Ein COP-Tagebuch
9. November 2017"Wir sind von Wasser umgeben, und wenn der Meeresspiegel steigt, dann ist unsere Existenz bedroht." So schlicht bringt Mereoni Mili ihre Lebenswirklichkeit auf den Punkt. Sie studiert im zweiten Jahr Journalismus und Soziologie an der University of the South Pacific. Gemeinsam mit neun anderen Journalisten aus Ozeanien nimmt sie während der Bonner Klimakonferenz an einem zweiwöchigen Programm der DW Akademie teil.
Wer ist Mereoni?
Mereoni Mili ist 21 Jahre alt und stammt aus der Provinz Tailevu auf Fidschi. In ihrem Dorf ist der Klimawandel längst angekommen. "Bodenerosion, steigender Meeresspiegel, Versalzung des Wassers und der Böden – darunter leiden wir sehr. Und wir leben mit der Angst. Viele ziehen weg von den Küsten, aus Sorge, ihr Zuhause an das Meer zu verlieren. Und ich meine da nicht nur einzelne Familien oder Dörfer. Nein, ich spreche von ganzen Inseln."
In der Studentenredaktion ihrer Uni ist Mereoni zuständig für die Bereiche Umwelt und Klima, sie arbeitete erst als Reporterin, jetzt ist sie Redakteurin. Das Thema Klimawandel begleitet sie schon lange. In der High School hörte sie zum ersten Mal davon. Im Unterricht sprach der Lehrer mit den Schülern darüber, was Klimawandel ist und was für Auswirkungen er hat – auch und gerade für die kleinen Inselstaaten im Pazifik. "Ich habe auch selbst schon miterlebt, wie Naturkatastrophen sich verändert haben in den letzten Jahren. Sie kommen häufiger vor und fallen außerdem heftiger aus, wie beispielsweise der Zyklon Winston." Winston war der erste Sturm der Kategorie 5 in der Region, im Februar 2016 fegte er über Fidschi und Vanuatu hinweg, mehr als 40 Personen kamen ums Leben.
Was erwartet Mereoni?
Mereoni Mili freut sich auf die zwei Wochen in Deutschland. Sie will so viel wie möglich mitnehmen von dieser Zeit, möchte neue Informationen sammeln und ihr Wissen dann zu Hause an ihre Kommilitonen weitergeben. Und sie hofft, ein paar hochrangige Teilnehmer zu sehen. "Wenn ich Angela Merkel treffen würde, dann würde ich ihr sagen, dass sie nicht nur während der COP auf den Klimawandel schauen soll, sondern auch danach, wenn nicht wie jetzt alle Augen auf das Thema gerichtet sind."
Mereoni hat große Erwartungen an die Konferenz. Sie hofft auf Ergebnisse, von denen auch ihr Land direkt profitieren kann. "Ich hoffe, dass wir uns darauf einigen können, dass der Klimawandel real ist und dass wir jetzt handeln müssen, damit zukünftige Generationen nicht darunter zu leiden haben." Und sie hofft darauf, vielleicht einen Blick auf Leonardo di Caprio erhaschen zu können. Der Hollywood-Star engagiert sich seit langem für die Umwelt und soll Medienberichten zufolge zur COP anreisen.
Was erlebt Mereoni?
Hier schreibt die Journalistik-Studentin, was sie auf und am Rande der COP erlebt.
Donnerstag, 16. November
Heute war der offizielle Abschluss unseres Workshops bei der Deutschen Welle. Es war sehr emotional. Ich hasse Abschiede. Aber dieses Mal sehe ich es nicht nur als Abschied, denn ich nehme so viele Erinnerungen mit. Und ich habe neue Freunde gefunden. Wir haben von der DW unsere Bescheinigungen für das Training bekommen. Und dann haben wir sogar noch Nick Nuttal, den Sprecher des UN-Klimasekretariats, getroffen und konnten ein Foto mit ihm machen. Auch Mitglieder der deutschen Bundesregierung habe ich gesehen! Ich werde das Team von der DW vermissen und auch meine ozeanischen Kollegen, von denen ich viel gelernt habe – nicht nur beruflich, sondern auch ein paar neue Witze. An alle ein ganz großes Dankeschön. Oder wie es bei uns heißt: VINAKA VAKALEVU!
