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Fotograf Adolf de Meyer im New Yorker Met

Sabrina Cooper hm
3. Dezember 2017

Das Metropolitan Museum of Art in New York zeigt eine Retrospektive des bahnbrechenden Fotografen Adolf de Meyer. Um die Jahrhundertwende lichtete er berühmte Künstler ab, seine Fotografien waren stilprägend.

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METAusstellung  Adolf de Meyer
Bild: MET/Gift of Paul F. Walter

Baron Adolf de Meyer - in Paris geboren, der Vater deutsch-jüdischer Bankier, die Mutter aus Schottland - fotografierte Anfang des 20. Jahrhunderts Berühmtheiten. Darunter die legendäre Tänzerin Josephine Baker, die Schauspieler John Barrymore oder Charlie Chaplin und sogar Queen Mary. De Meyer war ein Star zu seiner Zeit, heute ist er weitgehend in Vergessenheit geraten.

Er kann sich nicht messen mit der Berühmtheit eines Helmut Newton oder Karl Lagerfeld, obwohl Adolf de Meyer ein regelrechter Jetsetter und zu seiner Zeit ein sehr einflussreicher Künstler war. Er vermochte es, die Realität mit der Kamera einzufangen und sie zugleich in etwas Fantasievolles zu verwandeln. Der britische Fotograf und Designer Cecil Beaton nannte de Meyer den "Debussy der Kamera" und war der Meinung, dass der künstlerisch begabte de Meyer in der Hierarchie der Fotografen viel zu niedrig platziert sei. Nichtsdestotrotz hat de Meyer starken Einfluss gehabt - etwa auf das Werk des amerikanischen Avantgarde-Künstlers Man Ray und des deutsch-amerikanischen Modefotografen Horst P. Horst.

Am Montag (4.12.2017) eröffnet die Ausstellung "Quicksilver Brilliance" im New Yorker Metropolitan Museum of Art. Sie widmet sich de Meyers bahnbrechender Modefotografie, aber auch seinen Porträtaufnahmen von Models, Sportlern und Berühmtheiten seiner Zeit. Die Ausstellung enthält etliche Beispiele für de Meyers bemerkenswerte Porträtkunst, darunter Aufnahmen der afro-amerikanischen Tänzerin und Sängerin Josephine Baker, des russischen Tänzers Vaslav Nijinsky und der amerikanischen High-Society-Lady Rita de Acosta Lydig.

Geheimnisvolle Herkunft

MET Ausstellung Adolf de Meyer Rita de Acosta Lydig
Rita de Acosta LydigBild: MET/Gift of Mercedes de Acosta

Der Fotograf verstand es, seine eigene Lebensgeschichte zu mystifizieren. "De Meyers Leben hatte legendäre Züge. Vieles über sich hat er erfunden, und eine ganze Menge ist Klatsch und Tratsch", erzählt Beth Saunders, Kuratorin der Met-Ausstellung, im DW-Interview.

Geboren wurde Adolf de Meyer in Paris, einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in Dresden, und in Deutschland ist er auch überwiegend aufgewachsen. Als Schüler des berühmten Malers Claude Monet lernte er die Komposition der Malerei und das Zeichnen von der Pike auf. Der Sohn einer schottischen Mutter und eines deutsch-jüdischen Vaters, floh kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs aus Europa in die Vereinigten Staaten. Der Grund waren seine jüdische Abstammung und seine Homosexualität, in einer Zeit, in der Homophobie und Antisemitismus in Europa um sich griffen.

De Meyer änderte auch seinen Namen. Das deutsche Adolf wurde zu Adolphe und aus von Meyer wurde de Meyer. Der Titel eines Barons kam ab 1898 hinzu. Auf den Rat eines Astrologen änderte er 1916 seinen Vornamen nochmal in Gayne. "Bekannt war er für seine Eleganz, aber auch für ein angestrengtes Bemühen um Auffälligkeit", so Kuratorin Saunders. Dazu gehörte, dass er sich zeitweise das Haar blau färbte und ein farblich dazu passendes Auto fuhr. "Bei der Vorbereitung der Ausstellung", resümiert sie, "musste ich lernen, hinter die Fassade zu blicken. Am Ende begriff ich, dass all diese fantastischen Geschichten Teil seiner Künstlerpersönlichkeit waren."

