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Zu Besuch in den afrikanischen Musterstaaten

Ute Schaeffer3. April 2006

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler besucht Mosambik, Madagaskar und Botsuana. Sein Einsatz für eine stärkere Zusammenarbeit mit Afrika ist Köhlers herausragender außenpolitischer Akzent.

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Afrika ist sein Anliegen:<br>Bundespräsident Horst Köhler in MosambikBild: picture-alliance / dpa/dpaweb
Anatnanarivo, Madagaskar
Madagaskars Hauptstadt AntananarivoBild: AP

Es sind Erfolgsgeschichten auf einem Kontinent, der ganz überwiegend durch seine Krisen, Kriege und Katastrophen Schlagzeilen macht. Mosambik (3.-6.4.), Madagaskar (6.-9.4.) und Botsuana (9.-12.4.) - die Ziele des Bundespräsidenten während dessen zweiter Afrikareise - haben sich aus dem Teufelskreis aus Armut, Krankheit und Bildungsmangel befreit, in dem viele afrikanische Staaten gefangen sind. Dass Afrika nicht nur der Kontinent der Krisen sei, sondern Europa manches vom Nachbarkontinent lernen könne – davon ist Bundespräsident Köhler zutiefst überzeugt.

"Afrika muss seinen eigenen Weg finden"

Bereits als Chef des Weltwährungsfonds hat er den Kontinent sechs Mal bereist, hat politische und wirtschaftliche Reformanstrengungen beobachtet. Fertige Rezepte will Köhler nicht mitbringen – bei dieser zweiten Afrikareise ebenso wenig wie bei der ersten Reise, die ihn vor mehr als einem Jahr nach Sierra Leone, Benin und Äthiopien geführt hat. "Was wir auf keinen Fall dürfen, ist - von außen kommend, mit Hilfe oder auch mit Geld - den Afrikanern unsere Vorstellungen vom Leben aufzudrücken", erklärte er damals auf dem Rückflug. "Afrika hat natürlich auch seine eigene tragische Geschichte mit Sklaverei, mit Kolonialismus, mit dem Ost-West-Konflikt; es hat aber vor allem auch seine eigene Kultur." Für seine Entwicklung müsse der Kontinent einen eigenen, einen afrikanischen Weg finden. "Wir sollten es auf jeden Fall unterlassen, unsere Vorstellungen 1:1 nach Afrika zu exportieren.“

Musterland Botsuana

Schon Köhlers erste größere Auslandreise galt Afrika. Im Dezember 2004 begann er mit Sierra Leone, dem ehemaligen Bürgerkriegsstaat, der nur mit Hilfe einer großen UN-Mission wieder auf die Beine kam. Vor wenigen Monaten startete der Bundespräsident die „Initiative für Afrika“ - Denkfabrik und Forum für neue Ideen, bei dem sich Reformer und Beharrer, Staatslenker und Zivilgesellschaft treffen sollen, um eigene afrikanische Reformwege zu diskutieren.

Die Staaten, die Köhler diesmal besucht, haben alle ihren eigenen Weg gefunden, um mit den Problemen Armut und politischer wie wirtschaftlicher Instabilität umzugehen. Das Musterland Botsuana ist da wohl das beste Beispiel. Die so genannte "Schweiz Afrikas“ ist auf Entwicklungshilfe nicht angewiesen. Botsuana gilt als das Vorzeigeland für eine nachhaltige und reformorientierte Politik in Afrika - der Bundespräsident wird das sicher bei seinem Besuch würdigen.

Wirtschaftliche Entwicklung in Botswana
Diamantenmine in BotsuanaBild: DPA

Kein Land auf dem Kontinent hat ein höheres Bruttoinlandsprodukt als Botsuana. Grund sind vor allem die Diamantenvorkommen. Botsuana produziert ein Drittel aller Diamanten weltweit. Und: Das Land von der Größe Frankreichs mit 1,7 Millionen Einwohnern geht mit den erwirtschafteten Profiten nachhaltig und verantwortungsvoll um. Es investiert in Infrastruktur und Sozialleistungen, in Straßen und Schulen – und nicht zuletzt vor allem auch in den Kampf gegen Aids, das die erzielten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fortschritte gefährdet. Vier von zehn Erwachsenen in Botswana sind HIV-positiv. Botsuana begegnet der an Fahrt gewinnenden Katastrophe mit einer entschlossenen Politik: Zwölf Prozent des Staatshaushalts wandern im Jahr in das Gesundheitssystem, ein Drittel in die Bildung.