Mittwoch, 15. November
Heute war das sogenannte High Level Event mit den Staats- und Regierungschefs in der Bula Zone. Meriam, die Leiterin unseres Workshops, hat alles daran gesetzt, dass wir als Zuschauer dabei sein konnten. Es gab nur 20 Plätze für Print-Journalisten, und ich bin so dankbar, dass sie das für uns organisiert hat. Ich habe es tatsächlich aus nächster Nähe miterleben können. Danke auch an den Rest des Teams, für alles, es war wirklich eine großartige Chance für mich, hier sein zu dürfen. In den letzten Tagen habe ich meine Familie und meine Freunde sehr vermisst. Aber trotzdem habe ich mir immer wieder gesagt, dass das hier eine Chance ist, die ich nur einmal im Leben bekomme und die ich nutzen muss, so gut ich kann.
Dienstag, 14. November
In der BONN- und in der BULA-Zone tut sich jetzt viel. Wir laufen ständig von einem Ort zum anderen. Aber wie schonmal gesagt: Für mich ist das ein tolles Training, bei dem ich viel lerne und meine Fähigkeiten verbessere. Mit meinen Kollegen habe ich auch darüber gesprochen, dass wir das alles hier vermissen werden: den ganzen Spaß, den wir als Gruppe haben, sei es beim Frühstück, auf dem Weg zum Seminar, bei der COP und unseren Exkursionen oder auch abends in der Freizeit, wenn wir zusammen essen gehen. All das wird mir fehlen – und auch die anderen Kollegen aus Ozeanien und die von der Deutschen Welle.
Montag, 13. November
Start in die zweite COP-Woche! Heute war für uns wieder Reporter-Tag. Ich war die meiste Zeit auf der COP im Talanoa Space (hier haben NGOs, aber auch Wirtschaftsvertreter, Städte und Gemeinden ihre Stände, Anmerk. der Red.), habe an Artikeln gearbeitet und sie an meine Redaktion zu Hause geschickt. Ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich mittlerweile ganz schön müde bin. Anders als meine ozeanischen Kollegen, die Stress im Arbeitsleben gewöhnt sind, bin ich ja noch Journalismus-Studentin. Und so ein Pensum wie hier bei der COP, das habe ich normalerweise nicht jeden Tag. Aber ich lerne sehr viel und ich denke, dass das für die Zukunft ein gutes Training ist.
Sonntag, 12. November
Heute war eigentlich ein freier Tag für uns. Aber in der Bonn Zone gab es einiges zu sehen, also sind wir hingegangen, um darüber zu berichten. Und ich bin sehr froh, dass wir das gemacht haben, denn so habe ich tatsächlich den Terminator Arnold Schwarzenegger mit eigenen Augen gesehen! Leider konnte ich kein gutes Foto von ihm machen, das hier ist das Einzige, was ich schnell schießen konnte. Aber das ist egal, ich bin einfach froh, dass ich ihn überhaupt zu Gesicht bekommen habe: So einen internationalen Promi, der nicht nur berühmt ist, sondern sich auch engagiert. Diese Erinnerung wird mich mein Leben lang begleiten.
Samstag, 11. November
Wir haben heute eine Exkursion gemacht und einige Orte gesehen, die auf autarke Energieversorgung setzen. Dieser Ausflug war besonders für uns ozeanische Teilnehmer sehr spannend. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich auch einen Roboter gesehen, er hieß Pepper. Und wir haben einen Bäcker kennengelernt, der sich selbst das Ziel gesteckt hat, zu 100 Prozent CO2-neutral zu produzieren. Außerdem besitzt er mehrere Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge. Ich fand ihn sehr inspirierend.
Freitag, 10. November
Heute waren wir in Brühl und haben an einer Konferenz für Journalisten und journalistische Netzwerke teilgenommen. Das Ganze hieß "Ist der Journalismus bereit für die globale Energiewende?". Es war sehr gut und informativ. Manchmal sind solche Veranstaltungen ja eher langweilig, aber in diesem Fall traf das nicht zu. Als wir zurück in Bonn waren, bin ich mit meiner Kollegin Elena noch ausgegangen, wir wollten die Stadt bei Nacht erkunden und ein bisschen Shoppen gehen. All die Lichter und die Menschen, die noch im Dunkeln ihre Einkäufe erledigen - das war toll zu sehen. Hier wird es ja jetzt schon gegen fünf Uhr dunkel, bei mir zu Hause erst nach sieben. Bonn, du bist wunderschön!
Donnerstag, 9. November
Heute war ein sehr anstrengender Tag. Ich habe meine ersten Interviews auf der COP geführt, und dann habe ich zusammen mit Eleona und Lice aus unserer Gruppe selbst bei den Kollegen von Arte TV ein Fernsehinterview gegeben. Sie haben uns gefragt, wie wir daheim über den Klimawandel berichten und wie wir persönlich schon davon betroffen sind. Es war seltsam, auf der anderen Seite der Kamera zu stehen. Normalerweise sind wir ja diejenigen, die Fragen stellen.
