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"Für Hassreden kein Platz"

Stefan Dege26. Februar 2016

Bei Facebook findet sich vieles, was gegen deutsche Gesetze verstößt: Enthauptungsvideos, Hassparolen, Gewaltaufrufe. Das Netzwerk gelobt Besserung. Aber hat der Konzern überhaupt ein Interesse daran?

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Facebook-Schriftzug am Firmensitz in Menlo Park (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Chiu

Großer Auflauf an diesem Freitag in der Universität Potsdam. Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist da. Während seines Berlin-Besuches spricht er bei einem "Townhall Q&A"-Meeting mit Studenten. Was die jungen Leute interessiert: Wie geht das Netzwerk künftig mit Hasskommentaren um? Wird es Einträge löschen, die gegen deutsche Gesetze verstoßen, weil sie volksverhetzend, menschenverachtend oder gewaltverherrlichend sind? "Ich denke nicht, dass wir bisher einen ausreichend guten Job gemacht haben", sagt Zuckerberg, "für Hassreden gibt es keinen Platz bei Facebook und in unserer Community".

Mark Zuckerberg in Berlin (Foto: Facebook)
Auftritt in Berlin: Mark ZuckerbergBild: Facebook

Am Vortag noch hat der Multimilliardär aus Kalifornien bei Kanzleramtschef Peter Altmeier (CDU) vorbeigeschaut. Die Bundesregierung werde dem US-Technologieriesen genau auf die Finger schauen, sagte der Minister hinterher. Erst fünf Monate ist es her, seit Bundeskanzlerin Angela Merkel den Facebook-Chef in New York am Rande einer UN-Veranstaltung ins Gebet nahm. Schon da versprach Zuckerberg: "Ich denke, wir müssen daran arbeiten."

Facebook gelobt Besserung

Kritiker werfen dem weltgrößten Internet-Netzwerk (1,6 Milliarden Nutzer) schon länger vor, Hasskommentare auf seinen Webseiten nicht ausreichend zu löschen. Nach einem Treffen mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Herbst gelobte der Konzern Besserung. Anfang dieses Jahres kündigte Facebook dann an, mit sogenannten Löschteams von Deutschland aus gegen Hasskommentare vorzugehen. Die Bertelsmann-Tochter Arvato erhielt den Auftrag, Facebook-Inhalte zu überprüfen und rechtswidrige Einträge zu entfernen. Auch gab Facebook eine Partnerschaft mit der "Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter" (FSM) bekannt. Der Verein kümmert sich um Jugendschutz in Online-Medien.

"Wir möchten, dass sich die Menschen sicher fühlen, wenn sie Facebook verwenden", steht nachlesbar auf der Facebook-Seite. "Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von Gemeinschaftsstandards ausgearbeitet." Nackte Körper sind danach ebenso unerwünscht wie Mobbing oder Belästigung. "Wir entfernen explizite Inhalte, wenn sie zum sadistischen Vergnügen oder zum Verehren oder Verherrlichen von Gewalt geteilt werden." Außerdem lösche Facebook "sämtliche Hassbotschaften". Keine Rede ist von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit. "Ich habe ein Enthauptungsvideo gemeldet, es wurde nicht gelöscht", schrieb ein fassungsloser Facebook-Nutzer unlängst im Service-Bereich der Facebook-Seite. "Ich kann es nicht begreifen. Was muss noch passieren?"

Beihilfe zur Volksverhetzung?

Facebook-Nutzer sind aufgefordert, Regelverstöße zu melden. "Für uns arbeiten weltweit spezielle Teams", schreibt Facebook, "um die von dir gemeldeten Inhalte zu prüfen und so die Sicherheit von Facebook auch weiterhin sicherzustellen." Zweifel, dass das funktioniert, hat aber nicht nur der deutsche Bundesjustizminister.

Der Würzburger Medienanwalt Chan-jo Jun und sein Kölner Kollege Christian Solmecke machen mobil gegen Facebook. Ihrer Ansicht nach leistet Facebook "Beihilfe zur Volksverhetzung".

Rechtsanwalt Chan-jo Jun (Foto: privat)
Rechtsanwalt Chan-jo JunBild: Privat

Gemeinsam erstatteten die Juristen bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Strafanzeige gegen Facebook-Chef Zuckerberg und zehn seiner Top-Manager. Die Facebook-Leute verstießen gegen deutsches Recht, in dem sie bekanntermaßen illegale Inhalte weiter öffentlich machten, so die Anwälte im Gespräch mit der Deutschen Welle. Zuvor hätten sie den Konzern auf mehr als 300 Rechtsverstöße aufmerksam gemacht: rassistische Hetze, ebenso wie anstößige Bilder und Videos. Sogar bei Propagandavideos der islamistischen Terrormiliz IS, die geköpfte Menschen und geschändete Leichen zeigten, habe Facebook eine Löschung abgelehnt. Begründung: Die Gewaltdarstellung verstoße nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien.

Facebook setzt auf Freiwillige Selbstkontrolle

"Facebook stellt seine Geschäftsinteressen über deutsches Recht", meint Christian Solmecke. In Deutschland gelte das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht uneingeschränkt, sondern stoße schnell an seine Grenzen - etwa durch den Straftatbestand der Volksverhetzung. Sein Kollege Chan-jo Jun ist der Meinung, dass es Facebook in dem Streit "nicht um rechtliche, sondern um kommerzielle Interessen" geht. Den Facebook-Jahresumsatz in Deutschland schätzen die Anwälte in ihrer Anzeigeschrift auf rund 350 Millionen Euro - für jeden der 28 Millionen deutschen Nutzer 3,25 Euro. Gegen die Facebook-Betreiber in Dublin und Menlo Park beantragten sie ein Bußgeld in Höhe von 150 Millionen Euro. Obwohl ihre Anzeige gegen Zuckerberg hohe Wellen schlägt, wollen sie sie nicht als "Marketing-Gag" missverstanden wissen. "Bei den Offizialdelikten, um die es hier geht", fragt Solmecke, "müssten da die Staatsanwälte nicht von sich aus ermitteln?"

Townhall Q&A mit Mark Zuckerberg in Berlin (Foto: Facebook)
Zuckerberg zieht in Berlin die Massen anBild: Facebook

Fragen wirft auch die "Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter" (FSM) in Berlin auf. In dem gemeinnützigen Verein der IT-Wirtschaft ist die Facebook Ireland Ltd Mitglied, neben Google und anderen Internet- und Telekommunikationsfirmen. Facebook entrichtet nach FSM-Angaben den jährlichen Höchstbeitrag von 32.000 Euro. Gerade erst veröffentlichte die FSM-Beschwerdestelle die Zahl der ihr gemeldeten Rechtsverstöße - 5448 für das Jahr 2015. Die FSM hat zehn Mitarbeiter. "Die Gemeinschaftsrichtlinien von Facebook und deutsches Recht sind nicht deckungsgleich", räumt FSM-Geschäftsführer Otto Vollmers gegenüber der Deutschen Welle ein. Man berate Facebook. "Wir arbeiten daran, deutsche Standards gegenüber Facebook durchzusetzen", so Vollmer, "aber wir wissen nicht, ob wir das schaffen."