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Zwei israelische Soldaten entführt – vier andere getötet

Peter Philipp/je12. Juli 2006

Nach der Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah sind vier andere Soldaten, die an der Suche nach den Entführten beteiligt waren, getötet worden.

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Hisbollah-Kämpfer an der libanesisch-israelischen GrenzeBild: AP

Bei einem Angriff auf einen israelischen Panzer im Südlibanon sind am Mittwoch vier israelische Soldaten ums Leben gekommen. Der Panzer sei bei einem Angriff explodiert, sagte ein Sprecher der israelischen Armee. Die Soldaten seien auf der Suche nach zwei Kameraden gewesen, die die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah zuvor verschleppt hatte. Die israelische Armee war in den Süden des Libanon vorgerückt, nachdem die Hisbollah die beiden Soldaten entführt und drei weitere Soldaten getötet hatte.

Anhänger der islamistischen Hisbollah feiern dagegen die Gefangennahme der zwei israelischen Soldaten. Der Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar versucht, den palästinensischen Häftlingen in israelischer Haft Mut zuzusprechen: Der Tag ihrer Befreiung sei näher gerückt. In Israel ist man zunächst fassungslos: Da sucht man nun seit anderthalb Wochen im Gazastreifen vergeblich nach einem verschleppten israelischen Soldaten und rutscht von Tag zu Tag tiefer in eine neue Kriegs-Situation – zumindest aber eine neue Besatzung – hinein.

"Schmerzhafte Antwort"


Die libanesische Hisbollah ("Partei Gottes") hatte am Mittwoch Morgen (12.7.) den massiven Beschuss nordisraelischer Siedlungen eröffnet, in dessen Verlauf mehrere Soldaten zum Teil schwer verletzt und zwei weitere Soldaten in den Libanon verschleppt werden. Der israelische Ministerpräsident, Ehud Olmert, erklärt, dass Israel "schwere Zeiten" durchlebe, weil es im Süden und im Norden angegriffen werde. "Es gibt Menschen, die versuchen, unsere Entschlossenheit auf die Probe zu stellen. Sie werden scheitern und sie werden einen hohen Preis dafür bezahlen." Olmert machte die libanesische Regierung für die Eskalation verantwortlich und sagte, die Antwort auf die Angriffe werde sehr schmerzhaft sein. Die Bewohner Nordisraels wurden angewiesen, die Schutzräume aufzusuchen.

Israel Ehud Olmert
Ehud OlmertBild: AP

Komplizierte Situation

Der neue Vorfall an der libanesischen Grenze macht solche Bestrafung aber nur noch komplizierter und steigert die Gefahr, dass Israel sich in neue militärische Abenteuer verstrickt, die es überwunden glaubte: Israel hatte nicht nur Mitte September letzten Jahres den Gazastreifen verlassen und hatte keine Absicht, dorthin zurückzukehren. Es hatte auch im Mai 2000 den Südlibanon nach jahrelanger Anwesenheit dort verlassen und hatte ebenso gehofft, künftig an dieser Front Ruhe zu haben. Ein frommer Wunsch. Denn seit dem israelischen Abzug aus dem Libanon feiert Hisbollah dies als großen Sieg über Israel – obwohl Jerusalem unter dem damaligen Ministerpräsidenten Ehud Barak den Rückzug bereits ein Jahr im Voraus angekündigt hatte.

Hisbollah festigte wegen dieses vermeintlichen Sieges ihre innenpolitische Position im Libanon und es gelang ihr unter anderem, als anerkannte Widerstandsorganisation der geplanten Entwaffnung ihrer Milizen zu widerstehen. Die Beiruter Zentralregierung hatte wiederholt den Anlauf gemacht, die verschiedenen Milizen zu entwaffnen und in die zentralen Streitkräfte zu integrieren. Hisbollah konnte dies verhindern, selbst nachdem der große Patron der Bewegung – Syrien – Anfang letzten Jahres seine Truppen aus dem Libanon zurückziehen musste. Aber Hisbollah kann sich weiter auf syrische und – vor allem – iranische Hilfe verlassen.

Offene Geheimnisse

Und es ist ein offenes Geheimnis, dass Experten beider Länder Hisbollah bei ihren Operationen beraten, ihr vielleicht sogar die Befehle geben. So ist es denn kein Zufall, dass Hisbollah nach fast sechs Wochen Ruhe an der Grenze gerade jetzt aktiv wird, wenn Israel immer tiefer in den neuen Konflikt mit Hamas im Gazastreifen verstrickt ist. Der militärische Zweig von Hamas, der für die Entführung des Soldaten in den Gazastreifen verantwortlich ist, wird von Damaskus aus befehligt und in Teheran lässt Präsident Ahmadinejad keine Gelegenheit aus, zur gemeinsamen Front gegen und zur Beseitigung von Israel aufzurufen. Der Vorfall von Mittwochfrüh muss deswegen als flankierende Maßnahme zur Unterstützung von Hamas gesehen werden.

Israel wird dadurch in zusätzliche Schwierigkeiten gebracht und ist offenbar nicht imstande, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Vieles erinnert an den Beginn der Operationen im Gazastreifen: Zunächst bombardierte Israel strategisch wichtige Brücken, um zu verhindern, dass die gefangenen Soldaten weiter ins Landesinnere gebracht werden. Wie auch in Gaza dürfte dies aber wenig nützen. Trotzdem: Die Vorgänge im Gazastreifen zeigen, dass Israel dabei ist, sich nun auch im Südlibanon zu engagieren und zu verstricken. Die gefangenen Soldaten wird es dadurch bestenfalls durch Zufall frei bekommen, stattdessen aber die gesamte Gegend in einen kriegsähnlichen Zustand stürzen.

Israel unter Druck


Und letztlich wird Israel vermutlich doch nachgeben müssen. So, wie es gegenüber Hisbollah in der Vergangenheit bereits wiederholt nachgegeben hat. Insofern hat Hisbollah Recht: Sie kann Israel besser als Hamas zu Zugeständnissen zwingen. Letztlich aber werden alle darunter zu leiden haben. Besonders – wieder einmal – die Zivilbevölkerung und natürlich die Hoffnung auf eine endgültige Beilegung des Konflikts.