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Wirft die SPD Gerhard Schröder raus?

14. Juli 2022

Gerhard Schröder verärgert mit seiner Freundschaft zu Putin viele SPD-Mitglieder. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine streben sie seinen Parteiausschluss an. Wie wahrscheinlich ist der?

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Gerhard Schröder
Gerhard Schröder Ende 2021Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance/dpa

Es ist der dritte Anlauf. Zwei Termine im Juni platzten wegen Erkrankungen von Beteiligten. Am Donnerstag verhandelt der SPD-Unterbezirk Region Hannover nun über mehrere Anträge zum Parteiausschluss von Altkanzler Gerhard Schröder.

Der Schiedskommission lägen 17 Anträge aus verschiedenen Ortsvereinen vor, sagte der Geschäftsführer des Parteibezirks Hannover, Christoph Matterne, der Deutschen Welle. Er rechne nicht mit einer Entscheidung in dieser Woche. Dafür habe die Schiedskommission drei Wochen Zeit.

Damit richtet sich der Blick wieder auf das seit langem schwierige Verhältnis der SPD zu ihrem früheren Vorsitzenden (1999-2004) und Bundeskanzler (1998-2005).

Das Foto entstand bei der Hannover Messe 2005. Es zeigt links den russischen Präsidenten Wladimir Putin direkt neben Kanzler Gerhard Schröder. Beide sitzen gemeinsam im Führerhaus eines großen grünen Traktors und lachen in die Kameras
Beste Beziehungen: Bundeskanzler Gerhard Schröder (re.) und der russische Präsident Waldimir Putin 2005 auf der Hannover MesseBild: R. Jensen/dpa/picture-alliance

Schröder, seit Kanzler-Zeiten mit Wladimir Putin befreundet, steht seit langem wegen seines treuen Engagements für russische Staatskonzerne in der Kritik. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar meldeten sich rasch vier Ortsvereine der Partei und forderten den Ausschluss des mittlerweile 78 Jahre alten Schröder. Weitere folgten.

"Schwerer Schaden" für die Partei?

Nur - wie geht das überhaupt, jemanden aus einer Partei ausschließen? Die Hürden für einen solchen Schritt sind hoch. Das deutsche Grundgesetz schreibt fest, dass die "innere Ordnung" von Parteien "demokratischen Grundsätzen entsprechen" müsse. Das erstmals 1967 beschlossene Parteiengesetz, dem verfassungsrechtlich hohe Bedeutung zukommt, regelt Näheres.

Es legt unter anderem fest, dass es zu einem Ausschluss nur bei einem vorsätzlichen Satzungsverstoß kommen darf oder einem erheblichen Verstoß gegen die Grundsätze oder Ordnung einer Partei, wenn dieser Partei schwerer Schaden zugefügt werde. Eigentlich geht es in Hannover, wo Schröder lebt und Ortsvereins-Mitglied ist, um ein "Parteiordnungsverfahren". Dessen Ergebnis kann - als schärfste Waffe - ein Ausschluss sein. Aber auch eine Rüge wäre möglich.

Die Spitze der SPD-Parteizentrale in Berlin, das sogenannte Willy-Brandt-Haus. Im Wind flattert eine rote Fahne mit dem Schriftzug SPD
SPD-Parteizentrale in Berlin: Wer einmal dazu gehört, kann nicht leicht ausgeschlossen werdenBild: Reuhl/Fotostand/picture alliance / Fotostand

Grundsätzlich gilt: Eine Partei muss nicht jeden aufnehmen und kann Leute ablehnen, die Mitglied werden wollen. Sie kann aber nicht leicht Mitglieder wieder loswerden. Dazu muss sie konkret parteischädigendes Verhalten belegen.

Und doch wollen 17 Ortsvereine der SPD Schröder rauswerfen. "Das ist sicher kein Zuckerschlecken und wird eine lange Hängepartie, aber wir wollen das, nach wie vor", sagt Ali Kaan Sevinc der DW. Er ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Essen-Frohnhausen/Altendorf. Die Genossen im Herzen des Ruhrgebiets hatten sich im März als einer der ersten Ortsvereine gegen Schröder zu Wort gemeldet.

Der Vorstand habe den Antrag auf seinen Parteiausschluss einstimmig beschlossen, später hätten sich nur einzelne Mitglieder anders geäußert, erläutert Sevinc. Er weist auf die Reaktionen hin, die sein Ortsverein per Mail oder bei Facebook erhalten habe. Die ganz große Mehrheit habe sich zustimmend dazu geäußert, ja, "sich gefreut", sagt er. Das Verhältnis von positiven zu negativen Bewertungen schätzt er auf 95:5.

