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Nordrhein-Westfalen

Friederike Schulz

"Junge, geh zu Krupp!" Thomas Zimmermann ist 17 Jahre alt, als sein Vater ihm den Rat gibt. Sein Leben als Stahlarbeiter in Duisburg-Rheinhausen prägt der Kampf um den Arbeitsplatz. Und der Stolz, "Kruppianer" zu sein.

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So viel Zeit muss sein. Thomas Zimmermann bleibt auf der Besucherplattform des Stahlwerks Duisburg-Beeck stehen, schiebt den weißen Schutzhelm in den Nacken. Wie gebannt blickt er auf den Kran, der flüssiges Roheisen in den Schmelztiegel kippt. Meterhoch sprühen die Funken, als sich die rot glühende Masse in den Behälter ergießt. "Das ist einfach gigantisch. Ich guck mir das jedes Mal an." Und das, obwohl der Betriebsrat dieses Schauspiel seit mehr als 30 Jahren kennt.

"Jeder konnte bei Krupp etwas werden"

Thomas Zimmermann
Thomas ZimmermannBild: Friederike Schulz

1975 fängt er bei Krupp an. Da ist der gebürtige Duisburger 17 Jahre alt und das Unternehmen sucht händeringend Arbeitskräfte. Auf einer Tafel im Personalbüro stehen rund 50 Stellenanzeigen: Kranführer, Maschinisten, Stoffwärter. Thomas Zimmermann entscheidet sich für Stoffwärter. Fortan ist er zuständig für den reibungslosen Materialfluss im Stahlwerk Duisburg-Rheinhausen.

Schnell arbeitet sich der gelernte Kaufmann hoch, lernt in der Abendschule, wie man einen Großrechner bedient. "Wer sich ins Zeug legte, der konnte was werden", sagt er, wirft einen letzten Blick auf den Schmelztiegel, geht die Treppe hoch zu seinen Kollegen ins Schaltzentrum. Hauptberuflich ist Thomas Zimmermann noch immer Computer-Spezialist. Doch heute ist er in seiner Funktion als Betriebsrat unterwegs, verteilt Flugblätter für den nächsten Informationsabend.

Erbitterter Arbeitskampf

Probe am Hochofen von ThyssenKrupp Stahl
Probe am Hochofen von ThyssenKrupp StahlBild: AP

Gewerkschaftliches Engagement ist für ihn als Metaller selbstverständlich. "In den 1970er Jahren musste man erst in die IG Metall eintreten, bevor man überhaupt den Arbeitsvertrag unterschreiben durfte", sagt er nicht ohne Stolz in der Stimme. Und dass Arbeitnehmer eine schlagkräftige Vertretung brauchen, weiß keiner besser als er. 1982 erfahren Zimmermann und seine Kollegen aus den Fernsehnachrichten, dass der Standort Rheinhausen schließen soll. Spontan legen sie die Arbeit nieder, organisieren Mahnwachen. "Das steckt mir heute noch in den Knochen, so einen Kampf vergisst man nicht", sagt er. Zwei Monate dauert der Streik, dann lassen sich die Arbeitgeber auf einen Kompromiss ein: Betriebsbedingte Kündigungen werden ausgeschlossen, ältere Kollegen bekommen Abfindungen, jüngere werden auf andere Standorte verteilt. Thomas Zimmermann arbeitet fortan in Bochum, fängt wieder ganz von vorn an - als Stoffwärter.

"Mädchen, geh zu Krupp!"

Verzinkte Coils, gerollter Stahl
Verzinkte Coils, gerollter StahlBild: AP

Doch der Arbeitsplatzabbau ist noch nicht zu Ende. Von 1991 bis 1994 halbiert sich die Zahl der Mitarbeiter fast. Die Fusion mit dem Konkurrenten Thyssen ein paar Jahre später kostet weitere Stellen. Doch der Betriebsrat ist sicher: Ohne die IG Metall hätte es noch schlimmer ausgesehen. "Gewerkschaftsarbeit ist mir wichtiger, als Geld zu verdienen." Erst vor drei Jahren hat er wieder eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt. Die letzte war es wohl nicht - trotz der Milliardengewinne, die ThyssenKrupp jedes Jahr macht. "Ich will gar nicht wissen, was passiert, wenn es der Branche mal wieder schlecht geht."

Dennoch - es gibt auch Positives zu berichten. Der Konzern hat versprochen, mehr feste Stellen für Auszubildende zu schaffen. Und deswegen wird Thomas Zimmermann seiner Tochter, die nächstes Jahr Abitur macht, auch sagen: "Mädchen, geh zu Krupp."