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Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft

Brigitte Neumann/(fro)26. Juni 2002

In fast allen Ländern der EU haben rechtspopulistische Parteien derzeit Rückenwind – auch in Dänemark. Im neuen Film von Anders Thomas Jensen geht es um Fremdenfeindlichkeit in seinem Heimatland. Ein Interview.

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"Flickering Lights" - ein Film mit schrägen TypenBild: Rolf Konow

Europa schaut gerade gespannt nach Dänemark, das ab Juli 2002 die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Besonders interessant: Seit der Wahl im Herbst 2001 ist die liberal-konservative Minderheitsregierung auf die Unterstützung der fremdenfeindlichen Volkspartei von Pia Kjaersgaard angewiesen. "Es gibt nur eine Zivilisation – und das ist unsere.": 12 Prozent der Wähler fanden solche Wahl-Slogans gut. Kjaersgaard diktiert derzeit die Ausländerpolitik in Dänemark, die der Hamburger Rechtspopulist und Innensenator Ronald Schill kürzlich "vorbildlich" genannt hat.

Grund zur Beunruhigung?

Die Rechten sind so stark wie nie zuvor im nordischen Urlaubsland, das bisher immer als liberal galt. Regisseur Anders Thomas Jensen ist beunruhigt: "Einerseits fand die Dänische Volkspartei schon seit einiger Zeit kontinuierlich immer mehr Zuspruch, andererseits spielte sie im politischen Alltag kaum eine Rolle. Aber jetzt, seit wir die neue Regierung haben, verändert sich doch einiges. Zum Beispiel, Theater werden geschlossen, und momentan wird darüber diskutiert, wie die Filmfördergelder neu verteilt werden sollen – da kann man schon nervös werden. Was ich vor allen Dingen spüre: Im Bereich Kultur wird neuerdings jede Menge Geld eingespart."

Im Wahlkampf des vergangenen Jahres ging es der Volkspartei eher um dänisch-reine Leit-Kultur, obwohl es in Dänemark weniger Ausländer gibt als in den meisten Ländern der EU. Pia Kjaersgaard ließ Plakate drucken mit blonden Kindern und der Unterzeile: "Wenn sie in Rente gehen, sind die Muslime in der Mehrheit."

Der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten

Blinkende Lygter - Flickering Lights
Blinkende Lygter - Flickering LightsBild: Rolf Konow

Jensens Film "Flickering Light" kommt genau zur richtigen Zeit in die deutschen Kinos, jetzt wo sich viele dafür interessieren, was in Dänemark los ist. Über das unverhoffte Interesse aus dem Ausland kann sich der 32-jährige Regisseur aber nicht so recht freuen: "Mir gefällt überhaupt nicht, dass die Rechten im dänischen Parlament sitzen. Ein Grund dafür könnte auch sein, dass hier jahrelang keine politischen Filme mehr gedreht wurden. Es ging immer nur noch um private Problemchen. Aber jetzt merken viele Kollegen: es ist wichtig, seine Stimme zu erheben, und politische Filme zu machen."

Als Filmemacher kann man die Gesellschaft zwar nicht ändern, meint Jensen, aber man kann den Leuten immerhin einen Spiegel vorhalten. Und wie erklärt sich der Regisseur, dass die Rechtspopulisten in Dänemark so erfolgreich sind? "Das kennt man ja aus der Geschichte: Wenn die Leute mit ihrem Leben unzufrieden sind, brauchen sie jemanden, dem sie dafür die Schuld in die Schuhe schieben können. Da sind die Ausländer leichte Beute. Die fertigzumachen ist bequemer, als etwas am eigenen Leben zu ändern."

Gewalt in den Medien

Der fremdenfeindliche Jäger, der Protagonist in "Flickering Lights", ändert sich nicht. Im Gegenteil: Zum Schluss darf er seine Schießwut so richtig ausleben. Bilder, die unter die Haut gehen. Jensen steht zu diesen Szenen. Seine Meinung zum Thema Gewalt in den Medien: "Die Zuschauer dürfen nicht zu Automaten degradiert werden, die einen Film sehen, und dann alles nachmachen. Das Problem sind nicht die Gewaltszenen im Kino, sondern zum Beispiel, dass man so leicht an Waffen herankommt. Wenn Leute sich so leicht von Filmen oder Videospielen beeinflussen lassen würden, dann bräuchten wir nur 20 Liebesfilme nach Israel schicken, und Schluss wär’s mit der Kriegslust dort."