Der Düsseldorfer Jurist Martin Morlok sitzt an einem Tisch mit seinem Namensschild, er hat graue Haare und eine Brille und trägt Hemd, Krawatte und Anzug, im Hintergrund sitzen und stehen weitere Männer
Der Düsseldorfer Jurist Martin MorlokBild: Guido Kirchner/dpa/picture alliance

Viele Fachjuristen äußern sich in der Sache Schröder indes zurückhaltend. Er sehe das Parteiordnungsverfahren "wegen eines Verhaltens, das nicht im engeren Sinne mit der Partei zu tun hat, durchaus problematisch", sagt Parteienrechtler Martin Morlok der DW.

Im Fall Schröder gehe es um dessen Berufstätigkeit oder Freundschaft zu Putin, analysiert er: "Aber das hat zunächst mal nichts mit der Partei zu tun." Es sei auch nicht richtig, wenn mit der Zugehörigkeit zu einer Partei die Meinungs- oder Berufsfreiheit eingeschränkt werde.

Jurist: Eine Partei ist kein Mönchsorden

Morlok betont: "Die sozialdemokratische Seele ist kein Schutzgut des Parteiengesetzes." Man müsse nicht die gesamte Lebensführung "mit der Brille der Partei sehen", sagt er: "Eine Partei ist etwas anderes als ein Mönchsorden." 

Grundsätzlich sieht der Jurist die Möglichkeit eines Parteiausschlusses "als ein notwendiges Mittel, damit Parteien arbeiten können". Dabei sei aber die Arbeitsfähigkeit der Partei das Schutzgut; es gehe darum, ob Abstimmungsergebnisse anerkannt würden oder sich jemand Kompetenzen anmaße.

Seine Bewertung zu Parteiausschlussverfahren: "Jahrelang bringt es schlechte Presse für die Partei. Ich halte das für töricht." Ein bekanntes Beispiel der vergangenen Jahre ist der Ausschluss von Thilo Sarrazin, SPD-Finanzsenator (2002-2009) in Berlin, der sich in immer mehr Sachfragen mit der Partei überwarf, die ihm unter anderem Rassismus und Rechtspopulismus vorwarf. 2010 startete ein erstes Parteiordnungsverfahren. Und scheiterte. Mitte 2020 führte ein drittes Verfahren zum Parteiausschluss - weil Sarrazin auf weitere rechtliche Schritte verzichtete.

Porträt eines grauhaarigen Manns mit Brille und Schnurrbart im Jackett, der mit ernstem Blick ein Mikrofon hält und sich leicht zurücklehnt
Thilo Sarrazin war bis zu seinem Ausschluss 2020 SPD-Mitglied Bild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Ein Blick in Wikipedia zeigt: Von den 23 "prominenten Parteiausschluss-Verfahren" seit dem Jahr 2000, die das Online-Nachschlagewerk für Deutschland anführt, entfielen zehn auf die SPD. Schröder ist noch nicht dabei.

Gerhard Schröder gibt sich gelassen

Der Altkanzler selbst schaut nach eigenem Bekunden "mit Gelassenheit" auf die Anträge aus der SPD, ihn vor die Tür zu setzen. "Ich bin und bleibe Sozialdemokrat", sagte er vor einem Monat dem "Spiegel". Seine politische Grundhaltung werde sich nicht ändern. Einige Wochen vorher hatte er angekündigt, den Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft zu verlassen und keine Nominierung für den Gazprom-Aufsichtsrat zu wünschen.

Zwei ältere Männer in dunklen Anzügen, weißen Hemden und Krawatte neigen im Gespräch die Köpfe zueinander, der eine spricht mit leicht geöffnetem Mund und erhobener Hand, der andere hört zu
Zwei langjährige SPD-Mitglieder, einst Weggefährten: Gerhard Schröder 2016 (li.) mit Olaf Scholz, der damals Hamburgs Erster Bürgermeister war Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Weder Schröder noch sein Anwalt oder ein Vertrauter werden wohl am Donnerstag an der Sitzung teilnehmen. Dort geht es erstmal um die Sicht der Antragssteller. Auch Sevinc will vor Ort sein. Der Ortsvereins-Vorsitzende aus dem Ruhrgebiet sieht die Meinung der Basis auch nach einem möglichen Ende des Engagements für russische Konzerne gegeben: "Die Werte der SPD, auch die Verantwortung, solidarisch zum Land zu stehen, die verrät er ja."

Donnerstag werden in Hannover die Antragsteller angehört. Dann hat die Schiedskommission bis zu drei Wochen Zeit, sich zu äußern und zu entscheiden. Danach stünden eine zweiwöchige Einspruchsfrist und mögliche Folgerunden auf Bezirks- und Bundesebene an. Wahrscheinlich scheint also: Fortsetzung folgt.