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Wohin mit dem Atommüll?

Suzanne Krause 29. Oktober 2008

Knapp 80 Prozent des Stroms in Frankreich stammt aus Atomkraftwerken - damit steht das Land weltweit auf Platz eins. Doch die Kraftwerke produzieren bloß nicht nur Strom, sondern auch Atommüll, der entsorgt werden muss.

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Symbolbild Radioaktivität Polonium
Bei der Erzeugung von Strom in Atomkraftwerken bleibt strahlendes Material übrig. Wohin damit?Bild: AP Graphics

Das unterirdische Forschungslabor liegt in 500 Meter Tiefe im lothringischen Bure, knapp 50 Kilometer westlich von Nancy. Hier wird erforscht, wie ein Endlager für hochstrahlenden Atommüll sein sollte: im 130 Meter dicken Tongestein, das sich vor 150 Millionen Jahren formierte.

Hier solle der Atommüll eingelagert werden, sagt Marc-Antoine Martin, Pressesprecher der Andra, einer Organisation, die für die Entsorgung und Endlagerung anfallender radioaktiver Abfälle zuständig ist. „Denn so sind wir nach oben und nach unten je von einer maximalen Schicht Tongestein umringt. Dieses Tongestein soll die Barriere zwischen dem Atommüll und Mensch und Umwelt bilden.“

Die Gänge in der unterirdischen Forschungsanlage sind insgesamt 400 Meter lang und hell erleuchtet. In einem Gang graben Arbeiter mit Maschinen weiter in den Berg hinein, in einem anderen stehen Messgeräte für wissenschaftliche Experimente. Mit diesen Experimenten bestimmen die Forscher die Stabilität des Gesteins oder seine Fähigkeit, Wärme zu leiten. Die Ingenieure sind jetzt schon der Ansicht: Bure eignet sich als Endlager.

Auf der Suche nach einer Lösung

Das künftige Technologiezentrum der ANDRA für atomare Endlagerung in Saudron/Lorraine/Frankreich (Innenansicht), (23.10.08/Suzanne Krause)
Das Atommüll-Aufkommen soll langfristig verringert werden. Wissenschaftler forschen derzeit an der vierten Generation an Atomkraftwerken: Schnelle Brüter.Bild: Suzanne Krause

Doch die geologische Endlagerung ist nicht die einzige Möglichkeit, atomaren Müll zu entsorgen. In dem französischen Atommüllgesetz von 2006 werden verschiedene Forschungsrichtungen vorgegeben, die herausfinden sollen, wie Atommüll optimal entsorgt werden könne. Die endgültige Entscheidung werde erst 2015 fallen, sagt Pierre-Franck Chevet, Generaldirektor der Abteilung Energie und Klima im Umweltministerium.

„Mittelfristig, bis 2020, 2030, wird die Separierung, Aufspaltung und die Transmutation von hochstrahlendem Müll angestrebt. Soll heißen: die Menge an hochaktiven Abfällen soll in bestimmten Installationen verringert werden“, erklärt Chevet. Eine andere Idee sei, ein Zwischenlager einzurichten, um herauszufinden, wie sich Atommüll verhalte. Das sei aber keine dauerhafte Lösung.

Um die Mengen an Atommüll zu verringern, setzen die Wissenschaftler auf die übernächste - die vierte - Generation an Atomkraftwerken: Schnelle Brüter. Noch sind sie aber technisch nicht ausgereift.

Bure als französischer Atommüllplatz?

Demonstranten des Kollektivs "Stop Bure" vor dem unterirdischen Forschungslabor für eine Endlagerstätte für hochradioakiven Müll, in Bure/ Lorraine/ Frankreich. (23.10.08/Suzanne Krause)
Die Heimat soll nicht zur Atom-Mülldeponie Frankreichs werden - dafür demonstrieren Anhänger der Vereinigung "Stop Bure".Bild: Suzanne Krause

Der Gedanke, Atommüll zu vergraben, treibt nicht nur Umweltschützer auf die Palme. Das Gesetz schreibt vor, dass die dauerhafte geologische Endlagerung mindestens 100 Jahre lang umkehrbar sein solle. Das beruhigt Michel Marie vom Kollektiv „Stop Bure“ aber nicht. Mit einem knappen Dutzend Gleichgesinnter demonstriert er vor den Toren des Forschungslabors. Sie kämpfen dagegen, dass ihre Heimat zum Atommüllplatz Frankreichs verkommt.

Denn in der strukturschwachen Gegend existieren bereits zwei nukleare Endlager für schwach- und mittelstrahlenden Müll. Die Regierung sucht derzeit für diese Abfallkategorie einen dritten Standort. Für den hochstrahlenden Müll muss bis 2015 ein Standort gefunden werden. Im Jahr 2025 will Frankreich sein künftiges Endlager für hochstrahlenden Müll in Betrieb nehmen.

Zwar heißt es offiziell, dass dieser Standort nicht das derzeitige unterirdische Forschungslabor sein werde. Aber Michel Marie ist skeptisch. „Alle zwei Jahre machen die Verantwortlichen einen Sprung auf die nächsthöhere Ebene. Wir Anwohner haben den Eindruck, nach und nach immer mehr in einer Art Trichter zu landen.“ Alles gehe in die Richtung, den Atommüll zu vergraben, sagt er. Und befürchtet, dass bald auch von der Umkehrbarkeit der geologischen Endlagerung keine Rede mehr sein werde.