Als Favoriten zur WM
20. Januar 2010DW-WORLD.DE: Wolfgang Niersbach, das Fußballjahr 2010 hat seinen großen Höhepunkt im Sommer mit der Weltmeisterschaft in Südafrika. Wie bereiten Sie sich auf das Ereignis vor?
Wolfgang Niersbach: Wir freuen uns auf Südafrika, haben uns ja direkt qualifiziert. Man sollte nie vergessen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Wenn man jetzt mal rekapituliert und vergegenwärtigt, dass die Russen, eine starke Mannschaft, nicht dabei sind, dann ist das schon ein großer Erfolg. Wir bereiten uns Top vor. Es ist alles geplant. Es wird sicher noch einiges mit dem Weltverband FIFA zu besprechen sein. Aber wir gehen mit unserer Mannschaft auch mit dem Selbstbewusstsein nach Südafrika, dass wir sagen: Wir gehören zum Kreis der Favoriten.
Differenzierte Sicherheitslage
Es hat vor dem Afrika-Cup einen Anschlag in Angola gegen die Nationalmannschaft Togos gegeben. In diesem Zusammenhang ist auch über die Sicherheit in Südafrika diskutiert worden?
Man muss das sehr differenziert betrachten. Es ist nun einmal Fakt, dass zwischen dem Ort, wo dieses schreckliche Unglück passierte, und Südafrika 2500 Kilometer liegen. Insofern kann ich auch ein Stück die Aufregung der südafrikanischen Gastgeber verstehen, die sagen: Wenn im Kosovo oder in Schweden etwas passiert, bringt man das auch nicht im Zusammenhang mit der WM 2006 in Deutschland. Gleichwohl ist das Thema Sicherheit genauso ein wichtiger Schlüssel wie das Thema Transport. Wie bekommt man das in den Griff? Wir wünschen den Südafrikanern, dass ihre Weltmeisterschaft anders gelingt, aber letztendlich genauso erfolgreich wie unsere WM 2006 in Deutschland. Und wir bieten ihnen auch jede Unterstützung an. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch schon getan.
Was plant der DFB für die Nationalmannschaft? Das Team wohnt in einem äußerst gesicherten Hotel. Aber die Spieler wollen das Quartier auch einmal verlassen?
Im Detail kann ich das noch nicht sagen. Die Kernfrage wird sein: Können Spieler, wenn sie Freizeit haben und Abwechselung suchen, abends mal in die nächst gelegene Stadt fahren? Das wäre Pretoria. Oder können sie zum Shoppen? Das werden wir klären. Es gibt jetzt im Februar einen Workshop der FIFA in Johannesburg. Dabei wird gerade auch der Aspekt Sicherheit besonders behandelt. Wir stehen in einer hohen Verantwortung gegenüber den Spielern und den Vereinen, auch in unserem eigenen Interesse. Also, wir werden da alles tun. Aber die beste Sicherheit ist im Prinzip die, über die man nicht spricht.
Ticketzahlen besser als 2002
Für die deutschen Spiele sind bisher überraschend wenig Tickets verkauft worden. Hat das was mit der Angst der Fans vor Südafrika zu tun? Oder ist das eher ein wirtschaftlicher Faktor?
Ich würde klar zurückweisen, die bisherige Resonanz mit dem Thema Sicherheit in Verbindung zu bringen. Die aktuellen Zahlen sind sogar noch ein Stück besser als 2002 bei der WM in Japan und Südkorea. Da hatten wir beim deutschen Eröffnungsspiel in Sapporo exakt 544 Karten an deutsche Fans verkauft. Jetzt liegt die Zahl etwas höher. Ursache ist einfach der Preis. Der Flug in der Economy Class nach Südafrika kostet rund 1450 Euro. Studieren Sie die Kataloge der Reiseanbieter! Da können Sie unter 4000 Euro kein Paket kaufen. Und nicht viele können sich das leisten. Und so erklärt sich die Zahl, dass etwa 650 - 680 Fans pro Spiel aus Deutschland kommen werden. Aber wir werden in jedem Fall die große deutsche Community in Südafrika haben. Ich habe gerade VW-Chef Martin Winterkorn getroffen, der sagte: 'Wir haben ein Werk in Port Elisabeth, und die Mitarbeiter dort wollen 5000 Karten haben'. Ich gehe mal davon aus, dass diese 5000 lautstark unsere Mannschaft anfeuern werden.
