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Windenergie überholt Atomkraft

Gero Rueter20. Mai 2016

In diesem Jahr wird die Stromerzeugung aus Windkraft in Deutschland wahrscheinlich deutlich über der Atomkraft liegen. Mehr Windstrom ist inzwischen ein weltweiter Trend. Die Photovoltaik zieht kräftig nach.

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Bürgerwindrad in Schleswig Holstein Fotograf: Farys/Die Projektoren
Bild: Farys/Die Projektoren

Nach Hochrechnungen des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) erzeugt Deutschland im Jahr 2016 deutlich mehr Strom aus Windkraftanlagen an Land und auf dem Meer als aus Atomkraft.

Für dieses Jahr erwartet das IWR einen Rückgang der Stromproduktion aus den acht deutschen Atomkraftwerken (AKW) auf unter 90 Milliarden Kilowattstunden (kWh) und damit auf den niedrigsten Stand seit Anfang der 1980er Jahre.

Laut IWR ist ein Grund für den Rückgang, dass im Juni 2015 ein AKW nach 34 Betriebsjahren planmäßig abgeschaltet wurde. Außerdem werden in diesem Jahr mehrere AKWs über einen längeren Zeitraum zu Wartungen vom Netz genommen. Im vergangenen Jahr lag die sogenannte Bruttostromerzeugung der neun AKWs noch 92 Milliarden kWh.

Da Atomkraftwerke für den Betrieb ihrer Anlagen jedoch über fünf Prozent des Stroms selbst verbrauchen, ist die Produktion für das öffentliche Stromnetz wesentlich niedriger. Im letzten Jahr lag die sogenannte Nettostromerzeugung der AKW bei 87 Milliarden kWh.

Infografik Strommix in Deutschland 2015

Mehr Wind durch dynamischen Zubau

Demgegenüber wird die Stromerzeugung mit Windkraft nach Berechnungen des IWR in Deutschland auch in diesem Jahr weiter steigen. Erstmals könnte sie die Marke von 100 Milliarden kWh erreichen. Im letzten Jahr lag die Nettostromerzeugung mit Windkraft bei 88 Milliarden kWh und damit schon ein wenig über der Atomkraft.

Ein Grund für den kräftigen Zuwachs bei Windstrom sind laut IWR die Windanlagen auf dem Meer, die in diesem Jahr die volle Produktionsleistung erreichen. "Allein die deutschen Offshore-Windkraftanlagen werden im Jahr 2016 sicher erstmals die Marke von 10 Milliarden Kilowattstunden Strom knacken können", sagt Norbert Allnoch vom IWR.

Im letzten Jahr gingen in Deutschland Offshore-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 2300 Megawatt (MW) neu ans Netz, bei der Windkraft an Land waren es rund 3500 MW. In diesem Jahr rechnet die Branche mit einem Zubau von 3300 MW an Land und 700 MW im Meer.

Globaler Trend zu Windenergie

Weltweit steigt die Stromerzeugung mit Windenergie. Nach Angaben der World Wind Energy Association (WWEA) wurden im Jahr 2015 Windkraftanlagen mit einer Gesamtkapazität von 63.700 MW neu aufgestellt, davon etwas mehr die Hälfte in China.

An zweiter Stelle steht vor Deutschland die USA. Dort wurden 2015 Windanlagen mit einer Gesamtkapazität von 8600 MW neu installiert. Die weltweite Gesamtkapazität von Windkraft lag 2015 bei rund 435.000 MW. Die weltweite Kapazität der Atomkraft lag 2015 hingegen bei 337.000 MW und hatte im letzten Jahrzehnt abgenommen.

Atomkraftwerk in Brunsbüttel Foto: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld
Das AKW Brunsbüttel bei Hamburg ist seit 2007 außer Betrieb. Vor allem die Windkraft liefert jetzt die Energie.Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Boom auch bei der Photovoltaik

Neben der Windenergie boomt auch die Photovoltaik. Nach Angaben der Mercom Capital Group wurden im Jahr 2015 weltweit Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtkapazität von 57.800 MW neu installiert.

Die meisten Anlagen stellte China auf, an zweiter und dritter Stelle folgen Japan und die USA. Der ehemalige Solarpionier Deutschland landete nach Indien und Großbritannien bei den Neuinstallationen auf Platz sechs. Die global installierte Gesamtkapazität für Photovoltaik lag Ende 2015 bei 236.000 MW.

Der Grund für den rasanten Zubau von Wind- und Solaranlagen liegt Experten zufolge vor allem am Preis. Die Stromerzeugung aus neuen Anlagen ist in der Regel wesentlich günstiger als aus Kraftwerken mit fossilen oder atomaren Energien.

Windenergie Offshore-Windpark A2SEA
Wachstumsmotor auch bei den Jobs: Rund 150.000 Menschen arbeiten in der deutschen Windindustrie.Bild: A2SEA

Furcht vor Bremse der Energiewende

In Deutschland wurde der Ausbau der Solarenergie seit 2013 stark gebremst. Nun macht sich auch die Windbranche Sorgen um ihre Zukunft und ein Abbremsen des bisher dynamischen Windkraftausbaus. Heftig wird in der Politik derzeit um einen Ausbaudeckel für erneuerbaren Energien gerungen.

Im Konflikt geht es auch darum, wie die alte Stromwirtschaft die Energiewende mitgestalten kann und sich Marktanteile sichert. Von der Politik fordert die Windbranche ein klares Bekenntnis zu Deutschlands Klimazielen und ein Umsteuern in der Politik. "Statt einem Deckel auf den Zubau Erneuerbarer Kapazitäten zu legen, gilt es die erfreuliche Dynamik für den Systemumbau zu nutzen", sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie.

Die Branche schlägt vor, mit Windstrom auch mehr synthetische Kraftstoffe herzustellen. Mit dem Power-to-Gas-Verfahren lassen sich Gas, Benzin und Kerosin aus Windstrom produzieren. Wegen Engpässen in Stromleitungen lässt sich der Windstrom vor allem aus Norddeutschland zunehmend nicht mehr abtransportieren. Hier solle die Politik bei der anstehenden Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nachbessern.