1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Alte Meister in Dresden neu inszeniert

Sabine Peschel
29. Februar 2020

Viel Tageslicht, dramatische Hängung, sinnliche Inszenierung: Die Alten Meister mit Werken bedeutender Künstler wie Cranach, Raffael, Rembrandt und van Dyck erstrahlen in der Dresdner Gemäldegalerie in neuem Glanz.

https://p.dw.com/p/3YU1c
Blick in die Gemäldegalerie Alte Meister im Semperbau: zahlreiche großformatige Gemälde säumen die Wände des Ausstellungsraumes
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Helles Tageslicht fällt durch die hohen Fenster in den Skulpturengang der Dresdner Gemäldegalerie. Licht und Schatten spielen mit den barocken Bronzeplastiken, einige Bilder, die zu den Motiven der Skulpturen in Beziehung stehen, bilden den farbigen Hintergrund der Inszenierung. Schon der erste Eindruck der vollkommen neu gestalteten Galerie Alte Meister ist überwältigend.

Eine Sammlung der starken Werkgruppen

Sieben Jahre lang war die Kunst vor 1800 in Dresden nur in wechselnden Teilausstellungen zu besichtigen. Die Galerie im Semperbau wurde renoviert und die Ausstellung der ungeheuer reichen Dresdner Sammlung alter Gemälde und Skulpturen ganz neu gestaltet. Kurz vor ihrer feierlichen Wiedereröffnung am 28.02.2020 präsentiert sich die Gemälde- und Skulpturensammlung der Medienöffentlichkeit - als "Inszenierung der schieren Fülle". So beschreibt Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das neue Ausstellungskonzept. "Es ist eine Sammlung, die starke Werkgruppen hat: Es gibt 64 Cranachs, 39 Werke aus der Rubens-Werkstatt, 24 van Dycks - das soll hier spürbar werden. Sinnlichkeit soll wieder in die Räume zurückgeholt werden."

Museumsmitarbeiter bei der Hängung einer Infotafel
700 Gemälde wurden für die Ausstellung neu gehängtBild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Die 1855 nach Plänen des Architekten Gottfried Semper (1803-1879) entstandene Galerie, die die Anlage des barocken "Zwinger" zur Elbe hin abschloss, war zu ihrer Zeit ein hochmoderner Museumsbau. Jetzt hat das Land Sachsen mit 50 Millionen Euro für die Umbauarbeiten seit 2013 "eine der beliebtesten Sammlungen der Welt", so Ackermann, neu zugänglich gemacht.

Zu verdanken haben Dresden und die Welt diesen Kunstreichtum der emsigen Reisetätigkeit des sächsischen Königs August des Starken (1670-1733) und seines Sohnes Friedrich August II. (1696-1763). Mit großer Leidenschaft ließen diese Herrscher überall in Europa durch ihre Agenten Kunstwerke ankaufen - herausragende Gemälde und Skulpturen, die heute den Hauptbestand einer Sammlung umfassen, die fast fünf Jahrtausende europäischer Kunst und Kulturgeschichte abbildet. Festredner Wolfgang Schäuble nannte die Galerie bei der Eröffnung einen Ort der Begegnung und Verbindung, einen "Ort, an dem man ein Stück weit ein Europäer werden kann, hier in Dresden, mitten in Europa." Damit unterstrich der Bundestagspräsident in seiner Rede die Bedeutung der Kunst für den europäischen Gedanken.

Raffael, Rembrandt und Tizian sinnlich inszeniert

Rund um Raffaels "Sixtinische Madonna" sind viele Einzelwerke oder Werkgruppen der Alten Meister im kollektiven Gedächtnis der Menschheit verankert - und sei es in verkitschter und kommerzialisierter Form, wie die weltweit vermarkteten Engelchen zu Füßen der "Sixtina". Giorgiones "Schlummernde Venus", der "Ganymed" von Rembrandt, die Veduten Bellottos, Tizians "Zinsgroschen" oder das von den Dresdnern überaus geliebte "Schokoladenmädchen" von Jean-Étienne Liotard - mit einem neuen Lichtkonzept, viel mehr Tageslicht als bisher, neuer farbiger Wandbespannung und neuer Hängung werden die Meisterwerke der Dresdner Galerie bunt und lebendig in Szene gesetzt. "Jeder Raum hat einen eigenen Charakter, so dass man sich daran erinnert und die Kunst neu erlebt", betont Stephan Koja, Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister und Skulpturensammlung.

