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Wolff: "Mehr erreicht als gedacht"

Bernd Riegert15. Dezember 2012

Top oder Flop? Der Euro-Spezialist und Ökonom Guntram Wolff von der Denkfabrik "Bruegel" beurteilt im Interview mit der Deutschen Welle die Beschlüsse des EU-Gipfels in Brüssel. Seine Kritikpunkte sind überschaubar.

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Guntram Wolff, Deputy Directors des Brüsseler Thinktanks Bruegel. Copyright: privat via Daphne Grathwohl, DW Brüssel
Guntram WolffBild: privat

Deutsche Welle: Herr Wolff, EU-Präsident Herman Van Rompuy hat gesagt, das Schlimmste an der Krise sei vorbei. Auch die anderen Teilnehmer am EU-Gipfel waren ein bisschen vorweihnachtlich entspannt. Kann man sich jetzt tatsächlich Zeit lassen, Entscheidungen sind ja verschoben worden?

Guntram Wolff: Jetzt sollte man auf jeden Fall erst einmal Ferien machen. Ich würde sagen, dass man schon einiges erreicht hat in diesem Jahr. Seit dem Sommer sind einige Weichen gestellt worden, die in die richtige Richtung gehen. Da möchte ich die gemeinsame Bankenaufsicht betonen. Das ist ein zentrales Projekt. Das ist sicher das wichtigste föderale Projekt der Europäischen Union seit der Gründung der gemeinsamen Währung, seit dem Euro. Ein ganz, ganz wichtiger Schritt, der da erreicht wurde. Und da bin ich auch sehr zufrieden insgesamt. Ich denke, man sollte auch zufrieden sein mit der "bank resolution", also der Behörde für Banken-Umstrukturierung. Da hat man mehr erreicht, als ich dachte. Es ist klar geschrieben worden, dass es eine einzelne Behörde geben soll, die auch die entsprechenden Ressourcen hat. Die Themen sind offen und klar angesprochen worden und jetzt auf dem Tisch. Auf der Bankenseite hat man also ziemlich viel erreicht in diesem Jahr.

Man hat jetzt nicht nur die Aufsicht, man weiß, was schiefläuft, sondern man kann dann im Notfall Banken auch auflösen oder rekapitalisieren, je nachdem was notwendig ist?

Das ist richtig. Man kann Banken auflösen, man kann Banken umbauen und man kann Banken im Notfall rekapitalisieren. Das erste Ziel soll immer sein, dass man die Kosten für den Steuerzahler minimiert. Das möchte man erreichen, indem man die Industrie zahlen lässt. Die Finanzindustrie soll in einen Fonds einzahlen. Und man möchte sicher auch neue Instrumente schaffen, um die Gläubiger von Banken besser drannehmen zu können, wenn es sein muss. Die Diskussion geht weiter und da werden wir 2013 auch große Fortschritte machen.

Was ist beim Gipfeltreffen nicht so gut gelaufen?

Ein bisschen enttäuschend war das Gipfelergebnis bei der so genannten Fiskal-Kapazität oder Euro-Zonen-Budget. Da hat jeder auch einen anderen Begriff. Ich denke mittelfristig ist klar, dass eine Währungsunion, die funktionieren soll, auch ein gemeinsames Budget braucht. Das muss nicht sehr groß sein, aber gewisse fiskalische Ressourcen sind notwendig. Das war übrigens auch den Gründungsvätern der Währungsunion schon völlig klar. Wenn Sie sich die Archive anschauen der 1980er Jahre, wird das da schon klar diskutiert. Das Grundproblem ist also da. Diese Diskussion kann man, glaube ich, nicht vom Tisch schieben. Die wird wiederkommen. Es ist jetzt ein wenig auf die Bremse getreten worden, verständlicherweise, aber das Thema wird zurückkommen.

Bundeskanzlerin Merkel stand auf der Bremse, aber auch andere Staaten wie die Niederlande oder Finnland fanden das nicht so toll, weil sie nämlich irgendwann einzahlen müssen in diesen Fonds. Wie soll dieser Fonds, diese Faszilität, diese Einrichtung eigentlich funktionieren?

Ich glaube, ein Grund dafür, dass man jetzt noch keinen Fortschritt gemacht hat, ist der fehlende Konsens darüber, was eigentlich benötigt wird. Es gibt ganz unterschiedliche Vorstellungen. Die Einen denken, man sollte ein gemeinsame Arbeitslosenversicherung schaffen. Die Anderen denken, man sollte kleinere Transferzahlungen für Strukturreformen haben. Die Dritten denken, man braucht Ressourcen, um die größten Konjunkturdellen abzufedern. Wir sind da wirklich noch in einer Phase, in der reflektiert werden muss, was sind eigentlich die zentralen Elemente, die der Euro-Raum wirklich benötigt? Ich denke, wichtig ist es im Falle eines massiven Schocks ein Instrument zu haben, um Ländern zu helfen. Für kleinere Schocks braucht man diese Instrumente nicht, sondern dann, wenn wirklich massive Rezessionen auftreten, die durch die Bilanzprobleme bei Unternehmen verursacht werden. Es ist natürlich so, dass dies ein ideales Instrument ist, das irgendwann geschaffen werden soll. Was macht man aber in der aktuellen Situation? Da müssen wir dann auch zu einer ehrlichen Analyse kommen wie im Falle Griechenlands. Da müssen wir feststellen, dass Griechenland es alleine nicht stemmen wird und nicht schaffen wird. Da muss man dann zu der Entscheidung kommen, in Griechenland umzustrukturieren oder weitere Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Ähnliche Fragen werden sich, nicht in der gleichen Größenordnung, aber doch auch irgendwann in Spanien stellen.

Geht das alles schnell genug? Wird da auch auf Wahltermine Rücksicht genommen? Man hat doch immer das Gefühl, das müsste alles sehr viel schneller gehen, schließlich sind wir noch mittendrin in der Krise.

Natürlich möchte man alle Probleme über Nacht lösen. Das geht aber auch nicht, weil die Probleme sehr, sehr groß sind. Ich denke, dass ist ein sehr kompliziertes System in Europa. Das wird dauern, bis wir das alles sortiert haben. Die nächsten zwei Jahre sind wir damit noch beschäftigt.

Dr. Guntram B. Wolff ist der stellvertretende Direktor der Denkfabrik "Bruegel" in Brüssel. Der Ökonom ist Fachmann für Regierungsführung in der Euro-Zone. Vor seiner Forschungs- und Beratungstätigkeit für "Bruegel" arbeitete Wolff in der EU-Kommission und bei der Bundesbank. Er berät u.a. den französischen Premierminister.