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Rechtspopulismus in Österreich

Julia Elvers-Guyot29. September 2006

Wenige Tage vor der Parlamentswahl sorgt die Justizministerin für Aufruhr: Sie will aus dem "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ) austreten. Grund: der ausländerfeindliche Kurs der Partei.

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Wahlplakat der Haider-Partei BZÖ mit dem neuen Spitzenkandidat Peter Westenthaler und dem Slogan "Mehr Mut"
Der neue Spitzenkandidat der Haider-Partei BZÖ Peter Westenthaler fordert Mut - zur AusländerfeindlichkeitBild: PA/dpa

Über die Tatsache an sich freuen sich viele, doch der Zeitpunkt so kurz vor den Wahlen zum österreichischen Nationalrat am Sonntag (01.10.) überrascht: Justizministerin Karin Gastinger will aus dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) austreten, das im April 2005 vom Rechtspopulisten Jörg Haider gegründet wurde und Koalitionspartner der konservativen Regierung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seiner Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ist.

Wahlplakate in der Wiener Innenstadt
Jeder kämpft um Stimmen - am Sonntag (01.10.) wird in Österreich gewähltBild: AP


Grund für Gastingers Rückzug: die Ausländerfeindlichkeit des neuen Vorsitzenden Peter Westenthaler. Der fordert auf Wahlplakaten "Mut gewinnt! Ausländeranteil minus 30 Prozent". Dies würde die Abschiebung von 300.000 Menschen aus Österreich bedeuten. "Ich will in keiner politischen Bewegung tätig sein, die ausländerfeindlich ist, die mit Ängsten operiert", sagte Gastinger der Wiener Zeitung "Kurier" (Dienstagsausgabe).

Über den Zeitpunkt dieser Erkenntnis wundert sich in Österreich so mancher, schließlich hängen die BZÖ-Wahlplakate schon seit Ende Mai auf allen Straßen. "Gastinger ist vorsichtig gesagt zumindest eine gewisse Naivität zu unterstellen", sagt der Politikwissenschaftler und Partienforscher Anton Pelinka. "Es ist überraschend, dass sie eine Begründung angibt, die ihr schon viel früher hätte einfallen müssen - das gibt ihrer politischen Professionalität kein gutes Zeugnis."

Österreich ist auf Ausländer angewiesen

Die Parteichefin der Grünen Eva Glawischnig empört sich eher über die BZÖ-Slogans. Sie stellt sich vor, was es hieße, 30 Prozent der ausländischen Bevölkerung "zu deportieren: nämlich den Zusammenbruch vom gesamten Pflegebereich, Tourismus, Baubranche - Bereiche, in denen viele Menschen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft arbeiten". Glawischnig hält die Forderung für extrem menschenunwürdig. Im übrigen habe Österreich auch eine historische Verantwortung: "Wir haben schon einmal erlebt, dass Nachbarn deportiert worden sind. Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, mit solchen Sachen sehr behutsam umzugehen - das ist im Moment leider nicht der Fall."

Gastingers Ankündigung so kurz vor der Wahl bedeutet für das BZÖ einen herben Rückschlag. Die 42-Jährige vertrat innerhalb des BZÖ und der Wiener Koalitionsregierung zunehmend liberale Positionen. Sie ist laut Umfragen die beliebteste der sechs BZÖ-Minister in der rechtskonservativen Regierung. Das BZÖ könnte den Einzug in die Volksvertretung Umfragen zufolge verfehlen; es liegt bei drei Prozent und droht an der Vier-Prozent-Hürde zu scheitern.

Karin Gastinger mit Jörg Haider
Die Justizministerin, hier mit Jörg Haider, kündigt wenige Tage vor der Wahl ihren Austritt aus der BZÖ anBild: PA/dpa

BZÖ und FPÖ spielen mit der Angst der Menschen

Das BZÖ ist nicht die einzige Partei mit ausländerfeindlichen Parolen. Ein viel größerer Brocken ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), ebenfalls von Jörg Haider gegründet. Als Haider 2005 das BZÖ von der FPÖ abspaltete, traten die FPÖ-Minister geschlossen dem BZÖ bei und bildeten mit der ÖVP die Regierung. Doch die "alte" FPÖ ist auch ohne ihre frühere Leitfigur sehr erfolgreich: in Umfragen erreicht sie neun bis zehn Prozent.

Für die FPÖ tritt Heinz-Christian Strache an, der bei seinen Anhängern als der "neue Haider" gilt. "Stracher kopiert Haider in vielerlei Belangen, bis hin zum Redestil. Dass das Rezept nach wie vor aufgeht, ausschließlich mit der Angst Politik zu machen, ist sehr bedauerlich für Österreich", sagt Eva Glawischnig.

Österreich kein Einzelfall

"Die Ausländerfeindlichkeit nützt eine vorhandene Angst oder ein Angstpotential aus", meint auch der Politikwissenschaftler Pelinka: "Die Angst der so genannten Modernisierungsverlierer, also der Menschen mit einer schlechteren Ausbildung, die keine Fremdsprachen können, die - keineswegs nur zu Unrecht - befürchten, dass Menschen aus den neuen EU-Staaten oder Einwanderer überhaupt ihnen mit Lohndumping Konkurrenz machen."

Grünen-Chefin Glawischnig macht auch die Sparpolitik der Regierung für die mangelnde Integration von Ausländern verantwortlich: "Es sind 5300 Lehrerinnen und Lehrer eingespart worden, die insbesondere im Bereich Förderung, Integration und muttersprachlicher Unterricht eingesetzt waren." Doch Österreich ist kein Einzelfall in Sachen Ausländerfeindlichkeit. Beispiel Schweiz: hier wurde gerade per Volksentscheid eine Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts beschlossen. "Diese Entscheidung zeigt aber offensichtlich, dass aufklärerische Politik dringend gefragt ist - nicht nur in Österreich, sondern in vielen europäischen Ländern", sagt Eva Glawischnig.