Teilnehmer einer Pressekonferenz stehen in der Gemäldegalerie Alte Meister vor dem Gemälde "Sixtinische Madonna" von Raffael
Dresdens weltbekanntes Prunkstück: Raffaels "Sixtinische Madonna" Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

1120 Objekte sind in der Ausstellung zu besichtigen, 700 Gemälde und 420 Skulpturen, ein Bruchteil des Bestandes. Zum ersten Mal wurden Skulpturen und Gemälde in einer Dauerausstellung zusammengeführt. Die Dresdner Antikensammlung wird nun im im Erdgeschoss des Semperbaus präsentiert, die Plastiken der Renaissance und des Barock in unmittelbarer Nähe zu den Gemälden. Viele Bilder erstrahlen in neuem Glanz. Die jahrelange Schließung der Galerie ermöglichte es den Staatlichen Kunstsammlungen, 45 Gemälde grundlegend und 160 Bilder teilweise zu restaurieren. Auch viele der goldenen Prunkrahmen wurden ausgebessert.

Eine Sammlung im Sinne der Menschlichkeit

"Unsere Konzeption beruht auf dem Humboldtschen Satz, 'Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft'", erklärt Marion Ackermann. "Einer der Leitgedanken für das jetzige Ausstellungskonzept war die Frage, wann tritt ein neues Menschenbild zutage?" Menschlichkeit sei ein Kerngedanke vieler Werke, der über Jahrhunderte ausstrahlte. So war der Dichter Fjodor Dostojewski wie viele Russen im 19. Jahrhundert von der Dresdner Sammlung fasziniert, ganz besonders zählte die "Sixtinische Madonna" zu seinen Lieblingsgemälden. Immer wieder müsse er, schrieb er in seinen Aufzeichnungen, zu Raffaels Gemälde zurückkehren, "damit er am Menschen nicht verzweifle".  

Museen seien Orte der Begegnung und des Austausches, sagt Stephan Koja. "Wie leer wäre die Galerie ohne ausländische Künstler!" Aber auch ohne ausländische Besucher: 75 Prozent aller Besucher der Gemäldegalerie kommen aus dem Ausland, und auch heute noch sind die Hälfte davon Russen. Zwischen der Petersburger Eremitage und den Staatlichen Kunstsammlungen besteht ein traditionell gutes Verhältnis. In Moskau soll es im Herbst in der Tretjakow-Galerie eine Ausstellung mit Dresdner Exponaten zur Romantik geben. Aber auch andere internationale Projekte sind geplant, zum Beispiel steht für 2022 eine große Schau rund um das Gemälde "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster" des niederländischen Künstlers Jan Vermeer (1632-1675) in Japan an.

Ausstellungsraum mit antiken Skulpturen
Skulpturen erstrahlen in der neuen Antikenhalle der GemäldegalerieBild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Einsilbig werden die Dresdner Direktoren nur, wenn es um das neue Sicherheitskonzept für die Sammlung geht. Nachdem es im November 2019 einen spektakulären Einbruch in die Schatzkammer "Grünes Gewölbe" gegeben hatte, sei das Konzept "überarbeitet" worden. Der Diebstahl unwiederbringlicher Schätze soll die Freude über den neuen Stolz des Freistaats Sachsen nicht trüben. Lieber erinnert man sich an die Begeisterung des deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe, der in seiner Autobiografie "Dichtung und Wahrheit" über seinen ersten Besuch des Semperbaus schrieb: "Die Stunde, wo die Galerie eröffnet werden sollte, mit Ungeduld erwartet, erschien. Ich trat in dieses Heiligtum, und meine Verwunderung überstieg jeden Begriff, den ich mir gemacht hatte."

Dies ist eine aktualisierte Version unseres bereits vor der feierlichen Eröffnung publizierten Beitrags.