In kalten Winterzeiten ist für viele Menschen ein Bad in der mit warmem Wasser gefüllten Wanne die Wonne. Bei Paaren beliebt ist nicht nur die Wonne in der Wanne, sondern auch der Wonnemonat Mai.
Die Zeichnung einer Werbeanzeige zeigt eine volle Badewanne. Darin liegt wohlig lächelnd ein Mann. Seine Augen sind geschlossen. "Meine Wanne ist eine Wonne", denkt er. Zumindest lautet so der Text, der uns in Form einer Gedankenblase die Botschaft überbringt, wir sollten es ihm gleich tun, und uns von einem Fachbetrieb des Handwerks eine ebensolche Oase des Glücks und der Zufriedenheit installieren lassen.
Wonnige Wanne
In dieser Oase des Glücks – der Wanne – könnten wir dann kurz über das lautmalerische Spielen mit den Buchstaben "a" und "o" bei Wanne und Wonne nachdenken. Beide Vokale sind in unserem Fall Morpheme – die kleinste Bedeutung tragende Einheit einer Sprache. Tauschen wir einen der beiden Buchstaben aus, ändert sich die Bedeutung.
Die Wanne ist eine Ortsbeschreibung, die Wonne eine Zustandsbeschreibung. In unserem Fall ist der Mann in seiner Wanne, die ihm zur Wonne wird, zufrieden. Auch ein Monat im Jahr verspricht besondere Zufriedenheit und Glück: der Wonnemonat Mai. Die ursprüngliche Bedeutung war jedoch eine andere.
Der Wonnemonat
Der wunnimānod – althochdeutsch für Weidemonat – war einer der Monatsnamen gewesen, die Karl der Große im achten Jahrhundert einzuführen versuchte. Im Monat Mai konnte das Vieh wieder auf die Weiden getrieben werden. Als Monatsname konnte sich der Wonnemonat – so wie es Karl der Große wollte – nicht durchsetzen.
Wunnimānod und Wonnemonat sind zusammengesetzte Substantive. Komposita. Das Grundwort ist manot beziehungsweise monat. Die Bestimmungswörter wunni und wonne haben, was ihre Bedeutung als kalendarische Einheit angeht, eine erstaunliche Geschichte aufzuweisen. Irgendwann in althochdeutscher Zeit hat sich nämlich das Wort wunja – das Wort für junge Weidentriebe, die von Vieh gerne gefressen wurden – in zwei Bedeutungen gespalten. Die eine ist Gras, Weideland und Weideplatz, die andere Freude, Glück, Vergnügtheit, Lust.
Oh, du schöne Augenweide!
In Ortsbezeichnungen findet sich noch heute das alt- beziehungsweise mittelhochdeutsche wunne für Weide wieder. Zum Beispiel die Stadt Wunnenstein im württembergischen Bottwartal wie auch der namensgleiche Wunnenstein, ein knapp 400 Meter hoher Berg im Landkreis Ludwigsburg,
Der Viehaustrieb im Mai war früher ein Anlass zur Freude, zur Wonne, der in zahllosen Liedern und Gedichten besungen wurde. Der Ort selbst, die Weide, galt als schöner Ort, als Idylle, als wonniger Anblick, ja als eine Augenweide. In der Tat hat dieser Ausdruck hier seinen Ursprung.
Ein wonniger Pfropfen
Später dann galt als Augenweide das junge Mädchen, die Frau, deren Anblick den Burschen Wonneschauer über den Rücken jagte. Das Wort Wonne ist in heutiger Sprache nur noch wenig vertreten. In der alljährlich wiederkehrenden Floskel vom Wonnemonat Mai, der bei vielen Paaren als Heiratsmonat beliebt ist, bleibt uns Wonne – rein sprachlich – erhalten. In Ausdrücken wie "Mit Wonne werde ich ihm meine Meinung offen ins Gesicht sagen" begegnet uns Wonne in negativ-ironischer Bedeutung.
Während wonnig oder gar wonniglich inzwischen als etwas altmodisch angesehen werden, hat sich der Ausdruck Wonneproppen erhalten – als Kosewort für wohlgenährte, freundlich glucksende, fröhliche Babys, die der ganze Stolz ihrer Eltern sind. Der Proppen ist übrigens die mundartliche Form von Pfropfen, die sich merkwürdigerweise überregional als Wonneproppen durchgesetzt hat.
Der Wonneproppen in der Wonne-Wanne
Soll so ein Wonneproppen in die Wanne gesetzt und gebadet werden, gibt es allerdings keine Garantie, dass er oder sie dies auch als Wonne empfindet. Außer vielleicht er oder sie ist im Wonnemonat Mai geboren.
Fragen zum Text
Karl der Große wollte als Monatsnamen einführen: …
1. Wonnemonat.
2. Wannenmonat.
3. Wunnemanot.
Der Mai ist als Monat beliebt, um zu …
1. heiraten.
2. umzuziehen.
3. das Vieh von der Weide zu treiben.
Ein Wonneproppen ist …
1. ein verliebter Mann.
2. eine dicke Frau.
3. ein wohlgenährtes Baby.
Arbeitsauftrag
"Meine Wanne ist eine Wonne" – Denken Sie sich Werbesprüche für ein Produkt Ihrer Wahl aus. Stellen Sie sie anschließend Ihrer Klasse vor.
Autor: Michael Utz
Redaktion: Beatrice Warken