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Klimakiller Zement

Ralph Heinrich Ahrens19. November 2012

Die Zementherstellung braucht viel Energie und verursacht viel C02 - vier Prozent der weltweiten Emissionen. Mit der richtigen Technik lässt sich aber beides einsparen, Energie und Abgase. Ein Beispiel aus Bayern.

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Zementwerk Rohrdorf (Bild: Zementwerk Rohrdorf)
Zementwerk RohrdorfBild: Zementwerk Rohrdorf

Zementherstellung ist ein heißes Geschäft. Rohstoffe wie Kalkstein werden in einem Drehrohrofen auf 1.500 Grad Celsius erhitzt, die Abgase verlassen den Ofen immer noch mit etwa 1.000 Grad. Ein Teil der Hitze wird schon jetzt für die Trocknung und Vorerwärmung der Rohstoffe genutzt. Doch rund zwei Drittel der Energie gehen oft ungenutzt verloren.

Stromgewinnung statt Energievernichtung

Das Südbayerische Portland-Zementwerk in Rohrdorf ist jetzt effizienter und umweltfreundlicher geworden. Seit  Juni 2012 treibt die Restwärme eine Turbine an, um Strom zu gewinnen. Der Verlauf im Probebetrieb sei erfolgreich, freut sich Helmut Leibinger, Verfahrenstechniker beim Portland-Zementwerk Rohrdorf. "Wir erzeugen fünf bis sechs Megawatt elektrische Leistung." Das entspricht dem Stromverbrauch von mehr als 16.000 Haushalten – oder 30 Prozent des Strombedarfs des eigenen Zementwerkes. Durch die nahezu vollständige Verstromung kann das Rohrdorfer Zementwerk also rund 31.500 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr einsparen.

Nicht nur das: Das Zementwerk spart auch Wasser. In der Vergangenheit brauchte das Zementwerk jede Stunde rund 30 Kubikmeter Wasser - einen kompletten Swimmingpool voll - aus einem eigenen Tiefbrunnen, um das 430 Grad heiße Abgas zu kühlen. Mit der neuen Technik zur Stromgewinnung werden nur noch 35 Kubikmeter Wasser benötigt, und zwar in einem geschlossenem Kreislauf. Das Wasser braucht also nicht erneuert zu werden.

Mit der überschüssigen Abwärme des Zementwerkes wird hier in dieser Turbine der Strom erzeugt (Bild: Zementwerk Rohrdorf)
Mit der überschüssigen Abwärme des Zementwerkes wird in dieser Turbine der Strom erzeugtBild: Zementwerk Rohrdorf

Vorbild für andere Zementwerke

"Das ist ein Vorbild auch für andere Zementwerke in Deutschland und Europa“, meint Bettina Rechenberg vom Bundesumweltamt. "Wobei ich sagen muss, dass das Vorgehen sicherlich nicht eins-zu-eins auf andere Anlagen übertragen werden kann." Der Grund: Zementwerke lassen sich nicht von der Stange kaufen. Jedes Werk ist anders. Die Betriebsabläufe unterscheiden sich, ebenso die Temperaturen der Abgase. Wichtig ist auch, wie feucht die Rohstoffe sind, ergänzt Volker Hoenig, Geschäftsführer im Forschungsinstitut der Zementindustrie in Düsseldorf.

So haben die Rohstoffe in Rohrdorf einen Wassergehalt von etwa fünf Prozent. Andere Zementwerke verwenden Materialien mit höherem Wassergehalt. "Im Bereich von zehn Prozent Feuchte oder mehr muss nahezu die gesamte Abwärme für die Trocknung reserviert werden", so Hoenig. Für die Nutzung zur Stromerzeugung bliebe dann nichts übrig.

Investition rechnet sich nach zehn bis zwölf Jahren 

"Wenn die wirtschaftliche Situation dies erlauben würde", sagt Hoenig, dann hätten auch andere Zementwerke in Deutschland Wärmemengen übrig, um sie zu verstromen. Aber die Nutzung der Abwärme kostet zunächst einmal viel Geld: Das Portland-Zementwerk hat rund 31 Millionen Euro für die Abwärmenutzung zur Stromgewinnung bezahlt. Diese Investition würde sich bei einem Strompreis, der jährlich um etwa drei Prozent steigt, nach zehn bis zwölf Jahren rechnen, so Verfahrenstechniker Leibinger.

Helmut Leibinger (Bild: Ralph Heinrich Ahrens)
Verfahrenstechniker LeibingerBild: Ralph Heinrich Ahrens

Da das Zementwerk einen Zuschuss von 5,4 Millionen Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministerium erhalten hat, verkürze sich die Amortisationszeit auf etwa zehn Jahre. Selbst das ist eine lange Zeit. "Das geht nur mit Eigentümern, die nicht auf kurzfristige Rendite setzen, sondern in langen Zeiträumen denken", betont Mike Edelmann, Geschäftsführer der Rohrdorfer Gruppe.

Entwicklungsland Deutschland

Die Idee, Abwärme konsequent zu nutzen, ist nicht neu. Deutschland ist, wie auch der Rest Europas, hier ein Entwicklungsland. Anders ist es dort, wo Strom teurer ist wie in Japan oder dort, wo die Stromversorgung instabil ist wie in China. 500 Zementwerke setzen diese Technologie in den beiden Ländern bereits heute ein. "In Japan und China gilt diese Technologie im Prinzip als Stand der Technik für neue Zementdrehöfen", erklärt Hoenig vom Forschungsinstitut der Zementindustrie. "Da Stromkosten in Japan höher sind als in Deutschland, ist dieses Vorgehen dort für die Zementwerke wirtschaftlicher." China hat entschieden, dass neue größere Zementwerke diese Technologie nutzen müssen. "Es geht dabei auch um Versorgungssicherheit", erklärt Hoenig. Es sei sinnvoll, Strom zum Teil selber zu erzeugen, um auch bei Stromausfällen etwa den Drehrohrofen am Laufen zu halten.