett zusammen.

Angst vor einer neuen Besucherflaute

Falterfische schwimmen über einer Geweihkoralle (Foto: picture alliance/J.W.Alker)
Dahab und das Rote Meer sind ein beliebtes Ziel von TauchtouristenBild: picture alliance/J.W.Alker

Der Kompressor knattert in Hamada el Saids Tauchbasis. Die Sauerstofflaschen der Tauchtouristen müssen gefüllt werden. Inzwischen, mehr als neun Monate nach dem Sturz Mubaraks, kommen wieder Besucher nach Dahab und in die anderen Touristenregionen des Landes. Im Schnitt liegt die Auslastung bei rund 80 Prozent des Vorjahresniveaus. Doch die jüngsten Unruhen in Kairo bedrohen die Erholung des Tourismusgeschäfts.

"Das macht uns Angst", sagt Hamada el Said. "Die Leute sehen die Bilder in den Nachrichten und denken Ägypten ist nicht sicher, die Revolution geht wieder los." Dabei hält El Said, ein drahtiger Mittdreißiger, die Sicherheitslage auf dem Sinai für stabil: "Natürlich sollten die Leute jetzt nicht nach Kairo in die Nähe des Tahrir-Platzes gehen."

"Ausländer sind sicher"

Die Orte am Roten Meer aber seien alle sicher. "Außerdem richtet sich unsere Revolution nicht gegen Touristen oder Ausländer, es geht hier um das politische System, um die Regierung." Ausländer, unterstreicht el Said, seien "wirklich sicher".

El Said lebt seit zwölf Jahren in Dahab. Er begrüßt die Revolution. Hofft auf Demokratie, Freiheit und ein Ende der allgegenwärtigen Korruption. Die von ihm geführte Tauchbasis mit angeschlossenem Hotel ist besonders bei Deutschen beliebt.

Eines der vielen Restaurants an Dahabs Uferpromenade (Foto: AP)
Eines der vielen Restaurants an Dahabs UferpromenadeBild: AP

Die 45-jährige Doris Obermaier ist vor allem wegen Dahabs Riffen ans Rote Meer gekommen. Sie hat die Entscheidung nicht bereut: "Am Anfang war mir schon mulmig, aber Kairo ist schließlich weit weg." Man müsse ja nicht dorthin gehen, wo es Auschreitungen gibt. Von Unruhen, sagt ihr Mann Siegfried, hätten sie in Dahab nichts bemerkt. "Es war ein entspannter und erholsamer Urlaub", bestätigt Doris Obermaier. Die beiden würden "auf jeden Fall" wiederkommen.

Hoffnung auf die Zukunft

Zurück an Dahabs Flaniermeile. Auch an diesem Abend haben die meisten Restaurants nur wenige Besucher. Auch Mokhtar Armsenousys Kunstgewerbegeschäft, ein orientalisches Wunderland aus Lampen, Spiegeln und Schnitzereien, könnte besser laufen. Jammern aber will der Mittdreißiger mit dem glattrasierten Schädel, trotzdem nicht. Wie viele Ägypter sieht er die wirtschaftliche Durststrecke wegen der Revolution als Investition in die Zukunft.

Hotelanlage Hilton Dahab Ressort (Foto: picture alliance/Lonely Planet Images)
Ob Budget- oder Luxusunterkunft. In Dahab gibt es ein breites HotelspektrumBild: picture-alliance/Lonely Planet Images

"Jedes Geschäft lauft mal schlecht", sagt Armsenousy. "Ich kann das durchstehen. Ich werde nicht daran sterben. Aber danach werden meine Kinder, meine Familie und ich glücklich sein." Man müsse Geduld haben, Veränderungen bräuchten Zeit.

Touristenorte wie Dahab oder Sharm el Sheikh sind ruhig. Die Wahlen beginnen auf dem Sinai erst im Januar. Die Menschen aber verfolgen die Vorgänge in der Hauptstadt aufmerksam. Wie viele hält der Händler Armsenousy Proteste für berechtigt. Denn die Revolution sei noch lange nicht am Ziel: "Es reicht nicht aus, die Gesichter an der Spitze auszutauschen. Wir brauchen einen wirklichen Umbruch, wir müssen das politische System des Landes verändern."

Autor: Nils Naumann
Redaktion: Thomas Kohlmann