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Temperaturen in Europa höher als je zuvor

2. Dezember 2020

Das Jahr 2020 dürfte laut der Weltwetterorganisation eines der drei wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen werden. Einen Negativrekord erreichte Europa. Unser Planet ist kaputt, warnt der UN-Generalskretär.

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Zwei Feuerwehrleute versuchen die Waldbrände in Hatay zu löschen
Dürre und hohe Temperaturen fachen Waldbrände an, wie hier im Oktober in der TürkeiBild: Ozan EfeogluAA/picture-alliance

Hitze in Sibirien, Eisverlust an den Polen, Überschwemmungen in Afrika  und Asien, Dürre in Südamerika: Die Klimakrise geht 2020 unvermindert weiter. Für Europa lag die Durchschnittstemperatur in den ersten zehn Monaten dieses Jahres sogar höher als je zuvor, berichtet die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in ihrem vorläufigen Report über den Zustand des Klimas 2020.

Allgemein dürfte laut ihrer Analyse 2020 eines der drei wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts werden. Klar sei schon jetzt, dass die letzten sechs Jahre die wärmsten seit Messbeginn gewesen seien. Der Temperaturrekord wurde 2016 mit plus 1,2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erreicht.

Extreme Erwärmung in Sibirien - und nicht nur dort

Die jetzigen Vorhersagen beziehen sich auf Messungen von Januar bis Oktober. In diesen Monaten lag die globale Durchschnittstemperatur um 1,11 bis 1,23 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900.

Ein Waldarbeiter hilft, einen Waldbrand in der Region Krasnoyarsk zu löschen
Auch in Sibirien gab es in diesem Jahr WaldbrändeBild: via Reuters

Besonders drastisch waren die Messergebnisse nördlich des Polarkreises in Sibirien: Die Temperatur lag dort von Januar bis Oktober mehr als fünf Grad über dem Durchschnitt von 1981 bis 2010. Außer in Europa war es nach Angaben der WMO auch im Südwesten der USA, im Westen Südamerikas und in Teilen Zentralamerikas sehr warm. Kühlere Temperaturen als im Durchschnitt erlebten dagegen Kanada, Teile Brasiliens, Nordindien und Südostaustralien. 

Globaler Meeresspiegel steigt weiter

Der mittlere globale Meeresspiegel  steigt seit Beginn der Messungen 1993, um durchschnittlich 3,3 Millimeter im Jahr, so die WMO. Ein leichter Rückgang 2020 sei - wie schon 2011 - wahrscheinlich auf La Niña zurückzuführen, aber am langfristigen Trend ändere das nichts.

Während der La Niña-Monate fällt mehr Regen in tropischen Flussgebieten als über dem Meer, was den mittleren Meeresspiegel global vorübergehend senkt. Üblicherweise sorgt das alle paar Jahre auftretende Wetterphänomen für Temperaturabkühlungen. In diesem September allerdings habe La Niña nicht zu einer niedrigeren Weltdurchschnittstemperatur beitragen können, so die WMO. 

Treibeis vor dem Gletscher Negribreen in Spitzbergen
Eisschollen vor Spitzbergen: Die weltweite Eismasse schrumpftBild: picture-alliance/robertharding

Einer der Gründe für den Anstieg des Meeresspiegels  ist schmelzendes Eis in der Nähe von Nord- und Südpol. Sorge bereitet der WMO vor allem die Arktis. Dort war die Ausdehnung des Meereises in den Monaten Juli und Oktober so gering wie nie zuvor seit Beginn der Messungen, berichtet die Weltwetterorganisation. Seit Mitte der 1980er-Jahre würden die Temperaturen dort mindestens doppelt so schnell steigen wie im globalen Mittel.

CO2-Konzentration sorgt für steigende Wasserpegel

Der Meeresspiegel steige auch, weil die wachsende Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zu überschüssiger Energie im Erdsystem führe, die zu einem großen Teil von den Ozeanen absorbiert wird, erläutern die Experten der WMO. Das Meereswasser werde dadurch wärmer und dehne sich aus. 

Infografik Vergleich CO2 und Temperatur 1850-2020 DE

Auf das Fortschreiten der Klimakrise deutet auch die extreme Hurrikan-Saison im Nordatlantik: In diesem Jahr gab es laut WMO so viele starke Stürme wie nie zuvor. Während Teile Afrikas und Asiens starken Regen und Überschwemmungen erlebten, litt Südamerika unter schwere Dürren.

Klimakrise bedroht Weltnaturerbestätten 

Wie die Weltnaturschutzunion (IUCN) berichtet, ist der Klimawandel zur größten Bedrohung der Weltnaturerbestätten weltweit geworden. Mittlerweile verzeichnet demnach ein Drittel der Gebiete eine "hohe oder sehr hohe Bedrohung". 2014 war das erst bei einem Viertel der Fall. Auch die Corona-Pandemie mache sich bemerkbar, überwiegend negativ, so die IUCN. Ohne Touristen fehle vielerorts Geld für Ranger in Nationalparks, und illegale Aktivitäten blühten auf. 

Tote Geweihkoralle Acropora im australischen Great Barrier Reef
Und so sehen abgestorbene Korallen aus, die anderen Arten keinen Lebensraum mehr bietenBild: Imago Images/imagebroker
Intakter Teil des Great Barrier Reef vor Autralien
So sieht ein intaktes Korallenriff ausBild: Kyodo/dpa/picture-alliance

Alarm schlagen die Wissenschaftler insbesondere beim größten Korallenriff der Welt, dem Great Barrier Reef vor Australien. Die Überlebensaussichten des extrem artenreichen Riffs beurteilt die IUCN nun als "kritisch". Zum Absterben der Korallen führe dort neben der Erwärmung des Wassers auch die Versauerung der Meere.

"Selbstmörderisches" Versagen der Menschheit

UN-Generalsekretär António Guterres hat der Weltgemeinschaft ein "selbstmörderisches" Versagen bei der Bekämpfung der Erderwärmung vorgeworfen. "Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Das ist selbstmörderisch", sagte Guterres bei einer Ansprache an der Columbia University in New York. "Unser Planet ist kaputt", so die drastische Einschätzung des UN-Chefs. Der Weg aus der Corona-Krise biete in dieser Hinsicht aber eine Chance. "Die Corona-Erholung und die Reparatur des Planeten können zwei Seiten derselben Medaille sein."

cw/qu (dpa, afp)