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Happy birthday, Wuppertal Institut!

Gero Rueter8. September 2016

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie genießt großes Renommee und liefert weltweit Denkanstöße für mehr Nachhaltigkeit. Im DW-Interview blickt Institutsgründer Ernst Ulrich von Weizsäcker zurück.

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Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker (Fotos: Auswärtiges Amt).
Bild: Auswärtiges Amt/ Jürgen Gebhardt

Deutsche Welle: Herr von Weizsäcker, das Wuppertal Institut für Klima Umwelt und Energie haben Sie vor 25 Jahren aufgebaut und leiteten es fast zehn Jahre. Nun feiert das Institut Geburtstag und zählt zu den wichtigen Denkfabriken für eine nachhaltige Entwicklung in der Welt. Sind sie zufrieden?

Ernst Ulrich von Weizsäcker: Ich bin sehr stolz. Die Arbeit der Mitarbeiter wurde immer besser, es wurden immer mehr und das Institut hat weltweit einen erfreulichen Einfluss auf Regierungen und internationale Institutionen bekommen, zum Beispiel auf die Weltbank.

Was hat das Institut erreicht?

Wir haben eine Art von Bewusstseinsveränderung mit angestoßen. Zum Beispiel 1996 mit dem Buch "Zukunftsfähiges Deutschland". Hier wurde ausgerechnet, was man machen müsste, damit Deutschland nachhaltig und zukunftsfähig ist.

Es ging um die Verbesserung der Effizienz im Umgang mit Energie und anderen Ressourcen und andererseits um ein Stück Bescheidenheit oder Suffizienz. Das sorgte für großes Aufsehen und Frau Merkel hat es damals als Umweltministerin der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Buch wurde auch in andere Sprachen übersetzt und war ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeitsdenken.

Wichtig waren auch die Faktorüberlegungen: Mein Freund Schmidt-Bleek (Anm. d. Red.: deutscher Chemiker und Umweltforscher) sagte, wir müssen die Energie zehn Mal besser nutzen. Ich meinte damals, dass wir auf absehbare Zeit nicht mehr als einen Faktor Vier hinbekommen. Und diese Faktorüberlegungen sind dann in Programmen bei der OECD oder der UNO und in nationalen Plänen immer wieder aufgetaucht.

In der Welt gibt es inzwischen einige Denkfabriken - sogenannte Think Tanks - im Sektor der Nachhaltigkeit. Ist das ein weltweiter Trend?

Ja. Wir waren dabei unter den Früheren. In der Zwischenzeit ist auch die Wirtschaft überzeugt, dass Nachhaltigkeit sein muss. Es gibt in praktisch allen Firmen Nachhaltigkeitsberichte und dadrüber muss dann natürlich auch spezifisch nachgedacht werden - bei einer Textilfirma ist das anders als bei einer Autofirma.

Das Institut war und ist ein wichtiger Impulsgeber. Wo ordnen Sie es ein?

Wir waren nie sehr radikal. Aber trotzdem radikal genug um neue Themen aufzubauen. Und dann sind andere nachgezogen. Andere sind ein bisschen eiliger gewesen - Greenpeace zum Beispiel. Aber ich habe das Gefühl, inzwischen ist das Wuppertal Institut bei konservativen und progressiven Politikern anerkannt. Genauso wie in der breiten Öffentlichkeit.

Die Wissenschaft und die Institute klären auf und beraten die Wirtschaft und Politik. Aber der Trend zu mehr Nachhaltigkeit reicht nicht aus. Also doch kein ausreichender Erfolg?

Das ist richtig. Wenn sich die Bevölkerung weiter vermehrt - wir haben bald 7,5 Milliarden Menschen - und deren Konsumansprüche immer größer werden, dann wird die Nachhaltigkeit immer unmöglicher. Und dagegen kann auch ein Institut nicht anstinken. Es gibt also massive Trends, die man eigentlich brechen müsste. Insbesondere brauchen wir eine Stabilisierung der Weltbevölkerung.

Was muss getan werden, damit die nachfolgende Generationen noch gut leben können und mit den verfügbaren Ressourcen auskommen?

Da gibt es verschiedene Auffassungen. Ich denke an Fortschritte in der Energieproduktivität. Das heißt, dass man aus einer Kilowattstunde oder aus einem Fass Öl zehn Mal bis zwanzig Mal so viel Wohlstand heraus kitzelt.

Ähnlich wie bei der Erhöhung der Arbeitsproduktivität und der Löhne in den letzten 150 Jahren kann das Hand in Hand gehen.

Wenn ich jetzt jedes Jahr die Energie um so viel Prozent teurer mache wie im abgelaufenen Jahr die Effizienz zugenommen hat, dann hätte man das gleiche Ping Pong wie bei der Arbeitsproduktivität und hätte dann vielleicht nach hundert Jahren eine Verzehnfachung der Effizienz. Und damit wäre dann auf einmal der ökologische Fußabdruck eines Landes erheblich kleiner als heute. Das wäre der große Durchbruch!

… also Energiesteuern als Instrument?

Ja. Man sollte sich auf nationaler Ebene einigen. Ich halte das auch innerhalb der EU oder international für machbar. Anlässlich der Pariser Klimakonferenz saßen im letzten Dezember Weltbank, Gastgeber Françoise Hollande und Angela Merkel zusammen und warben für eine globale Allianz zur Verteuerung von CO2-Emissionen. Das war eine neue, vernünftige Geschichte. Nur dann kommen sofort die Bremser, die Amerikaner, Russen und Saudis und sagen, das kommt überhaupt nicht in Frage. Es muss also Pionierländer geben - dazu können Deutschland, Japan, China und andere gehören.

Nun feiert das Wuppertal Institut Geburtstag. Welche Wünsche haben Sie?

Dass es noch mehr Gehör bekommt und viele Erkenntnisse in das Handeln von Konzernzentralen, Parteizentralen und bei Bürgern einfließt und zur Selbstverständlichkeit wird. Und dass das Land Nordrhein-Westfalen als großzügiger Förderer den notwendigen Strukturwandel beschleunigen kann und wieder technologisch an die Spitze kommt.

Professor Ernst Ulrich von Weizäcker baute das Wuppertal Institut für Klima Umwelt und Energie vor 25 Jahren auf und leitete es fast zehn Jahre. Von Weizsäcker ist Präsident vom Club of Rome, war als SPD-Abgeordneter Umweltexperte im deutschen Bundestag, schrieb zahlreiche Bücher, erhielt viele Auszeichnungen und zählt zu den wichtigsten Vordenkern in der Welt für eine nachhaltige Entwicklung.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie erforscht Strategien zu einer nachhaltigen Entwicklung. Im Zentrum stehen Ressourcen- Klima- und Energieherausforderungen in ihren Wechselwirkungen mit Wirtschaft und Gesellschaft.

Das Interview führte Gero Rueter.