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Ohne Ergebnis

27. Januar 2011

Die Gespräche zwischen türkischen und griechischen Zyprer über eine Wiedervereinigung beider Inselteile sind ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Für das Stocken des Prozesses schieben sie sich gegenseitig die Schuld zu.

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Blick auf den türkischen Teil Zyperns mit der Flagge der Türkei und der des türkischen Zyperns (Foto: AP)
Blick vom griechischen in den türkischen Teil ZypernsBild: AP

Auf neutralem Boden - unter Aufsicht der Vereinten Nationen (UN) - haben sich die griechischen und türkischen Zyprer wieder an einen Tisch gesetzt und über eine Wiedervereinigung verhandelt. Dafür trafen sich die Verhandlungsparteien am Mittwoch (26.01.2011) in Genf. Ein Ergebnis gab es jedoch nicht. Für die Lösung der Zypernfrage müßten noch größere Anstrengungen unternommen werden, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), Ban Ki Moon. Die Gespräche laufen bereits seit September 2008.

Dabei wollten beide Völker das gleiche, sagte Ban Ki Moon. "Sie wollen mehr als Gespräche. Sie wollen eine Lösung." Diese Lösung könnte eine Föderation beider Inselteile sein, aber auch hier gibt es Probleme. Während die griechischen Zyprer zwei Bundesländer mit einer starken Regierung wollen, wünschen sich die türkischen Zyprer eine lose Konföderation zweier Staaten auf Augenhöhe.

Die Schuldfrage

Fortschritte wären dringend nötig, aber zum Optimismus besteht zurzeit trotzdem kein Anlass: Dimitris Christofias, Präsident der von der Türkei nicht anerkannten, griechischen "Republik Zypern", wirft Ankara vor, nur wenige Anstrengungen zu unternehmen, um die Wiedervereinigung der geteilten Mittelmeerinsel voranzubringen. Aus türkischer Sicht liegt die Schuld jedoch eindeutig bei den Zyperngriechen. Denn 2004 haben sie einen UN-Lösungsplan abgelehnt, dem die türkischen Zyprioten zuvor zugestimmt hatten.

Dimitris Christofias und der Führer der türkischen Zyprioten, Mehmet Ali Talat (Foto: AP)
Zwei Gesprächspartner, keine Lösung? Dimitris Christofias (l.) und Mehmet Ali TalatBild: AP

Noch im vergangenen November erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, beide Volksgruppenführer hätten ihm versichert, dass sie die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung Zyperns von nun an entschlossener vorantreiben werden. Das wäre auch dringend nötig, denn die Verhandlungen sind ins Stocken geraten, wofür sich beide Seiten gegenseitig die Schuld geben.

Neben der Frage, ob es zwei Bundesländer und eine Zentralregierung oder eine Konföderation aus zwei Staaten geben soll, gebe es noch drei weitere Streitpunkte, meint Heinz Jürgen Axt, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. "Erstens ist da die Frage der Eigentumsrechte. Die bezieht sich auf den Wunsch der griechischen Zyprer, wieder in den Besitz von Eigentum zu kommen, das 1974 im Norden der Insel verlorengegangen ist", erklärt Axt. Die zweite Frage wäre, ob im Norden Territorium zugunsten des Südens abgetreten werden sollte und die dritte "ist die seit langem strittige Frage der Sicherheit".

Scheitern aller Pläne

Karte von Zypern mit UN-Pufferzone (Karte: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance / dpa/globus

In den neunziger Jahren setzte die griechische Seite auf eine Lösung durch "Europäisierung" der Zypernfrage. Für die Inselgriechen ging die Rechnung auf, denn 2004 durfte die Republik Zypern der Europäischen Union (EU) beitreten. Zu diesem Zeitpunkt kam auch der "Annan-Friedensplan" zur Wiedervereinigung der Insel zustande, benannt nach dem damaligen UN-Sekretär Kofi Annan. Doch der Plan scheiterte in einer Volksabstimmung an der Ablehnung des griechischen Südens. Das habe für große Enttäuschung gesorgt, meint Heinz Jürgen Axt. "Wir haben festgestellt, dass sich insbesondere die türkischen Zyprer sehr enttäuscht von der Europäischen Union zeigen." Diese haben sich 2004 für den Annan-Plan eingesetzt, weil sie die Perspektive gesehen haben, damit auch vollwertige Mitglieder und Unionsbürger in der Europäischen Union zu werden. Das hat sich nicht so erfüllt", sagt Axt. Die 259 Millionen Euro, die man versprochen habe, seien nur sehr zögerlich nach Nordzypern geflossen.

Vor allem das Zugeständnis der UN-Verhandlungsführer an die Türkei, weiterhin Truppen auf der Insel stationieren zu dürfen, sorgte damals für Empörung im griechischen Süden. Nach der Ablehnung des "Annan-Friedensplans" wurden die Karten neu gemischt im Poker um Zypern. Die Inseltürken behaupten nunmehr, diesmal sei die griechische Seite als erste vom Verhandlungstisch aufgestanden, erklärt der ehemalige Außenminister Zyperns Jannis Kassoulidis. "Das kann man nicht bestreiten. Aber man darf auch nicht vergessen: In der Vergangenheit war es immer die türkische Seite, die alle Vermittlungsbemühungen scheitern ließ", sagt Kassoulidis. Nun müsse man den Blick auf die Gegenwart richten. "Das Beharren auf Verhandlungspositionen, die den Konflikt noch schlimmer machen, bringt uns nicht weiter."

Viele Köche verderben den Brei

Angela Merkel und Dimitris Christofias (Foto: AP)
Angela Merkel war vor kurzem Gast bei Dimitris ChristofiasBild: AP

Nicht nur Kassoulidis verlangt eine schnelle Lösung der Zypernfrage. Während ihres umjubelten Besuchs in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia erklärte Bundeskanzlerin Merkel, Präsident Dimitris Christofias habe ein großes Maß an Kompromissbereitschaft erwiesen, nun müsse sich auch die Türkei bewegen. Emine Bozkurt, niederländische Europaabgeordnete türkischer Abstammung, sieht das anders. "Ich bin glücklich über den ersten Teil dieser Aussage, nämlich dass Präsident Christofias kompromissbereit sein soll. Deutschland nimmt aber an den Verhandlungen gar nicht Teil und wenn wir uns alle einig darüber sind, dass diese Gespräche unter UN-Obhut stattfinden, dann sollten wir uns auch daran halten", betont Bozkurt. Eine Intervention einzelner Staaten sei wenig hilfreich.

Beide Volksgruppen müssen sich aber auf jeden Fall erst einmal mit dem Gedanken anfreunden, dass eine Lösung auch schmerzhafte Kompromisse erfordert.

Autor: Jannis Papadimitriou, mit dpa

Redaktion: Nicole Scherschun