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Zehn Jahre Kinderuni

Janine Albrecht11. Dezember 2012

Was als Versuch begann, ist inzwischen eine kleine Bewegung geworden. Heute bieten viele Hochschulen im Rahmen von Kinderunis Vorlesungen an. Eine Idee aus Deutschland, die weltweit Schule macht.

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Eben noch war es relativ still in den Gängen der Hamburger Universität. Doch plötzlich trampeln hunderte kleine Füße durch die Flure. Durch die großen Flügeltüren stürmen gut tausend Kinder in das Audimax, den größten Hörsaal der Uni Hamburg. Jeder will den besten Platz ergattern. Die ersten Reihen sind binnen weniger Minuten besetzt. Und auch die restlichen Stuhlreihen füllen sich schnell. Aufgeregtes Gerede und Gehampel, die Jungen und Mädchen sind voller Vorfreude. Als es dann endlich losgeht, machen sie ihrer Aufregung mit lautem Johlen und Klatschen Luft.

So einen Empfang hat Physikprofessor Robi Banerjee von der Universität Hamburg sonst nicht, wenn er den Hörsaal betritt. Einmal pro Jahr bietet die Uni diese kostenlose Vorlesungsserie für Kinder an. Heute steht im Vorlesungsverzeichnis für die 8- bis 12-Jährigen Astrophysik. "Wenn wir über Sterne sprechen, wollen wir uns erst einmal mit der Frage beschäftigen, was ein Stern eigentlich ist", beginnt Banerjee seinen Vortrag.

Kinder stürmen in den Hörsaal an der Uni Hamburg zur Vorlesung zum Thema "Wie lange lebt ein Stern?" (Foto: Arvid Mentz)
Kinderuni HamburgBild: UHH,RRZ/MCC, Arvid Mentz

"Sterne finde ich spannend"

Die Mädchen und Jungen hören ihm fasziniert zu. Neben dem Studierendenausweis, den jedes Kind bekommt, liegen auf den kleinen Klapptischen Hefte und Stifte. Viele Kinder schreiben eifrig mit, was der Professor ihnen erzählt. "So kann ich mir das besser merken", sagt die neun Jahre alte Dana, die in der ersten Reihe sitzt. Auch Moritz und sein Freund schreiben alles genau mit. Dass Sterne aus Gas und Staub entstehen, dass die Sonne vier Millionen Tonnen Material in der Sekunde verbrennt, und dass der Brennstoff in der Sonne für 10.000 Milliarden Jahre reicht. Moritz findet die Vorlesung spannend, erzählt er. Und für Sterne interessiere er sich sowieso.

"Die Universität Hamburg hat Umfragen gemacht, welche Themen diese Altersgruppe interessiert", erläutert Gaby Gahnström aus dem Organisationsteam das Konzept der Kinderuni. Aus jeder der sechs Fakultäten werde danach ein Thema für eine der sechs Vorlesungen ausgewählt. "Für die Universität ist die Kinderuni ein gutes Format, um sich der Öffentlichkeit positiv zu präsentieren", so Gahnström. Sie wünsche sich aber vor allem, dass die Kinder den Eindruck mitnehmen, dass die Uni etwas Spannendes ist und dass sie verstehen, was Wissenschaft ist.

Kinder-Vorlesung im Audimax der Uni Hamburg zum Thema "Wie lange lebt ein Stern?" Gut 1000 Kinder sitzen im Hörsaal (Foto: Arvid Mentz)
Gut tausend Kinder besuchten die Vorlesung "Wie lange lebt ein Stern?" in HamburgBild: UHH,RRZ/MCC, Arvid Mentz

Keine Konkurrenz zur Schule

Allerdings wolle die Kinderuni der Schule keine Konkurrenz machen, sondern viel mehr Interesse wecken und Wissensdurst stillen – das war auch das Ziel der Gründer der ersten Kinderuni in Deutschland. "Keinesfalls hatte der Pisa-Schock etwas damit zu tun, auch wenn das in den Medien immer wieder damit in Verbindung gebracht wird", sagt Michael Seifert, Pressesprecher der Tübinger Hochschule. Dort öffneten sich vor zehn Jahren zum ersten Mal die Hörsaal-Türen für kleine Studenten. Und von dort aus wurde auch die Idee der Kinderuniversität zu einer richtigen Bewegung. Weit mehr als siebzig gibt es mittlerweile in Deutschland. Weltweit sind es über 200 Kinderunis in mehr als 20 Ländern. Gerade hat eine kanadische Hochschule die Uni Hamburg um eine Zusammenarbeit gebeten.

Astrophysiker Prof. Robi Banerjee hält einen Vortrag vor einem Beamerfoto, das Sterne zeigt (Foto: Arvid Mentz)
Astrophysiker Robi Banerjee will die Kinder für sein Fach begeisternBild: UHH,RRZ/MCC, Arvid Mentz

Kinder für die Uni begeistern

Im Audimax sind die Kinder mittlerweile von der Sonne zum nächsten Himmelskörper gereist. Robi Banerjee nimmt sie mit in sein Fachgebiet. An der Hamburger Sternenwarte befasst er sich unter anderem mittels Computersimulationen mit der Frage, wie Sterne entstehen. Und genau das will er heute seinen jungen Zuhörern erklären. Er findet es spannend, die Kinder für die Uni zu begeistern. "Vielleicht sogar für die Astrophysik", sagt Banerjee.

Auf jeden Fall möchte er, dass auch inhaltlich etwas hängen bleibt. Dazu beamt er Aufnahmen aus dem Weltall auf die große Leinwand und wirft auch schon mal mit Fremdwörtern um sich. Doch die Kinder saugen offenbar alles förmlich auf, eine gute halbe Stunde lang. Als sie dann selber Fragen stellen dürfen, schnellen fast alle Finger nach oben. Verena möchte etwa wissen, ob auch die Erde neu entstehen kann. Ein anderes Mädchen fragt, wie Sterne leuchten. Und Lukas fragt sich, ob es im Weltall auch Bakterien gibt.

Gaby Gahnström von der Marketingabteilung der Universität Hamburg hat die Kinderuni mitorganisiert (Foto: Arvid Mentz)
Gaby Gahnström, Uni Hamburg: "Die Kinderuni ist ein gutes Format, sich der Öffentlichkeit positiv zu präsentieren"Bild: DW

Längst nicht alle Kinder können ihre Fragen loswerden. Und als die Vorlesung dann zu Ende geht, stürmen sie nicht etwa nach draußen, sondern nach vorne, um sich vom Professor ein Autogramm zu holen. Geduldig signiert Robi Banerjee die Kinder-Studentenausweise und beantwortet dabei noch viele weitere Fragen. Er freut sich über den Andrang. "Es ist einfach toll, mit so wissbegierigen Menschen zusammen zu sein. Meine Studenten stellen ja fast nie eine Frage."

Kinder schreiben während der Vorlesung der Kinderuni mit (Foto: Arvid Mentz)
Die Kinder schreiben eifrig mitBild: DW