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Der Jurypräsident

Mattias Klaus24. Mai 2012

Der Rapper Thomas D war Präsident der Casting-Show "Unser Star für Baku". Im DW-Interview erzählt er, warum er gute Chancen für Roman Lob sieht und was er von der Menschenrechtsdebatte im Rahmen des ESC hält.

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Thomas D. Foto: Hermann J. Knippertz/dapd
Bild: dapd

Der Stuttgarter Thomas D gehörte Anfang der 1990er Jahre mit seiner Band, den Fantastischen Vier, zu den ersten deutschsprachigen HipHoppern. Die Welt des Grand Prix, wie es damals hieß, und die Rap-Musik trennten seinerzeit noch Welten. Heute ist der Eurovision Song Contest auf der musikalischen Höhe der Zeit und Thomas D ein anerkannter Pop-Produzent. Für die Casting Show "Unser Star für Baku" wurde er in diesem Jahr von Produzent und TV-Moderator Stefan Raab zum Jury-Präsidenten ernannt.



DW: Hätte sich Thomas D, der Rapper der Fantastischen Vier, vor 20 Jahren vorstellen können, einmal bei einem ESC dabei zu sein?

DW-Reportern Suzanne Cords und Matthias Klaus mit Thomas D.
DW-Reportern Suzanne Cords und Matthias Klaus mit Thomas D.Bild: DW

Thomas D: Nein, ich hab mir viel vorstellen können, kann ich immer noch, aber das hatte ich nicht auf dem Schirm. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in so eine Position komme. Ich hätte vor Kurzem ja auch noch gedacht, dass ich niemals in einer Casting Show sitzen würde. Aber als ich dann von Stefan Raab gefragt wurde, musste ich feststellen, dass es eigentlich die kredibile Alternative zu diesen ganzen Casting Shows ist, was er gemacht hat. Er hat damals schon Max Mutzke, Stefanie Heinzmann und nicht zuletzt Lena gefunden. Das fand ich schon beim Gucken gut, weil er respektvoll mit seinen Künstlern umgegangen ist. Der Sinn dahinter: nicht nur eine Platte zu machen, sondern auch noch zum weltgrößten Musikwettbewerb zu gehen. Da dachte ich, dann muss ich wohl meine Vorstellungen neu sortieren.

War Roman Lob auch deine Wahl oder hast du dir gesagt, das Publikum entscheidet?

Ich hab schon gedacht, das Publikum entscheidet. Aber ich hab auch gesagt, ich bin nicht der Unparteiische hier. Ich bin kein Schiedsrichter, ich bin der Jury-Präsident. Und wir wissen ja, wie das läuft mit Präsidenten, auch hier im Land zum Beispiel (lacht). Da kann man auch mal sagen, was man denkt, und machen was man will. Deshalb hab ich's nicht so ganz hinterm Berg gehalten, dass Roman Lob mein Favorit war. Jetzt, wo die Shows vorbei sind, kann ich sagen, ich hab vom ersten Augenblick an, als ich ihn auf dem Video gesehen hab, ich hab Gänsehaut bekommen, und gesagt: Das ist er.



Was bringt Roman Lob mit, was die anderen nicht hatten?

Roman Lob in Baku Photo: Joerg Carstensen
Energie und Charisma: Roman LobBild: picture alliance / dpa

Jeder Künstler hat etwas Eigenes. Man kann genauso jemanden wählen, der extrovertiert ist oder zwei Gesichter hat. Es gibt auch viele, die sind privat ganz zurückhaltend und dann auf der Bühne die Hammer Rampensau. Bei Roman ist es so, dass er diese Natürlichkeit, die er privat hat, auch auf der Bühne behält. Der macht halt den Mund auf und singt.

Hat Roman Lob eigentlich nie Stress?

Doch, doch. Der ist auch sensibel, Er hat auch dünne Haut. Auch das sieht man ihm an der Statur an. Da ist nicht viel Schutz außen rum. Wir als sein Umfeld versuchen, ihn natürlich hier entspannt zu halten. Da ist meine langjährige Erfahrung mit der Bühne, mit der Presse, mit der Welt vielleicht auch hilfreich. Ich hab ihm gesagt: Du hast dich deswegen beworben, wegen den 120 Millionen Zuschauern, den vielen Nationen und den Zigtausenden in der Halle. Du wolltest das. Jetzt krieg bloß keinen Schiss vor deiner eigenen Courage.

Lob Roman Lob lächelt bei einem Pressetermin in Baku (Foto: DW/ Suzanne Cords)
Roman Lob in BakuBild: DW

Wie ist deine Meinung zur Menschenrechtsthematik in Aserbaidschan – jetzt, wo du hier bist?

In der Presse wird vieles schwarzweiß dargestellt. Wenn man die Hintergründe des Landes kennenlernt und sieht, dass hier 70 Jahre lang das Sowjetregime regiert hat und vor 21 Jahren eine blutige Befreiung stattfand, wenn man sieht, in welcher geographischen Situation sich das Land befindet, wie viel Öl es hat und hatte, dann ändert das ein bisschen das Bild von dem Land. Denn das ist in einem Umbruch, in einem Aufbruch. Da sind wir natürlich schon Äonen weiter. Trotzdem haben wir hier mit 90 Prozent Muslimen Religionsfreiheit, so weit ich es sehen kann Frauengleichberechtigung und freies Internet. Das haben die umliegenden Staaten allemal nicht. Die Menschenrechte sind ein Thema. Das wird diskutiert und das ist gut so.

Das sollten aber nicht nur die Medien und die Künstler machen, sondern auch die Politiker. Nachhaltig, denn wir werden uns am Sonntag wahrscheinlich alle leider wieder abwenden. Nach Hause fahren und über das Nächste berichten und sprechen, was dann anliegt. Es ist auch ein bisschen eine arrogante Haltung zu erwarten, dass alle so frei sind wie in Deutschland.

Doch ich meine zu sehen, dass es hier auch eine Mittelschicht gibt, der das Hochpolieren dieses Landes, was der Präsident mit seinem Geld gemacht hat, zugute kommt. Es dient nicht nur der Unterdrückung und der Ausbeutung oder seiner eigenen Macht, sondern er tut hier durchaus auch was für sein Land und wir hoffentlich auch, indem wir hier Musik machen und den Blick der Welt auf dieses Land ziehen.

Crystal Hall-Türme hinter der alten Mauer (Foto: DW/ Suzanne Cords) Mai, 2012, Baku
Gegensätzliches BakuBild: DW

Wo siehst du Romans Chancen angesichts der Konkurrenz aus alten Omas und halbnackten Sängerinnen?

Man kann das nicht an einem Ding festmachen. Es ist ein Gesamtpaket. Bei den russischen Omas zum Beispiel trifft dieses "Ach, die süßen Omas" auf einen modernen stampfenden Dancebeat und eine Botschaft, die nun wirklich jeder versteht. Bei Roman ist es seine Ausstrahlung: Das Reduzierte, vom Augenaufschlag über den Song bis zum Typen als Ganzes, bei anderen ist es vielleicht das Dekolletee und die Dance Performance. Wenn man an Lordi denkt, die vor ein Paar Jahren den ESC mit Teufelsmasken und einem "Hardrock Hallelujah" gewonnen haben, dann kann man wirklich nie sagen, wer das Rennen macht. Manchmal ist der ESC für eine ordentliche Überraschung gut, manchmal ist es das Extrem, das gewinnt. Wir setzen auf Musikalität und auf Echtheit. Auf Spürbares, auf das Herz, und wir hoffen, damit auch das Herz der Anderen zu erreichen.

Das Interview führte Matthias Klaus