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Wo alles anfing

Karen Fischer5. April 2003

Der Irak-Krieg hält die Welt in Atem. Was durch die Kampfhandlungen oft vergessen wird: Ein unendlicher Reichtum an kulturellem Erbe liegt unter dem Wüstensand begraben.

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Mesopotamischer Turm bei BabylonBild: AP

Vor Tausenden von Jahren entwickelten sich im heutigen Irak die ersten Hochkulturen. Hier wurden Menschen das erste Mal sesshaft, gründeten Städte und häuften Kunstschätze an. Wenn man aber einen Blick auf die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO wirft, ist unter Irak nicht viel zu finden. 1985 wurde die Stadt Hatra, Hauptstadt eines mesopotamischen Kleinfürstentums im Arsakidenreich, in den Bestand der schützenwerten Kulturstätten aufgenommen. Dabei blieb es bisher.

Ruinen der alten Stadt Hatra im Irak
Die Ruinenstadt Hatra nördlich von BagdadBild: AP

"Das hängt natürlich mit der politischen Situation zusammen", sagt der Heidelberger Archäologie-Professor Peter Miglus, der selbst im Irak Ausgrabungen gemacht hat, im Gespräch mit DW-WORLD. Außerdem würde man von vielen historischen Stätten nicht viel sehen können, da sie im Wüstensand versteckt lägen. "Das ist nicht sehr spektakulär, man sieht nur riesige Hügel und Schutthaufen".

Bürokratie geht vor

Der UNESCO sind ohnehin die Hände gebunden. Sie kann nur dann Kulturstätten in die Liste des Weltkulturerbes aufnehmen, wenn das jeweilige Mitgliedsland den Vorschlag dazu macht. Und das geht so: Das Land muss zunächst eine provisorische Liste möglicher Kulturstätten einreichen. Dann kann der UNESCO ein konkreter Nominierungsvorschlag unterbreitet werden, der anschließend von der UNESCO-Auswahlkommission geprüft wird.

Seit dem letzten Golfkrieg hat sich der Irak in dieser Hinsicht nicht gerührt, doch das kann sich bald ändern: "Im Jahr 2000 hat der Irak eine provisorische Liste von sieben Stätten eingereicht, die er nominieren will", sagt Giovanni Boccardi, der die arabischen Länder für das Weltkulturerbe-Programm der UNESCO betreut, gegenüber DW-WORLD. Natürlich sei die lange Funkstille auch auf die aktuelle Situation zurückzuführen. Der Irak sei nach 1991 kein aktiver Teil der internationalen Völkergemeinschaft mehr gewesen.

Die Pyramiden können nicht mithalten

Nach dem letzten Golfkrieg versank das Land im Chaos. Es kam zu Raubgrabungen in Ruinenstädten, Museen wurden geplündert und die uralten Fundstücke wurden auf dem westlichen Kunstmarkt zu Geld gemacht. "Es ist wirklich eine tragische Sache für das kulturelle Erbe. Und das betrifft nicht nur den Irak, sondern die ganze Menschheit", betont Archäologe Miglus. Die archäologischen Reichtümer der früheren Hochkulturen im Irak seien einmalig. Selbst Ägypten könne einem Vergleich nicht standhalten.

Die Autoren und Historiker Peter Priskil und Beate Mittmann wollten selber herausfinden, wie es um die Kulturschätze des Iraks bestellt sei. Vor Ort recherchierten sie, welche Schäden der Golfkrieg hinterlassen hatte. Auch das UNESCO-Kulturerbe Hatra war betroffen. Tiefflieger und Bombeneinschläge in der Nähe haben die Stätte erschüttert und zu Rissen im Mauerwerk geführt. "Das Selbstbewusstsein des irakischen Volkes gründet sich vor allem auf dessen langer Geschichte", erklärt Priskil. "Daher ist die Beschädigung des Kulturerbes auch ein gezielter Schlag gegen das Selbstbewusstsein der Irakis."

Ruinen löschen den Durst nicht

Neuerliche Gefahr droht den Kulturgütern durch ein Staudammprojekt der irakischen Regierung. Rund 300 Kilometer nördlich von Bagdad soll der Tigris aufgestaut werden. Der entstehende See würde das Ruinenfeld von Assur unter sich begraben. 2500 v. Chr. entwickelte sich Assur, Hauptstadt des Assyrerreiches, zum Zentrum Mesopotamiens.

Die Grabungen dort sind noch lange nicht beendet, Archäologen vermuten noch viele Schätze in den Trümmern. Zwar arbeiten einige irakische Teams in dem potentiellen Überflutungsgebiet, "eine ausländische Beteiligung ist wegen der jetzigen Situation jedoch problematisch", bedauert Archäologe Miglus.