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Zeitweiliger Sieg der Vernunft

Hans Jürgen Mayer3. Januar 2005

Die USA sind mittlerweile voll eingebunden in die Hilfsmaßnahmen für die Flutopfer in Asien. Weiterhin federführend bei der Koordinierung der internationalen Hilfsmaßnahmen sind allerdings die Vereinten Nationen.

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Hilfe der US-Navy für AcehBild: AP

Es ist nicht die große Wende der US-amerikanischen Außenpolitik im Verhältnis zu den Vereinten Nationen. Aber die Einigung zwischen Noch-US-Außenminister Colin Powell und UN-Generalsekretär Kofi Annan ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Supermacht Nr. 1 die Zusammenarbeit mit der lange von ihr verschmähten und finanziell systematisch ausgetrockneten Weltorganisation sucht. In Washington scheint man in Einzelfällen die Notwendigkeit der engeren Kooperation mit den UN zu akzeptieren, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Im Falle des Irak war es die Einsicht, dass militärische Macht allein nicht auf Dauer zur Stabilisierung der Lage im Zweistromland ausreicht. Jetzt, bei der Katastrophen-Hilfe für Asien, drohte durch massive Kritik aus dem In- und Ausland ein Image-Schaden zu entstehen. Es wirkte eben kleinkariert, wenn das mächtigste Land der Welt beim humanitären Engagement den Eindruck der Blockbildung erweckt.

Kamerawirksame Hilfe

Jedermann in Asien weiß, dass die USA die stärkste Militär-Macht im indisch-pazifischen Raum sind. Doch es macht sich besser, wenn amerikanische Flugzeugträger und überschwere Helikopter, wenigstens symbolisch mit dem Segen Kofi Annans versehen, in der Katastrophen-Region Aceh eingreifen. Behutsames Auftreten in Südostasien ist angezeigt, wo Armut den Nährboden für islamischen Fundamentalismus bietet.

USA Hilfe in Aceh Hubschrauber
Hubschrauber der USS Abraham Lincoln bringen Hilfe ins KatastrophengebietBild: AP

Nicht zu übersehen ist aber auch der Druck spendenwilliger amerikanischer Bürger, Senatoren und Abgeordneter, die ihren Unmut über die kleinliche Haltung der Bush-Administration in Sachen Katastrophen-Hilfe deutlich geäußert haben. Mickrige 15 Millionen US-Dollar bewilligte das Weiße Haus zunächst, dann wurden es 35 Millionen Dollar. Nun sind es immerhin 350 Millionen Dollar für Asien. Damit sind die Rahmenbedingungen verbessert, unter denen die Militärmacht USA in Asien kamerawirksam demonstriert, was ihr Apparat auch humanitär zu leisten vermag.

Die USA verfügen über einen weltweiten, rasch reaktionsfähigen logistischen Apparat, der zur See wie in der Luft konkurrenzlos ist. Zurzeit erscheint der Umbau dieser Militär-Maschinerie in eine ständig bereitstehende Einsatzmacht zur interkontinentalen Katastrophen-Bewältigung unter UN-Kontrolle illusorisch. Doch eben das wäre notwendig: Dann müsste ein UN-Generalsekretär nicht erst die Direktiven aus einem Weißen oder anderen Haus erbitten, damit Luft- und Seeflotten Medikamente, Lazarette, Wasser, Kleidung und provisorische Unterkünfte binnen 24 Stunden auf den Weg bringen können.

Geld genug wäre vorhanden

Die erforderlichen Finanzen gibt es - man schaue nur in die SIPRI-Jahresberichte über die Rüstungsetats weltweit hinein. Das Verpulvern dieser enormen Mittel für Weltraum-Rüstungs-Projekte oder die Entwicklung neuer, noch präziserer Kernwaffen muss aufhören. Dies gilt auch für die Verschwendung der nationalen Ressourcen durch Schwellen- und Entwicklungsländer für Rüstungswettläufe.

Noch wird viel zu sehr in den alten Kategorien der Machtpolitik gedacht. Die derzeitige Kooperation zwischen den UN und der Bush-Administration bei der Koordinierung der Katastrophen-Hilfe ist nicht die Hinwendung zu einer neuen Weltordnung. Aber die Einsicht könnte wachsen, dass es Zeit ist, die Vereinten Nationen zu dem zu machen, was als Idee am Beginn der UN-Charta stand: Eine Weltorganisation, die über den durchsichtigen Interessen von Nationalstaaten steht und als alleinige Instanz eine globale Friedensordnung durchsetzt.