Ganz besonders spannend war aber etwas anderes: Ich habe den peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya getroffen, der 2015 den deutschen Energieversorger RWE verklagt hat. Er sagte uns: Selbst, wenn ich vor Gericht verliere, wird das die Menschen ermutigen, für ihr Überleben und ihre Familien zu kämpfen. (Anmerk. der Red: . Saúl Luciano Lliuya will erreichen, dass RWE Maßnahmen zum Schutz vor Klimawandel-Folgen in seiner Heimat bezahlt. In erster Instanz war er im Dezember 2016 vor dem Landgericht Essen gescheitert. Dagegen hatte er Berufung eingelegt. Der Kläger will den Angaben zufolge den zweitgrößten deutschen Energiekonzern aufgrund des Betriebs von Kohlekraftwerken für die Folgen der Erderwärmung haftbar machen. Sein Haus steht in der Andenstadt Huaraz, die an einem Bergsee liegt. Weil der Wasserpegel durch die Schmelze eines angrenzenden Gletschers gestiegen sei, drohe eine Überflutung, argumentierte Lliuya. Der Energiekonzern sei wegen seiner Treibhausgasemissionen dafür mitverantwortlich und solle deswegen Sicherungsvorkehrungen finanzieren.)
Ansonsten genieße ich das deutsche Essen sehr. Ganz in der Nähe unseres Hotels gibt es ein kleines Restaurant, das zwei älteren Leuten gehört. Sie sprechen zwar kaum englisch, aber sie sind sehr gastfreundlich und haben uns sehr herzlich empfangen.
Mittwoch, 8. November
"Heute haben wir an der täglichen Konferenz der DW-Umwelt-Redaktion teilgenommen. Ich finde es toll, dass es hier ein eigenes Ressort für Umwelt gibt. Und es war sehr interessant, den Kollegen zuzuhören. Abends waren wir dann mit der ganzen Gruppe unterwegs in der Stadt und haben nach einem Restaurant gesucht. Zwei Kollegen wollten unbedingt Suppe essen. Wir haben eine Stunde gesucht, bis wir ein Lokal mit Bar gefunden hatten. Das Essen war lecker und auch bezahlbar. Und es hat einfach riesigen Spaß gemacht, dort zusammen zu sitzen."
Dienstag, 7. November
"Heute hatten wir einen Workshop mit einem investigativen Journalisten, der selbst auf Kiribati war. Er hat dort eine Dokumentation über die Insel gedreht, die ja sehr stark vom Klimawandel betroffen ist. Es war spannend, etwas über seine Recherche zu hören. Und ich habe mich gewissermaßen wie zu Hause gefühlt, weil ich quasi alles, was er uns erzählt hat, nachvollziehen konnte und auch selbst kannte.
Wir haben auch Gruppenarbeit gemacht, ich habe mit einer erfahrenen Kollegin vom "Samoa Planet" zusammengearbeitet. Das war toll, von den älteren in unserem Team kann ich noch viel lernen. Ich bin ja die Jüngste in unserer Gruppe, du die anderen sind so reizend zu mir. Alle kümmern sich um mich. Heute habe ich verschlafen, und da haben sie mir doch tatsächlich das Frühstück mit zum Workshop gebracht. Es ist, als würde ich mit Müttern und Vätern reisen.
Zurzeit leide ich noch etwas unter dem Jetlag. Und auch das Klima ist für mich gewöhnungsbedürftig. Also die Kälte. Ich komme ja aus den Tropen, da ist es immer warm. Aber glücklicherweise haben wir gleich bei der Begrüßung im Hotel von den Organisatoren des DW-Journalisten-Programms warme Kleidung bekommen, außerdem Winterschuhe und Schals für alle. Sie hatten schon vor der Reise extra gefragt, wer etwas braucht und was genau. Und jetzt sind wir alle gut ausgestattet und keiner muss frieren.
Montag, 6. November
"Ich habe heute meine erste Pressekonferenz bei einem so großen und wichtigen Event überhaupt besucht. Ich bin dankbar für diese einmalige Gelegenheit. Ich war erstaunt, wie unterschiedlich Journalisten aus anderen Ländern Fragen stellen – auch schwierige oder unangenehme Fragen. In meiner Heimat werden solche Fragen oft nicht gestellt. Ich denke, das hängt vor allem mit unserer Kultur zusammen. Wir versuchen einfach immer, respektvoll zu sein und jede Unhöflichkeit zu vermeiden."