Sensationelles Ergebnis für WM 2011
Sie sind da sehr optimistisch. Sehr zufrieden können Sie jedenfalls mit dem Kartenvorverkauf für die Frauen-WM 2011 in Deutschland sein?
Es ist einfach ein sensationelles Ergebnis, wenn wir feststellen, dass anderthalb Jahre vor dem Ereignis schon 190.000 Karten verkauft wurden. Das hätten wir nicht erwartet. Wir waren sehr unsicher, als wir diese Städteserien auf den Markt gebracht haben. Dieses Produkt gab es 2006 gar nicht und wir hatten damit keine Erfahrungen. Das bestätigt uns natürlich in allen Planungen, gibt uns Schwung und auch wirtschaftliche Sicherheit. Wir müssen 51 Millionen Euro darstellen. Es gibt aber nur zwei Elemente: Die Sponsoren und die Tickets. Da sind wir auf einem exzellenten Weg.
Unklares Bild im Wettskandal
Ein Problem im deutschen Fußball ist der neue Wettskandal. Man spricht davon, er hätte größere Dimensionen als der Skandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer. Wie sehen Sie das?
Wir glauben eher nicht, dass die Dimension größer ist als bei Hoyzer, wo ein Schiedsrichter nach eigenem Geständnis bewusst manipuliert hat. Es gibt eine Vielzahl von Verdachtsmomenten, aber es gibt wenige Beweise. Und wenn es Beweise gibt, stellt sich für uns auch die Frage: Sind wirklich Spieler, Funktionäre, Trainer oder andere aktiv dabei? Oder handelt es sich um Personen, die außerhalb des Sports, außerhalb des Fußballs und damit auch außerhalb unserer Sportgerichtsbarkeit stehen? Also, das klare umfassende Bild haben wir auch nach der Akteneinsicht nicht. Da sind Hunderte, wenn nicht Tausende von Telefongesprächen protokolliert worden, wo A mit B telefoniert und über C und D etwas verabredet. Das aber handfest zu machen, ist äußerst schwierig. Ich darf daran erinnern, dass der Durchbruch im Hoyzer-Skandal erst dann gelang, als Hoyzer selber gestanden hat. Wenn er nicht gestanden hätte, würden wir möglicherweise heute noch im Dunkeln tappen.
Kaum Zeit für Nachdenklichkeit
Robert Enke, sein Tod, sein Selbstmord im vergangenen Jahr, war ein einschneidendes Erlebnis für Viele. Hat sich seitdem tatsächlich etwas bewegt im Fußball oder ist man jetzt wieder zum Alltag übergegangen?
Es ist schwer zu sagen, was Alltag und was Veränderung ist. Wir haben uns gerade erst ein frohes neues Jahr 2010 gewünscht und werden jetzt mit den Bildern von Haiti konfrontiert. Leider ist das der Lauf der Welt. Die Welt bietet ja kaum Zeit zum Innehalten, für Nachdenklichkeit. Es gibt immer wieder auch schlimme Auswüchse in den Stadien. Aber ich betone immer, dass ist eine absolute Minderheit. Denn 99,9 Prozent der Fußballfans sind friedlich. Da würde ich auch vermuten, dass die Fans sehr bewegt worden sind durch den Freitod von Robert Enke. Uns ging es ja selber nicht anders. Aber trotzdem muss es für uns weitergehen, so wie es auch für Hannover 96 weitergeht. Wir haben zusammen mit seiner Frau Theresa die Robert-Enke-Stiftung gegründet, weil wir uns dem Thema Depression verstärkt präventiv zuwenden möchten. Wir werden aber auch Robert Enke nie vergessen. Es ist eines der schlimmsten Erlebnisse auch für mich persönlich gewesen, weil ich ihn gut gekannt habe. Und ich bin über 30 Jahre im Beruf. Das bewegt einen schon sehr.
Das Interview führte Arnulf Boettcher
Redaktion: Joachim Falkenhagen