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Ein Jahr Opel/PSA: Zahlen gut, Stimmung mies

Mischa Ehrhardt
1. August 2018

Vor einem Jahr hat die französische PSA Opel von General Motors übernommen. Der Sanierungsplan beginnt zu greifen. Das zeigt sich in jüngst veröffentlichten Zahlen. Die Unzufriedenheit unter den Opelanern aber ist hoch.

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Opel-Pk in Rüsselsheim
Bild: picture alliance/dpa/A. Dedert

Das Blatt hat sich offenbar ziemlich schnell gewendet, seit der französische Mutterkonzern von Peugeot, PSA das Ruder bei Opel übernommen hat. Vor wenigen Tagen meldete Konzernchef Carlos Tavares für Opel einen Etappenerfolg: Opel hat im ersten Halbjahr 2018 einen operativen Gewinn von gut 500 Millionen Euro erwirtschaftet. Zieht man Sanierungskosten und Steuern ab, bleiben unter dem Strich immer noch rund 30 Millionen Euro übrig - weit mehr, als Beobachter erwartet hatten.

Das neue Kapitel bei Opel begann vor genau einem Jahr: Am 1. August übernahm die französische Peugeot-Mutter PSA für 1,3 Milliarden Euro Opel von seiner bisherigen Mutter General Motors. Seither hat die Führung in Rueil-Malmaison bei Paris und in Rüsselsheim in der Tat Gas gegeben. Denn zuvor hatte Opel zwei Jahrzehnte unter der Führung von GM Jahr für Jahr hohe Verluste ausgewiesen.

Das Zauberwort heißt "Synergie"

Die Kehrtwende in der Bilanz hat gute Gründe. "Synergie" lautet einmal mehr die Zauberformel nach dem Eingliedern Opels in die PSA-Markenflotte. Um 30 Prozent sind nach Angaben von PSA die Kosten für Opel beim Einkauf gesunken; noch einmal 20 Prozent weniger kostet demnach die Fertigung, also die Produktion der Fahrzeuge. Und nicht zu vergessen sind auch Kosten in der Forschungsabteilung geschmolzen: Für Forschung und Entwicklung lagen die Synergien für Opel/Vauxhall demnach bei 25 Prozent.

Opel stellt Sanierungsplan vor
100 Tage nach der Übernahme stellte Opel den Sanierungsplan vor (links PSA-Boss Carlos Tavares mit dem neuen Opel-Chef Michael Lohscheller)Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Doch das ist nur die eine Seite eines ehrgeizigen Sanierungsplans, der bereits drei Monate nach der Übernahme in Rüsselsheim ausgerufen wurde. 3700 Mitarbeiter haben das Unternehmen bereits verlassen (müssen), die 19.000 Männer und Frauen zählende Opel-Crew wird also kräftig minimiert. Dass dies Geld kostet, liegt auf der Hand. Denn Beschäftigte, die das Unternehmen verlassen, bekommen Abfindungen, die einen Großteil der Kosten ausgemacht haben, die den erzielten Gewinn auf besagte rund 30 Millionen Euro schrumpfen ließen. Für die übrigen Beschäftigten gilt eine Beschäftigungssicherung bis 2023. Auf die haben sich Unternehmensführung und Arbeitnehmervertreter in harten Verhandlungen geeinigt. Dabei haben Opel-Chef Michael Lohscheller und PSA-Boss Carlos Tavares bislang im Rahmen ihres Sanierungskonzeptes "Pace" Wort gehalten. Sie haben begonnen, den Konzern umzubauen, ohne Standorte zu schließen und ohne betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.

Dennoch sind die Herausforderungen nach wie vor groß, vor denen Opel steht: Den operativen Gewinn von einer halben Milliarde Euro haben überwiegend Fahrzeuge eingebracht, die noch unter GM entwickelt worden sind. Und die Anzahl der Autoverkäufe von Opel ist rückläufig. Zudem stützen sie überdurchschnittlich viele Eigenzulassungen des Konzerns. In Zukunft soll die Gemeinschaft mit Peugeot-PSA Opel helfen: Der Großteil der Technik künftiger Opel wird aus dem Konzern kommen, in Kooperation mit Peugeot, Citroen und den anderen Marken des französischen Unternehmens.

Wird Opel entkernt?

Das wiederum weckt bei manchen Beobachtern die Sorge, dass Opel künftig nur noch eine Hülle sein wird für die darin steckende PSA-Technik. Ein Problem gegenüber der Konkurrenz, allen voran Volkswagen, meint Ferdinand Dudenhöffer. Er ist Experte für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. "Mit einem Skoda kaufen Sie VW-Technik, mit einem Opel künftig vielleicht nur noch PSA-Technik. Zwischen beiden aber gibt es einen Unterschied in der Wertigkeit."

Diese Sorgen teilen andere Beobachter allerdings nicht. Angesichts der Probleme von Opel sei die Gemeinschaft mit PSA womöglich der einzig gangbare Weg, um Opel überhaupt am Leben zu erhalten. "Opel wird eine eigenständige Marke in diesem Verbund sein", zeigt sich Auto-Analyst Jürgen Pieper vom privaten Bankhaus Metzler zuversichtlich. "Die Devise wird - und muss folgerichtig heißen: Soviel Eigenständigkeit wie möglich, soviel Plattform-Zusammenarbeit wie nötig."

Das scheint auch die offizielle Losung in der Führungsetage in Rüsselsheim zu sein. "Bei Opel/Vauxhall treffen Top-Technologien des Konzerns auf deutsche Ingenieurskunst. Daraus entstehen exzellente Fahrzeuge mit einem klaren Profil und emotionalen Design", erklärte Opel-Chef Michael Lohscheller zum Jahrestag der Übernahme von Opel durch PSA.

Stimmung der Mitarbeiter auf dem Gefrierpunkt

Das sehen die Beschäftigten allerdings kritischer. Erst vor wenigen Wochen platzte in die Tarifverhandlungen mit Betriebsrat und Gewerkschaften die Nachricht, dass die Konzernführung darüber verhandelt, Teile des Entwicklungszentrums in Rüsselsheim zu verkaufen. 4000 Mitarbeiter könnten davon betroffen sein. Die Verhandlungen befänden sich schon in einem späten Stadium, berichtet ein Insider.

Betriebsratschef Wolfgang Schäfer Klug, der kurz vor den Betriebsferien Anfang Juli durch diese Nachricht überrascht wurde, zeigte wenig Verständnis. Er bezichtigte die Konzernleitung der Lüge. Denn auf Anfragen der Arbeitnehmer habe die Konzernführung kurz zuvor noch verneint, solche Pläne zu hegen. So berichten Mitarbeiter auch, dass die Stimmung in der Belegschaft auf den Nullpunkt gesunken ist. Das Vertrauen zwischen Beschäftigten und Konzernführung sei zerstört, immer wieder mache das Wort von einer "Zerschlagung" von Opel die Runde. Gerade im Entwicklungszentrum seien die Beschäftigten verunsichert.

Opel hat unter der neuen Führung wohl mindestens einen Gang zugelegt - so könnte man ein Jahr nach der Übernahme bilanzieren. Allerdings hat die Konzernführung offenbar vergessen, einen Großteil ihrer Beschäftigten mitzunehmen. Das könnte für die Zukunft von Opel entscheidend sein.