MET Ausstellung Adolf de Meyer Josephine Baker
Die legendäre Josephine BakerBild: MET/Ford Collection

Im Jahr 1895 zog de Meyer nach London und mischte sich unter die damals angesagten Modezirkel. Ein Jahr später lernte er seine zukünftige Frau Olga Alberta Caracciolo kennen, eine Künstlerkollegin und eine Patentochter des Prinzen von Wales (ab 1901 König Edward VII.) - den Gerüchten nach sogar dessen leibliche Tochter. Die Ehe kam beiden zupass, da Olga de Meyer bisexuell und Adolphe homosexuell war.

In der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts widmete sich Adolf de Meyer zweier Leidenschaften. Er verkehrte in der feinsten englischen Gesellschaft, und verschrieb sich dem Piktorialismus, einer fotografischen Stilrichtung aus der Zeit zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg, deren Ziel es war, Fotografie als vollwertiges künstlerisches Ausdrucksmittel zu etablieren.

Der erste Modefotograf

Nachdem Adolf de Meyer als Amateurfotograf begonnen hatte, erwarb er sich bald den Ruf eines führenden Fotokünstlers des Piktorialismus. Der amerikanische Fotograf und berühmte Galerist Alfred Stieglitz stellte de Meyers Bilder aus. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs floh de Meyer von Europa in die USA und übertrug seinen Bildstil auf die dortige Modefotografie. Er avancierte zum führenden Modefotografen bei der Zeitschrift American Vogue und arbeitete später auch für Harper's Bazaar und Vanity Fair.

Im Jahr 1913 engagierte man de Meyer, um bekannte Schauspielerinnen, Models und Gesellschaftsprominenz für die Modezeitschrift Vogue abzulichten. Es war das erste Mal, dass dort Fotos abgedruckt wurden. De Meyer war überhaupt einer der ersten, der in der Fotografie Kunst und Kommerz verband. Er wurde zum Hausfotograf des Modemagazins und machte das zu seinem eigenen Metier. Manche Historiker sehen in de Meyer sogar den Begründer der Modefotografie.

Zu seinem Stil gehörte die Weichzeichner-Ästhetik. Er lichtete seine Modelle, die wie Statuen posierten, als Kunstobjekte ab. Er arbeitete dafür äußerst präzise mit Licht und starken Schatten und verschleierte seine Linse mit Flor. Abgesehen von seiner technischen Könnerschaft, hatte er das Talent, die Persönlichkeit eines jeden einzufangen, der vor seiner Kamera stand.

Berühmte Portrait-Ikonen

MET Ausstellung Adolf de Meyer Plate from Le Prelude à l’Après-Midi d’unFaune
"L'après-midi d'une faune" vom Vaslav Nijinskys Ballettaus dem Jahre 1912Bild: MET/Gilman Collection

Die Ausstellung im Met präsentiert sowohl de Meyers Modefotografie als auch die Porträts prominenter Persönlichkeiten. Beim Porträt von Josephine Baker liegt sein Fokus beispielsweise auf ihrem gefühlsbetonten Gesicht und ihrem strahlenden Lächeln, nicht etwa auf ihrem Körper, für den sie als Tänzerin berühmt war.

Ein herausragendes Ausstellungsstück ist eine von nur sieben bekannten Ausgaben eines Fotobuches, welches das legendäre Ballett Vaslav Nijinskys "L'après-midi d'une faune" aus dem Jahre 1912 dokumentiert. Dieses Album offenbart de Meyers außerordentliches Gespür für tänzerische Choreographien und gilt als Meilenstein in der Geschichte der Fotografie.

Beth Saunders geht es als Kuratorin der Met-Retrospektive darum, die Entwicklung von de Meyers fotografischem Stil sichtbar werden zu lassen. "Ich wollte zeigen, wie er sich im Laufe seiner Karriere auf ganz unterschiedliche Weise mit Lichteffekten, Exotik und den Möglichkeiten des Posierens auseinandersetzt", erklärt sie im Gespräch mit DW.

Die Ausstellung "Quicksilver Brilliance" kommt zur passenden Zeit, denn 2018 wird man sich an de Meyers Geburt vor 150 Jahren erinnern. Auch in unserer heutigen Zeit wäre de Meyer eine faszinierende Persönlichkeit gewesen, ist Saunders sich sicher. "Ich weiss zwar nicht, welche Sujets er sich heute aussuchen würde, aber ich würde ihm auf Instagram auf jeden Fall folgen."

"Quicksilver Brilliance: Adolf De Meyer Photographs", eine Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum of Art vom 4. Dezember 2017 bis zum 18.März 2018