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Flaute am Ticket-Schalter

11. Mai 2010

Deutsche Reiseunternehmen bieten Pakete für die Fußballweltmeisterschaft an wie saures Bier. Selbst eingeschworene Fans schrecken vor den hohen Kosten zurück. Wer zum Finale will, muss bis zu 28.000 Euro zahlen.

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Der WM-Pokal (Foto: DPA)
Der WM-PokalBild: picture alliance/augenklick

Fast 40 Prozent der Bundesbürger trauen der Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Südafrika den Titelgewinn zu. Aber in den Stadien werden nicht all zu viele Schlachtenbummler dabei sein, um die Kicker von Bundestrainer Yogi Löw auf dem ersehnten Weg ins Finale anzufeuern. Von einer großen Nachfrage hat wie viele andere auch die Bochumer Reisekauffrau Annette Jessen jedenfalls noch nichts gespürt. Zwar habe es schon die eine oder andere Nachfrage nach WM-Touren gegeben, doch zählbare Buchungen seien dabei nicht heraus gesprungen.

Schleppender Verkauf

Flughafen mit leeren Schaltern (Foto: DPA)
Der Reiseansturm auf die WM in Südafrika bleibt wohl verhaltenBild: AP

Rund um die WM herrscht in deutschen Reisebüros Flaute. Bisher haben die vier Reiseunternehmen, die mit dem Segen des Weltfußballverbandes FIFA-Komplettpakete mit Flug, Unterkunft und Eintrittskarte verkaufen, nach eigenen Angaben erst knapp 60 Prozent ihrer Angebote an Fans verkaufen können. Das ist bisher eine herbe Enttäuschung. Dabei hatten die WM-Organisatoren anfangs euphorisch mit 450.000 Fußball-Gästen aus aller Welt kalkuliert. Südafrika ist schließlich auch ein schönes Reiseland. Doch inzwischen wären sie froh, wenn wenigstens die Hälfte käme.

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge dürften sich aus der Bundesrepublik allenfalls um die 7000 eingefleischte Fans auf den Weg machen, um die Nationalmannschaft anzufeuern. Nicht einmal der Vorteil, dass Deutschland und Südafrika in einer Zeitzone liegen und die WM-Touristen somit nicht mit einem Jet-Lag rechnen müssen, hat den Absatz beflügelt. In Zeiten der Finanzkrise schrecken viele vor allem die geforderten Preise ab, bestätigt Reisekauffrau Annette Jessen. "Es fängt beim Vorrundenspiel bei 3000 Euro Minimum an - bei zwei Sterne-Unterbringung. Nach oben gibt es keine Grenze. Das geht bis zu 28.000 Euro für das Endspiel in einem guten Hotel.“

Viele Sicherheitsbedenken

Folglich gibt es noch jede Menge freie Plätze. Allerdings kostet ein Drei-Tage-Blitz-Trip zum letzten deutschen Vorrundenspiel gegen Ghana nach Johannesburg trotz erster Preisabschläge noch immer rund 2300 Euro. Aber nicht nur die horrenden Preise halten Fans von der Buchung ab. Hinzu kommen Bedenken über die Sicherheit im Gastgeberland. Bedenken, die sich nach der Erfahrung von Annette Jessen auch in intensiven Beratungsgesprächen nicht so leicht zerstreuen lassen. Bei allen Hinweisen darauf, dass die Behörden in Südafrika enorme Anstrengungen unternommen haben, bleiben Interessenten skeptisch. Wenn selbst das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite vor Bummeltouren durch die Innenstädte nach Anbruch der Dunkelheit warnt oder mahnt, Taxis nur über das Hotel zu bestellen, dann fördere das nicht die Bereitschaft, für viel Geld nur des Fußballs wegen nach Südafrika zu reisen.

Panorama-Aufnahme Kapstadt Bucht (Foto: DPA)
Kapstadt lockt mit Fußball und Wärme. Aber: zu teuer für viele.Bild: picture alliance/dpa

Neben den hohen Preisen und den Sicherheitsbedenken spielt bei der Buchungszurückhaltung der deutschen Fans außerdem noch die Entfernung zwischen den Spielstätten eine Rolle. So finden die Vorrundenspiele der deutschen Kicker mit dem Adler auf der Brust in Johannesburg, Durban und Port Elizabeth statt. Verkehrstechnisch, sagt Reisekauffrau Jessen sei das im Prinzip überhaupt kein Problem. Schließlich biete South African Airways stündliche Flugverbindungen von Kapstadt nach Johannesburg oder nach Durban an. Und bei einem gebuchten Komplettpaket seien diese Flugkosten auch mit enthalten - zumindest teilweise.

Teure Mietwagen

Für Individualtouristen allerdings, die sich vor Ort ein Hotel oder Eintrittskarten besorgen wollen, fallen für einen Flug von Johannesburg nach Kapstadt noch einmal rund 200 Euro pro Strecke an. Die deutsche Mannschaft in Südafrika von Spiel zu Spiel begleiten zu wollen, das kann also richtig teuer werden. Auch auf dem Landweg, denn für Mietwagen kassieren die Verleiher während der WM 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Kein Wunder also, dass die Reisebüros noch nichts von einer Welle der Begeisterung für die deutsche Mannschaft gemerkt haben. Oder, wie es Annette Jessen auf den Punkt bringt: Überhaupt nichts!

Alternativen?

Falls im Falle eines Erfolgs der deutschen Mannschaft die Welle der Begeisterung bis in die Heimat schwappen sollte, dann ist auch noch nicht sicher, ob sich daran etliche tausend vor riesigen Bildschirmen, sprich beim Public Viewing, erfreuen können. In den meisten Großstädten der Republik nämlich gibt es bislang keine Pläne, solche Plätze wie vor vier Jahren beim deutschen Sommer-Fußballmärchen einzurichten.

Aber es gibt vielleicht doch eine Alternative für ein Massenerlebnis - jenseits der Bundesrepublik und außerhalb der Stadien in Südafrika. Und zwar bei den WM-Partys im so genannten Football-Village. Das befindet sich in Kapstadt. Und dort warten auf die Gäste eines deutschen Reiseveranstalters exklusiv Fußballunterhaltungskünstler wie Ex-Manager Rainer Calmund oder Fußballlehrer Peter Neururer, der allerdings seit längerer Zeit keinen Bundesligaclub mehr trainiert. Das kostet um die 3500 Euro. Doch muss man dafür extra nach Südafrika fahren?

Autor: Klaus Deuse
Redaktion: Kay-Alexander Scholz