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Yukos lässt US-Investoren zweifeln

Christian Schwalb, New York19. Juli 2004

Der Fall Yukos hat auch US-Investoren aufgeschreckt. Von einer Insolvenz des russischen Unternehmens wären auch sie betroffen. Größer noch ist aber die Sorge, Moskau könnte weitere Privatisierungen rückgängig machen.

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In Yukos-Tankstellen steckt auch US-GeldBild: AP

Die offiziellen Reaktionen auf den Fall Yukos in Washington zielen seit dem Beginn der Affäre fast ausschließlich auf die russische Politik. Es überwiegt das Entsetzen der Bush-Regierung über das vermeintliche Demokratie-Defizit in Russland. Allerdings geht es hintergründig um viel mehr, die Affäre wirft wichtigere Fragen für die Amerikaner auf: Sollten US-Unternehmen bei einer derart unsicheren Rechtslage weiter in den riesigen russischen Markt investieren? Und: mit wem kann die amerikanische Öl-Industrie zukünftig Geschäfte machen, nachdem der in Washington äußerst beliebte ehemalige Yukos-Chef Michail Chodorkowski von der Bildfläche verschwunden ist? Für die US-Regierung geht es beim Fall Yukos um knallharte Wirtschaftsinteressen.

Wenig Gegenliebe

Michail Chodorkowski
Michail Chodorkowski in Untersuchungshaft im Juli 2004Bild: AP

Zwar rücken auch die großen US-Medien die Politik - und damit auch die politischen Ambitionen des ehemaligen Yukos-Chefs Chodorkowski - in den Vordergrund. Aber das geht an seiner wahren Bedeutung vorbei, sagt der Energieexperte Robert Ebel, der auf die Rolle Chodorkowskis im internationalen Ölhandel verweist. Die russischen Ölexporte haben in den USA mehr und mehr Begehrlichkeiten geweckt - je weniger stabil die Ölversorgung aus dem Nahen Osten in den vergangenen Jahren schien.

Yukos hat nicht nur die russischen Öllieferungen kräftig angetrieben, die Konzernführung forcierte zusätzlich den Bau neuer privater Pipelines außerhalb des Staatsmonopols TransNaft, sagt Ebel: "Yukos wollte eigene Pipelines aufbauen nach China und nach Murmansk, wovon sich die USA viel versprochen haben. Ziel war eine private und unabhängige Infrastruktur zu errichten, ohne Regierungskontrolle. Und das ist in Moskau nicht gerade auf Gegenliebe gestoßen."

Dorn im Auge

Um so interessierter war die Regierung von US-Präsident George W. Bush, sagen Beobachter. Chodorkowski habe sich mit seinem Vorhaben viele und einflussreiche Freunde in Washington gemacht. Irgendwann habe er nur noch als alleiniger Ansprechpartner in der russischen Ölindustrie gegolten. Damit sei er vielen ein Dorn im Auge gewesen, meint Ebel.

Der damalige Konzernchef wurde in den USA zu einem Aushängeschild der neuen liberalisierten russischen Wirtschaft, während die Russen ihn als Megakapitalisten und Sprachrohr des Westens sahen. Es dürfte nicht geholfen haben, sagt Marshall Goldman von der Havard Universität, dass Chodorkowski vorhatte, Anteile des Konzerns an große US-Ölkonzerne zu verkaufen. Exxon Mobil und Chevron Texaco bewarben sich. Und angeblich hatte sogar der Vater von US-Präsident Bush, Georg Bush Senior, bei einem Besuch in Russland 2003 jeweils bei Präsident Wladimir Putin und Chodorkowski antichambriert, um den Deal zu konkretisieren.

US-Aktionärsklagen liegen schon vor

Yukos Gebäude in Moskau
Eingang des Yukos-Hauptgebäudes in MoskauBild: AP

Allerdings kann die amerikanische Regierung am Thema Yukos auch schon deswegen nicht vorbei, weil amerikanisches Privatkapital in Yukos-Aktien steckt. Goldman: "Sollte es zur Insolvenz kommen, zahlen die Anleger drauf. Aber auch die großen Kredit- und Geldgeber sind betroffen. Schließlich werden von dem, was verfügbar ist, zuerst einmal die Behörden bedient. Das heißt, es würde auch einige amerikanischen Banken und Pesionsfonds treffen, die sich unter den Gläubigern befinden."

Erste Aktionärsklagen sind bereits bei amerikanischen Gerichten angemeldet. Allerdings verblassen die drohenden Verluste an den Finanzmärkten vor einem anderen Szenario: In Washington wagt man sich die Folgen nicht auszumalen, sollte Moskau damit beginnen, Privatisierungen russischer Unternehmen wieder rückgängig zu machen. Das wäre das falsche Signal für viele amerikanische Unternehmen, die Investitionen in dem riesigen russischen Markt erwägen. Am Fall Yukos könne sich die Zukunft der amerikanischen Investitionen in Russland entscheiden, heißt es bei der Amerikanischen Handelskammer in Moskau.