Wulff - "Eine fast tragische Geschichte"
8. Januar 2012Beim Blick in die Sonntagspresse erscheint es fraglich, ob sich Bundespräsident Christian Wulff im Amt halten kann. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (08.01.2012) berichtet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Philipp Rösler in engem telefonischem Kontakt stünden, was eine Nachfolgeregelung im Falle eines Rücktritts von Christian Wulff anbelangt. Das Blatt beruft sich dabei auf die FDP-Führung. Fraglich ist, ob die Liberalen damit nur von den eigenen Problemen ablenken wollen oder ob sie der Kanzlerin so ein weiteres Problem bereiten.
Kein Plan B
Der andere Koalitionspartner tritt den Spekulationen offiziell entgegen. CSU-Chef Horst Seehofer wies im Deutschlandfunk die Berichte über eine in Vorbereitung befindliche Nachfolgeregelung zurück. Es existiere kein Plan B dafür, dass Wulff doch zurücktreten müsse, sagte Seehofer im Interview der Woche des Deutschlandfunks. "Den gibt es nicht, ausdrücklich: Nein!"
Inzwischen wird auch die SPD etwas aktiver, was Wulff angeht. Zunächst in Person von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Bundeskanzlerin Angela Merkel solle in der Causa eine eindeutige Stellungnahme abgeben, sagte Steinmeier dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Merkel habe Wulff als Staatsoberhaupt durchgesetzt und könne jetzt nicht so tun, als gehe sie die Angelegenheit nichts an. Merkel hatte auch in der zurückliegenden Woche nur ihre Regierungssprecher Statements abgeben lassen.
Neuwahlen nach einem Rücktritt?
Vor dem Hintergrund agiert nun auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mutiger. Ihre neue Idee: Neuwahlen bei einem Präsidentenrücktritt. "Wenn nach Horst Köhler noch einmal ein Bundespräsident zurücktritt, müsste es Neuwahlen geben", sagte Nahles der Zeitung "Bild am Sonntag". Grünen-Chefin Claudia Roth forderte die Kanzlerin auf, sich in einem solchen Fall um einen gemeinsamen Kandidaten von Regierung und Opposition zu bemühen. Der "Welt am Sonntag" sagte Roth, sollte die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten nötig werden, erwarte sie, dass Merkel "auf die politischen Kräfte in diesem Land zugeht mit einem wirklichen Interesse an einem überzeugenden und glaubwürdigen gemeinsamen Kandidaten für das Schloss Bellevue". Der von SPD und Grünen im vergangenen Jahr nominierte Joachim Gauck wäre "ein idealer Bundespräsident gewesen", fügte Roth hinzu. "Aber die Kanzlerin hat leider machtstrategisch agiert, und ich kann sie nur warnen, dies wieder zu tun."
Vom Präsidenten selbst ist zu hören, er sei weiter entschlossen, sein Amt nicht aufzugeben. "In einem Jahr ist das alles vergessen", habe er auf einem Neujahrsempfang am vergangenen Freitag für seine Mitarbeiter gesagt. Wie die "Bild am Sonntag" weiter berichtet, treibt Wulff mit seinem Staatssekretär Lothar Hagebölling die Planungen für das neue Jahr voran. Besonders im Fokus stehe dabei der Empfang für die Angehörigen der Opfer des Zwickauer Neonazi-Trios am 23. Februar.
Regisseur Wedel schwärmt: ein toller Stoff
Was den Kern der Affäre angeht, den "Zauberkredit", wie er in manchen Zeitungen genannt wird, so gibt es keine neuen Erkenntnisse. Über die Anrufe des Präsidenten weiß man einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge inzwischen, dass auch Springer-Chef Mathias Döpfner eine Nachricht des Staatschefs auf seiner Mailbox vorfand. Fest steht bislang nur: Fortsetzung folgt. Vielleicht sogar im Fernsehen oder im Kino. Regisseur Dieter Wedel sagte, dies sei "ein toller Stoff, der sehr viel über unsere Gegenwart erzählt, eine fast tragische Geschichte".
Autor: Marko Langer (mit rtr, dpa, dapd, afp)
Redaktion: Eleonore Uhlich