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Vorbote für den Crash?

Andreas Rostek-Buetti mit Agenturen
14. November 2018

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist in den Sommermonaten das erste Mal seit Anfang 2015 wieder geschrumpft. Kein Anlass zur Panik, aber die Sorgen wachsen. Die Hochkonjunktur ist vorbei, urteilen Experten.

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Bild: picture-alliance/imageBroker

Bei jedem Abschwung, der auf eine lange Phase des Aufschwungs folgt, taucht die bange Frage auf: Ist das der erste Vorbote des nächsten Crashs? Diesmal sind sich die Auguren in der Antwort einig: Nein - ein Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,2 Prozent im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal ist keine Katastrophe. Zumal die deutsche Wirtschaft in den ersten Quartalen um 0,4 und 0,5 Prozent gewachsen war.

Doch es gibt warnende Stimmen. "Die Luft wird dünner", befand unlängst der Chef des Branchenverbands Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIHK, Martin Wansleben. Da hatte er gerade die Herbstumfrage unter 27.000 deutschen Unternehmen präsentiert.

Die Konjunkturflaute im dritten Quartal hat dabei spezielle Ursachen, spiegelt aber auch Probleme wider, die sich ausweiten könnten könnten.

Beginnen wir mit den Ursachen. Die haben mit der Autoindustrie zu tun, einer der wichtigsten deutschen Branchen. Sie schwächelt gerade, unter anderem wegen des neuen Abgas-Prüfstandards WLTP, der seit September für Autos in der EU gilt.

"Tiefe Bremsspuren"

Weil nicht alle Auto-Modelle rechtzeitig eine Genehmigung für eine Neuzulassung hatten, mussten Hersteller die Produktion drosseln. "Die damit verbundenen zeitweisen Produktionsausfälle hinterließen tiefe Bremsspuren bei der industriellen Erzeugung", erläuterten Bundesbank-Ökonomen im jüngsten Monatsbericht.

Deutschland Stadt Wolfsburg
Volkswagen-Stadt WolfsburgBild: picture-alliance/dpa/M. Leitzke

Bei Volkswagen landeten 200.000 Autos zunächst mal auf dem Parkplatz; BMW überraschte in der Kernsparte Auto mit einem Ergebnisrückgang vor Zinsen und Steuern um 47 Prozent.

Insgesamt ging die Autoproduktion in Deutschland im dritten Quartal um zehn Prozent zurück. Das hat deshalb einiges Gewicht, weil die Autobranche so wichtig für die deutsche Wirtschaft ist: Der Anteil der Autoindustrie an der Wertschöpfung im Land liegt bei 4,5 Prozent. Da übersetzt sich ein kräftiger Rückgang schnell in einen Verlust von zwei oder drei Zehntelprozent bei der Wirtschaftsleistung.

Auch in der Chemieindustrie zeigen sich Probleme: Ein Konzern wie BASF liefert Produkte für alle zahlreiche andere Branchen - und bekommt eine Flaute früher als andere zu spüren. Das Ergebnis vor Steuern bei BASF fiel im dritten Quartal um 23 Prozent im Vergleich zum Quartal davor.

Die Bücher bei den deutschen Firmen sind zwar noch gut gefüllt. Der Auftragseingang aber geht zurück. Gesunken ist im Oktober auch das wichtigste Konjunkturbarometer in Deutschland, der Ifo-Geschäftsklima-Index.

"Weltweiten Unsicherheiten"

Das hat natürlich nicht nur mit Krisenzeichen am Automarkt zu tun. Und richtig ist auch, wie unlängst die Zeitung Handelsblatt schrieb, dass Krisenwarnungen ähnlich sind wie stehengebliebene Uhren: Irgendwann stimmen sie. Der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, meint aber: "Die weltweiten Unsicherheiten bremsen die Wirtschaft aus."

Diese Unsicherheiten haben für Deutschland besonderes Gewicht. Deutschland exportiert mehr Waren als jedes andere Land - mit Ausnahme Chinas. Der Exportweltmeister ist seit zwei Jahren der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Das Wachstumstempo in Asien aber geht zurück. Wegen der schwelenden Handelskonflikte erwartet die Weltbank in der gesamten Ostasien-Pazifik-Region weniger Wirtschaftswachstum. Es werde 2019 und 2020 nur noch zu einem Plus von jeweils 6,0 Prozent reichen, in China dürften es in diesem Jahr 6,5 Prozent werden, 2019 werde sich das Wachstum dort auf 6,2 Prozent verlangsamen, so die Weltbank.   

China Containerhafen in Shanghai
Rückgang beim Wachstum in AsienBild: picture-alliance/dpa/W. Lei

Nervosität an den Börsen

Zu den Warnsignalen zählt auch die wachsende Nervosität an den Börsen. In New York verlor der Dow Jones Anfang in dieser Woche  auf einen Schlag mehr als zwei Prozent; in Frankfurt gab der DAX-Index in den letzten sechs Monaten um zwölf Prozent nach. Die nervösen Händler blicken dabei nicht nur auf den amtierenden US-Präsidenten und seine Vorstöße im Handelsstreit.

Immer wieder warnen sie auch vor Italien. Das Land ist mit 130 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verschuldet, trotzdem will die italienische Regierung die Schulden kräftig ausweiten und streitet sich deshalb mit der EU. "Sollte Italien in eine Schuldenkrise abrutschen, erleben wir in Europa einen Sturm", sagte Ifo-Chef Fuest dem Handelsblatt.

Auch weltweit sind die Schulden seit der letzten großen Finanzkrise gewaltig gewachsen. Der Internationale Währungsfonds IWF rechnet vor, dass der Schuldenstand seit 2007 auf 225 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen ist; vor zehn Jahren waren es 179 Prozent. Ein Grund zur Sorge ist das dann, wenn die Weltwirtschaft zurückgeht und die Schuldenlast in den Vordergrund rückt. Da könnte schnell eine Bank kippen, wenn die Schulden nicht mehr bedient werden. Und wenn die Zeiten billigen Geldes zu Ende gehen, bekommen Schuldenländer Probleme bei der Refinanzierung.

"Ein Ausrutscher"

Mit Blick auf Deutschland überwiegt bei den Volkswirten noch die Zuversicht: "Der Rückgang im dritten Quartal ist ein Ausrutscher und nicht der Beginn einer Rezession", ist sich Andreas Rees von der Bank Unicredit sicher. Und Andreas Scheuerle von der Dekabank stimmt zu: "Deutschland hat kein Konjunkturproblem, sondern ein Automobilproblem."

So haben die Wirtschaftsweisen ihre Prognose für das kommende Jahr etwas gesenkt, erwarten aber ein Wachstum von 1,6 Prozent. Die großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrer gemeinsamen Herbstprognose sogar von 1,9 Prozent aus. Allerdings wissen Marktbeobachter auch: Eine große Krise haben die Forschungsinstitute noch nie richtig vorausgesagt.

ar/bea (dpa, rtr – Archiv)