Madagaskars liberaler Kurs

Botsuana gilt bereits seit Jahrzehnten als erfolgreicher Reformstaat - Mosambik und Madagaskar erst in jüngster Zeit. Für die beiden letzt genannten Staaten ist Deutschland nach wie vor ein wichtiger bilateraler Geber. Madagaskar ist Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Im Laufe des vergangenen und des laufenden Jahres stellte Deutschland 16,5 Millionen Euro zur Verfügung. Umweltpolitik, der Schutz und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen stehen im Mittelpunkt der geförderten Projekte.

Nach dem Bürgerkrieg 2001/02 erholte sich die madegassische Wirtschaft zunächst wieder. Doch tritt das Land bei der Bekämpfung der Armut auf der Stelle. Im vergangenen Jahr machte das Wirtschaftswachstum nur rund 5 Prozent aus. Mehr als zwei Drittel aller Madegassen müssen von weniger als einem Dollar pro Tag leben, das öffentliche Gesundheitssystem ist für die Mehrheit der Armen nicht zugänglich. Präsident Marc Ravalomanana setzt auf liberale Wirtschaftskonzepte – auf Infrastruktur, Bildung und Privatisierung. Horst Köhler pflegt mit ihm bereits seit seinen Tagen beim Internationalen Währungsfonds enge persönliche Beziehungen.

Große Aufgaben

Sonnenaufgang in Mosambik
Sonnenaufgang bei Maputo (Mosambik)Bild: DPA

Den Auftakt der Afrikareise aber macht Mosambik. Zum ersten Mal besucht mit Horst Köhler ein bundesdeutscher Präsident das Land. Mosambik ist immer noch von mehr als zwei Dutzend Geberländern abhängig, doch gleichzeitig gilt es als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Afrikas. Das reale Wirtschaftswachstum wird für dieses Jahr mit über 7 Prozent prognostiziert. Bei den Regierungsverhandlungen im vergangenen Jahr hat Deutschland seine Zusagen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit um rund ein Drittel erhöht. Rund 70 Millionen Euro fließen vor allem in die Schwerpunkte Bildung, Ländliche Entwicklung und Wirtschaftsreform.

Hier steht Mosambik vor großen Aufgaben. Es muss zudem die Diversifizierung seiner Wirtschaft vorantreiben, denn - abgesehen von wenigen Großprojekten, meist südafrikanischer Investoren - dominieren Landwirtschaft, Kleingewerbe und Fischerei. Die Mosambikaner hoffen deshalb auf das Interesse der Köhler begleitenden großen Unternehmerdelegation - und mehr Engagement der deutschen Wirtschaft. Wichtiger Schwerpunkt der Reise wird der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen sein.

Frage der Selbstachtung

Friedlich und demokratisch – alle drei Staaten können dieses Prädikat beanspruchen. Für Köhlers Afrikabild sind sie gute Beispiele. Er will vom "verlorenen Kontinent“ nichts wissen und vertritt vehement die Überzeugung, dass Hilfe von außen zwar notwendig, Demokratie von innen aber die Voraussetzung für Veränderung auf dem Kontinent sei. Auch darin sind die drei vorbildlich.

Afrika ernst zu nehmen, ihm die Relevanz zu geben, die ihm zusteht - das ist Köhlers politischer Auftrag, dem auch seine zweite Afrika-Reise dienen soll. Seine Überzeugung ist es, dass sich Sicherheit, Frieden und letztendlich auch der Wohlstand Europas auf Dauer nur sichern lassen, wenn Afrika eine faire Chance erhält - oder, wie er sich bei seiner Antrittsrede vor anderthalb Jahren ausdrückte: "Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas. Ist es nicht eine Frage der Selbstachtung Europas, sich mit Blick auf unsere eigenen Fundamente, unsere Werte und Geschichte in Afrika ehrlich und großzügig zu engagieren?“