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Franzose zu werden macht ihn stolz

Barbara Wesel20. Januar 2015

Während die internationalen Medien noch damit beschäftigt waren, das Leben und den Zerstörungsweg der drei Attentäter von Paris nachzuzeichnen, wurde ein bescheidener junger Mann aus Mali zum Helden der Stunde.

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Lassana Bathily (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Guillot/AFP/Getty Images

Nach dem blutigen Attentat auf den jüdischen Supermarkt an der Porte de Vincennes im Osten von Paris, nachdem die Polizei und die Überlebenden befragt und die Toten abtransportiert waren, stieg aus Blut und Chaos ein 24jähriger Zuwanderer zum Helden der Stunde auf. Und die französischen Fernsehsender konnten gar nicht genug von ihm und seiner Geschichte bekommen. Der Angestellte des "Hypercacher", Lassana Bathily aus Mali, musste immer wieder erzählen, wie er mehreren Kunden bei dieser Geiselnahme wohl das Leben gerettet hat.

Man muss sich gegenseitig helfen

Er hatte sich während des Überfalls durch den schwerbewaffneten Attentäter in den Lagerräumen im Kellergeschoss des Geschäfts befunden und rund 15 Flüchtenden geholfen, sich im Kühlraum zu verstecken, bis schließlich nach Stunden die Polizei den Markt stürmte und den Überfall beendete.

Dabei war es nicht nur sein mutiges Eingreifen, sondern auch die bescheidene Art, mit der Bathily das Geschehen schilderte, sowie seine anrührende Menschlichkeit, die ihn in den Medien zum König der Herzen machte. Er, der Muslim, wollte keinen Unterschied zwischen sich und der Religion der Geretteten sehen: "Wir sind doch Brüder. Es ist keine Frage von Juden, Muslimen oder Christen. Wir sind alle im gleichen Boot, man muss sich gegenseitig helfen, um aus einer solchen Lage herauszukommen." Es waren Worte, die Präsident François Hollande, der Lassana Bathily am Telefon persönlich gratulierte, in Stein meißeln lassen und auf allen öffentlichen Plätzen der französischen Republik aufstellen könnte.

Jüdischer Supermarkt in Paris (Foto: AFP)
Tatort SupermarktBild: AFP/Getty Images/T. Samson

Der schwere Weg aus der Illegalität

Und so kann jetzt ein junger, vormals illegal aus Mali Eingewanderter die Urkunde für die französische Staatsbürgerschaft aus der Hand von Innenminister Bernard Cazeneuve persönlich entgegennehmen. Bathily war 2006 – "wie alle anderen" - mit einem Touristenvisum aus einem Dorf in der malischen Provinz nach Paris gekommen. Er folgte damit dem Lebenstraum seines Vaters und lebte zunächst jahrelang als "Sans-Papiers", als Zuwanderer ohne Papiere. Es war ein harter Weg für den Sohn aus kinderreicher Familie. Ein Bruder fand ebenfalls den Weg nach Paris, die Mutter und die übrigen Geschwister blieben in Mali. Eine Berufsschule im 19. Arrondissement von Paris nahm Lassana auf, er wurde zum Fliesenleger ausgebildet.

"Ein disziplinierter Schüler, der immer lächelte und gut mitmachte", schildert eine frühere Lehrerin. Wohnung fand er in einem Heim für junge Migranten in der Rue St. Just, Heimat des Fußballclubs AC Africa, im nahen Stadion Léon-Biancotto. 2009 sollte er abgeschoben werden. Die Organisation "Bildung ohne Grenzen" aber rettete ihn, 2011 bekam er zum ersten Mal ein Aufenthaltsrecht. Die Gruppe hat sich darauf spezialisiert, Schüler vor der Abschiebung zu schützen. "Ich habe ihm jetzt auf Facebook gratuliert", erklärte sein früherer Englischlehrer Alexandre Adamopoulos einer Pariser Zeitung, "Es sind junge Männer wie Lassana, die die Zukunft Frankreichs darstellen".

Der jüdische Supermarkt gab dem jungen Muslim einen Job

Im vergangenen Sommer schließlich beantragte Bathily die französische Staatsbürgerschaft. Da hatte er schon drei Jahre lang gearbeitet, zunächst in einem Restaurant. Danach fand er herzliche Aufnahme in dem jüdischen Supermarkt, wie er selbst erzählt: "Sie haben mir sogar einen Platz gegeben, wo ich beten konnte", erklärte der praktizierende Muslim. Und jetzt Franzose zu werden erfülle ihn mit besonderem Stolz.

Polizisten mit befreiten Geiseln (Foto: AFP/Getty Images)
Polizisten führen befreite Geiseln aus dem SupermarktBild: AFP/Getty Images/T. Samson

Traurig macht ihn allerdings nach wie vor der Tod seines Freundes Yohan Cohen, der ebenfalls Angestellter in dem Supermarkt gewesen war. Er wurde zu einem der vier Opfer des Geiselnehmers und sei doch mit 23 Jahren noch viel zu jung zum Sterben gewesen. Die Unterstützer von Lassana Bathily wollen ihn auch noch für die Medaille der Ehrenlegion vorschlagen, und in Israel wird diskutiert, ob Regierungschef Benjamin Netanjahu ihn ebenfalls auszeichnen sollte. Aber das findet Bathily eher zu viel der Ehre, sein Traum wird schon durch die Staatsbürgerschaft erfüllt: "Das freut mich, freut mich wirklich. Ich hatte davon geträumt, Franzose zu werden. Und jetzt bin ich es, das macht mich stolz."

Thiaba Bruni, Sprecherin des CRAN (Dachorganisation der Verbände von Schwarzen in Frankreich), sagte dazu: "Sogar in der Nacht der Verzweiflung gibt es immer irgendwo einen Lichtstrahl", und dieser junge Mann habe eine Woche erleuchtet, die sonst in völliger Düsternis gelegen hätte. Poetische Worte, die das Schicksal eines Zuwanderers beschreiben, der in wenigen Stunden zum Beispiel für das Gute im harten Leben am Rand der französischen Gesellschaft wurde.