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Zuviel gespart?

23. Dezember 2002

Das bisher schwerste Unglück bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr hat in Deutschland zu einer Debatte über Aufgaben und Ausstattung der deutschen Armee geführt.

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Gruß aus dem Militärmuseum: Hubschrauber vom Typ Sikorsky CH-53Bild: AP

Ein Defekt im Rotor führte offensichtlich zum Absturz des Bundeswehr-Transporthubschraubers in der Nähe von Kabul. Zu diesem Schluss kamen die Experten der Bundeswehr, die seit Sonntag (22.12.02) das Unglück untersuchen. Dabei waren am Samstag sieben deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Nun steht fest, dass sie nicht angegriffen wurden. Die Tatsache, dass mehr deutsche Soldaten durch Unfälle als durch tatsächliche Kampfhandlungen sterben, wirft ein Licht auf den Zustand der Ausrüstung, der gerne verschwiegen wird.

Routineflug

Die Maschine befand sich auf einem Routineflug, als sie am Samstag um 15.45 Uhr Ortszeit (12.15 Uhr MEZ) in Flammen aufging und auf ein unbewohntes Haus stürzte. Von dem zerstörten Hubschrauber war nur noch das Heck zu erkennen. Bei den Toten handelt es sich nach Angaben des deutschen Brigadegenerals Werner Freers um zwei Piloten, zwei Techniker, zwei Schützen und einen Soldaten für die

Luftaufklärung.

Veraltetes Material

Bereits am Tag nach dem Absturz wurde in Deutschland von Seiten der Soldaten und der Opposition Kritik an der Ausrüstung der Bundeswehr laut, die mit altem Gerät immer neue Aufgaben in allen Weltgegenden übernehmen muss. Die Fakten sprechen für sich: 1973 wurde der Transporthubschrauber vom Typ Sikorsky CH-53 in Dienst gestellt. Eine Planung für ein Nachfolgemodell fehlt bisher völlig. Zudem werden viele für einen Verteidigungskrieg gegen einen Gegner in Mitteleuropa konzipierte Systeme nun in völlig anderen Weltgegenden eingesetzt. So macht etwa der Staub in der afghanischen Hochebene eine dauernde Wartung des Geräts nötig. Eine ähnliche Diskussion entspann sich im vergangenen Jahr über den mittlerweile 40 Jahre alten Schützenpanzer Marder. Für die Heimatverteidigung konzipiert, taugt er wenig in vermintem Feindesland, wie etwa auf dem Balkan. Eine Todesfalle für deutsche Patrouillen.

Vollmundige Versprechen und Sparen ohne Konzept

Während Verteidigungsminister Peter Struck noch vor Wochen davon sprach, die Bundeswehr verteidige nun "deutsche Interessen am Hindukusch", haben seine Soldaten noch nicht einmal eigene Transportflugzeuge, mit denen das schwere Gerät nach Afghanistan verlegt werden kann.

Zwar kondolierten Verteidigungsminister, Kanzler und Außenminister in der Öffentlichkeit. Abhilfe ist jedoch nicht in Sicht. Pflichtgemäßes Bedauern der politischen Führung reicht dem Bundeswehrverband aber nicht mehr. Dessen stellvertretender Vorsitzender Wolfgang Ostermeier erklärte: "Wir fliegen mit veralteter Ausrüstung". Die Erneuerungsrate halte nicht mit den steigenden Anforderungen durch die Auslandseinsätze Schritt.

Der Sprecher des deutschen Kontingents der Schutztruppe in
Afghanistan, Paul-Georg Weber, beeilte sich unterdessen, diese Kritik gehorsam im Sinne der Berliner Regierung zurückzuweisen: "Wir arbeiten nach den gleichen Bestimmungen, die auch für die Zivilluftfahrt in Deutschland gelten, sagte er in einem Radiointerview. Der Unglücks-Hubschrauber sei "insofern in einem einwandfreien Zustand gewesen".

Wachsende Lasten

Erst am Freitag (20.12.02) hatte der Bundestag den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr um ein Jahr verlängert. Demnach soll das deutsche Kontingent auf rund 2.500 Mann verdoppelt werden, um zusammen mit den Niederlanden in der ersten Jahreshälfte die Führung der ISAF zu übernehmen. Insgesamt gehören der für die Sicherheit im Großraum Kabul zuständigen ISAF-Truppe 4.800 Soldaten aus 22 Staaten an. Im März dieses Jahres waren vier dänische und zwei deutsche Soldaten der ISAF-Truppe bei der Entschärfung einer Flugabwehrrakete ums Leben gekommen. (ap/mas)