1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kokainboom

Das Interview führte Steffen Leidel 8. Mai 2007

Die Drogenmafia droht Peru zu ersticken, sagt die peruanische Sonderermittlerin für Drogen, Sonia Medina, im DW-WORLD-Interview. Sie kämpft gegen Windmühlen: 25.000 Verfahren hat sie auf dem Schreibtisch.

https://p.dw.com/p/APQU
Porträt Sonia Medina, Quelle: Steffen Leidel
Sonia MedinaBild: Steffen Leidel

DW-WORLD.DE: Wie groß ist Perus Drogenproblematik derzeit?

Sonia Medina: Was den Drogenhandel betrifft, muss man sagen, dass Peru derzeit einen seiner schlimmsten Momente erlebt. 2007 hat sich die Situation noch einmal zugespitzt. Das hat damit zu tun, dass man den Drogenhandel als normales Verbrechen angesehen hat. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sind zu schwach. Täter wurden von Richtern und Staatsanwälten mit sehr wohlwollenden Strafen bedacht. Im Drogenhandel gibt es einfach zu viel Geld zu verdienen. Das hat viel Korruption und Gewalt hervorgebracht.

Ist Peru auf dem Weg zu einem Drogenstaat?

Soweit würde ich nicht gehen. Aber Drogenhandel ist dabei uns zu ersticken. Er reicht in alle Sphären unserer Gesellschaft, bis in die höchsten. Die Dealer haben in Peru für sich einen Nährboden entdeckt. Wir haben mit dem Kokablatt den Rohstoff, außerdem wird das, was man für die Kokainherstellung benötigt, zu wenig kontrolliert. Immerhin hat die Regierung das jetzt erkannt.

Wie äußert sich die Macht der Drogenmafia?

Die Mafia ist doch überall sichtbar. Ich habe derzeit 25.000 Verfahren wegen Drogendelikten auf dem Tisch. Früher wurde in Peru nur die Kokapaste hergestellt, der Grundstoff für Kokain. Die wurde dann zum Beispiel nach Kolumbien gebracht und dort zu reinem Kokain verarbeitet. Heute wird reines Kokain direkt in Peru hergestellt.

Wer kontrolliert den Markt?

Wir haben noch keine peruanischen Kartelle. Aber es gibt sehr wohl Mitglieder der internationalen Kartelle, die in Peru operieren. Ich meine die Kartelle aus Mexiko, Kolumbien, aus Südafrika und auch Asien.

Derzeit lodert der Konflikt zwischen der Regierung und den Kokabauern. Die Regierung hat wieder damit begonnen, Kokafelder zu vernichten. Inwiefern sind die Kokabauern mit den Drogenhändlern verbandelt?

Meine persönliche Meinung ist, dass es zwischen den Kokabauern und den Drogenhändlern eine Art Nabelschnur gibt. Allerdings nutzen die Drogenhändler die Unwissenheit und Armut der Kokabauern aus. Schauen sie sich doch die Mehrheit der Bauern an. Sie sind keine Millionäre. Sie haben gerade genug, um sich über Wasser zu halten. Man kann sich doch ihr großes Interesse am Kokaanbau nur erklären, wenn man die Drogenmafia dahinter erkennt, die die Bauern dazu zwingt, Koka anzubauen. Und der Staat: Was tut der für diese Leute? Bislang hat er zu wenig getan, um die Leute aus der Sackgasse zu holen. Er muss den Leuten das geben, was ein Bürger dieses Staates verdient, sei es eine Wohnung oder Bildung.

Hat der Staat aus Nachlässigkeit oder aufgrund der Korruption zu wenig getan?

Beides. Untätigkeit, Ineffizienz, Korruption. Schauen Sie: Das Kokablatt an sich ist ja keine Droge, auch wenn es Alkaloide enthält. Es muss bearbeitet werden. Laugen, Schwefelsäuren, Kerosin, ja sogar Zement braucht man für die Kokainherstellung. Der Handel mit diesen Zutaten könnte kontrolliert werden. Wenn das bislang nicht geschehen ist, dann weil man es nie wollte.

Warum tun Sie sich dieses Amt eigentlich an? Sie werden von drei Leuten 24 Stunden pro Tag bewacht.

Ich habe gegen Leute ermittelt, die bislang als unberührbar galten. Ich habe an den Strukturen der Mafia gerüttelt. Das macht mich natürlich angreifbar. Ich kann nicht mehr einfach ins Kino gehen, das ist wahr. Aber ich will etwas Gutes für mein Land tun. Außerdem hat alles ein Risiko, wir dürfen aber nicht für die Angst leben. Diese verfluchten Drogen betreffen uns alle, auch ihr Land Deutschland. Ich habe Kinder und will, dass die in einer guten Umgebung aufwachsen.

Dabei müssen ja auch Ihre Kinder bewacht werden.

Das stimmt, auch meine Kinder wurden schon bedroht. Das hat auch schon zu familiären Konflikten geführt. Sie wollen ihren Freiraum, sie sind ja Teenager. Aber das bekommen wir schon hin.