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Zensor, schläfst du schon?

Stefan Nestler1. August 2008

Jetzt soll es für ausländische Olympia-Journalisten doch freien Zugang zum Internet geben. Und wenn es sich die Chinesen wieder anders überlegen? Halb so schlimm!

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Ein chinesischer Beamter verhindert, dass ein Fotograf einen Polizisten ablichtet. Quelle: ap Symbolbild für Internet-Zensur, ein Verbotsschild auf einem Computerbildschirm Quelle: DW
Du erfährst hier nur, was wir wollen!Bild: AP

Lieber Zensor in Peking, ich beneide dich wirklich nicht um deinen Job. So schnell ist eine verfängliche Formulierung durchgerutscht und schon stehst du am Pranger. Weil du einen Augenblick lang nicht aufgepasst hast. Die unmittelbar bevorstehenden olympischen Spiele werden ohne Zweifel ein Fest des Sports und der Völkerverständigung, perfekt organisiert und inszeniert von den chinesischen Behörden, ein Abbild der in der Moderne angekommenen Volksrepublik. Schläfst du schon? Wir werden sportliche Helden feiern, die Rekorde purzeln lassen. Wir werden die chinesischen Athleten bejubeln, die erstmals die Medaillenwertung für sich entscheiden. Deine Augen werden schwer. Kein Dopingfall wird den Triumph trüben, weil alle Welt gesehen hat, wie entschlossen China vor den Spielen gegen die Betrüger vorgegangen ist, ein Musterbeispiel für sauberen Sport. Ich höre dich schon schnarchen. IOC-Präsident Jacques Rogge wird bei der Abschlussfeier von den besten Spielen aller Zeiten reden, sich bei Chinas Menschen bedanken, auch bei denen auf einem Hochplateau im Himalaya. War da was? Du zwinkerst mit dem Auge. Der chinesische Präsident Hu Jintao und Rogge werden sich umarmen, denn sie sind zu Freunden im olympischen Geiste geworden. Du schlummerst wieder weg. Wir werden uns erinnern an grandiose Feuerwerke, auch gegen Unschuldige, an jubelnde Kinder, an Greise, die lächelnd Fremdenführer für Olympiatouristen spielen. Kaum wahrnehmbar hat sich eben deine rechte Augenbraue bewegt, aber nur für eine Zehntelsekunde. Vollkommen zu Recht werden das Organisationskomitee der Spiele in Peking und das Internationale Olympische Komitee für den Friedensnobelpreis 2008 vorgeschlagen. Du nickst im Schlaf. In letzter Minute erinnert man sich, dass Oppositionelle vor den Spielen eingeschüchtert wurden. Aufwachen! Dass Peking 14 Tage lang eine von Sicherheitskräften belagerte Stadt war. Lebst du noch? Dass Journalisten bespitzelt, das Internet doch zensiert wurde. Du zwinkerst! Dass die Einhaltung der Menschenrechte in China weiter auf sich warten lässt. Ist ja gut, reg´ dich ab! Ich wollte dir doch nur zeigen, warum ich dich nicht um deinen Job beneide.